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(c) Pester Lloyd / 02 - 2016   POLITIK     10.01.2016

Koalition der Europafeinde: Orbán fordert Auflösung der Gemeinschaft, macht Front mit Großbritannien und orbánisiert Polen

Wer Orbáns Politik und seine Vision von Europa ablehnt, befürwortet die sexuellen Übergriffe in Köln. Das ist das simple, aber für viele Fans und "Besorgte" schlüssige Weltbild, das Orbán zu Beginn des Jahres aussenden lässt. Es ist 2016. Es soll wieder das Jahr Orbáns werden. So wie 2015 sein Jahr war. Diesmal sieht sich Orbán als Feldherr an der Spitze einer Koalition zur Befreiung der Nationalstaaten von Europa. Ungarn ist ihm nicht mehr genug...

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In seiner berühmt-berüchtigten Radio-Show "180 Minuten" am vergangenen Freitag auf Kossuth Rádió, schwadronierte der Baumeister neuer Eiserner Vorhänge zunächst davon, dass Europa "an Griechenlands Nordgrenze eine neue Verteidigungslinie errichten" müsse. Offenbar habe "Europa ja endlich kapiert, dass es nicht genug ist, Einwanderung zu verlangsamen oder einzuschränken, sondern dass sie komplett gestoppt werden" muss.

 

Weitere Vorgaben aus Budapest für Brüssel: Bulgarien muss Mitglied der Schengenzone und Mazedonen "gestärkt werden", so dass man eine "Verteidigungslinie entlang Griechenlands Nordgrenze etablieren" kann. Damit schließt Orbán Griechenland praktisch physisch aus der Union aus, klar, da es nicht in der Lage ist, die Flüchtlingswelle aus der Türkei aufzuhalten. In die Vereinbarung mit seinem geistigen Bruder Erdogan (wenig bis keine Flüchtlinge mehr durchzulassen) "habe ich wenig Vertrauen". Er wird wissen, warum man "respektablen" Politikern dieses Schlages wenig vertrauen kann.

Orbáns Ratschläge, wenn nicht Anweisungen, wie mit Grenzen und Flüchtlingen grenzüberschreitend zu verfahren sei, widersprechen nur für Feingeister seiner neuen Hauptforderung, dass nämlich Brüssel nicht den Nationalstaaten "Macht entziehen" dürfe. Diese Doktrin, die Abgabe nationaler Befugnisse im Gegenzug für gemeinsame Wirtschafts- und Rechtsräume ist ja eigentlich die Basis der Europäischen Gemeinschaft. Sie nennt Orbán abwertend "Brüsselismus", dieser "Reflex", bei Problemen "immer eine europäische Lösung zu suchen und den Nationalstaaten dabei Befugnisse zu entziehen" müsse man überwinden. Und das ginge nur durch eine Änderung der Europäischen Verträge.

Orbán will also ein gemeinsames Haus, nur ohne Hausordnung. Und am besten mit ihm als Hausmeister. Die nächste Lektion geht daher an die aktuelle Hausverwaltung. Deutschland: "Jene, die uns Lektionen in Meinungsfreiheit erteilen wollen und die die Massenankunft von Einwanderern als etwas Gutes darstellen, sind jene, die negative Berichte über Asylanten unterdrücken, im Namen des Liberalismus!" Die "Ereignisse von Deutschland (er meint die Übergriffe in Köln in der Neujahrsnacht) zeigen uns, dass die Pressefreiheit in Osteuropa breiter ist als in vielen westlichen Ländern." Dass Orbán “negative Berichte über Asylanten” unterdrückt hätte, stimmt wirklich nicht. Im Gegenteil, er schafft diese Berichte notfalls selbst. Seine ganze Politik 2015 beruhte auf einer einzigartigen Hetz- und Hasskampagne gegen alles, was fremd ist und bleiben soll.

Die Lektion über die “freien Medien” erteilte Orbán ganze drei Tage, nach dem sein Freund und Regierungskommissar für die Generalzensur der Filmindustrie, der Hollywood-Produzent und Casino-Oligarch Vajda
mit dem Kredit zweier staatlichen Banken einen Privatsender übernahm, wobei vertragliche Vorkaufsrechte eines anderen Interessenten per Dekret übergangen wurden. Eines von vielen Details, die Orbáns blindwütige Anhängerschaft gerne übersieht. Er ist zwar ein korrupter Betrüger, dessen Systematik der Ausplünderung sogar die Kádár-Ära übersteigt, aber er hat eben die richtige politische Einstellung. Nur die Abhängigkeit von Moskau, die ist mittlerweile wieder die gleiche wie vor 30 Jahren...

Orbán hat einen Lauf: Hatte er seit 2010, unter der schützenden Hand seiner EVP-Parteifreunde zunächst sein Land zu einer autokratischen, noch dazu EU-finanzierten Kleptokratie transformiert, nutzte er die Ereignisse 2015 konsequent für die Lähmung und Spaltung der EU. Nun soll in einer Koalition der Antieuropäer der nächste Schritt folgen, die Vernichtung des "Liberalismus", der Triumph des Nationalstaates. Dass Orbán diese "nationale Selbstbestimmung" womöglich nur aus zwei niederen Motiven anstrebt, nämlich, die Raubzüge seiner Günstlinge einer unabhängigen Kontrolle zu entziehen und dem Volk die bewährte Droge "Nationalismus" als Beruhigungs- und Aufputschmittel gleichermaßen vorzuwerfen? Nein. Das kann nicht sein, das sind lediglich Verleumdungen der linkslinken Mainstream-Lügenpresse. So einfach ist das.

Orbán handelt uneigennützig. Er wirft sich sogar für andere in den Ring, für Polen zum Beispiel. Niemand solle "auch nur in Betracht ziehen" Polen Sanktionen anzudrohen. Er, Ungarn, werde dagegen stimmen. "Wir werden nie irgendwelche Sanktionen gegen Polen unterstützen." Also egal, was die Regierung in Warschau auch treibt. Niemals. Das versicherte er gerade nochmal Jarosław Kaczyński, dem PiS-Chef, als beide in der Vorwoche ihre Checklisten für Demokratie- und Rechtsstaatsabbau abglichen (Verfassungsgericht entmachtet, Staatsmedien gleichgeschaltet etc.). Polen "verdient Respekt", Ungarn habe schon "erlitten, was gegenwärtig mit Polen gemacht" wird - also die unverschämte Einforderung der Einhaltung von EU-Recht - auch EU-Grundwerten.

Als Zeichen des Zusammenhalts werde Polens Premier Beata Szydło im übrigen bald in Ungarn erwartet. Orbán kann dann Phase Zwei erörtern, wie man den Demokratieabbau zementiert und in politischen und monetären Gewinn ummünzt und wie man die EU dazu bringt, weiter Milliarden zu zahlen ohne deren Regeln einzuhalten.

Auch den britischen Premier David Cameron, der gerade in Budapest war, will Orbán auf seiner Seite wissen, wenn es darum geht "die EU zu erneuern" also letztlich zu ent-gemeinschaften, wie man die "starken Nationen", die die schwächsten Länder und größten Schmarotzer der EU fordern, interpretieren sollte. Eine "natürliche Allianz" nennt Orbán die Koaltion Ungarn-Großbritannien-Polen. Ziel sei es "Doppelstandards zu beenden und die nationalen Parlamente zu stärken". Das ist besonders dann wünschenswert, wenn die Macht dieser nationalen Parlament in den Händen des Regierungschefs liegt.

An seine Landsleute gerichtet: Durchhalteparolen, getürkte Zahlen und endlose Lügen von einer blühenden Zukunft und sozialer Gerechtigkeit, die es nie gab und deren Reste in den letzten Jahren zu Gunsten ständischer Klientelwirtschaft
abgeschafft wurden. Machtworte gegen ausländische Investoren und Banken, allenthalben dankbare Sündenböcke. Milliarden-Schulden staatlicher Krankenhäuser? Rekordarmutsquoten? Ein außer Kontrolle geratener Günstlingsapparat? Trugbilder der Feinde Ungarns. Zum Schluss seiner "Freitagspredigt": Die Aussicht auf gigantische Events, bis hin zu Olympia 2024, pünktlich zu Orbáns 10jährigem Thronjubiläum sozusagen. Man muss eben Prioritäten setzen.

 

Wer Orbáns Politik und seine Vision von Europa ablehnt, befürwortet die sexuellen Übergriffe in Köln. Das ist das simple, aber für viele "Besorgte" schlüssige Weltbild, das Orbán zu Beginn 2016 aussenden lässt. Seine "freie" Hofpresse besorgt die passenden Formulierungen. Die Gemeinschaft dürfe den Nationalstaaten bei der Problemlösung künftig nicht mehr hereinreden - eine Forderung, die nichts weniger als ihre Selbstauflösung bedeutet.

Die Regierungen von Großbritannien und Polen, neben Ungarn die größten Nutznießer der verpönten Gemeinschaft, hat er dabei schon an seiner Seite. Die EVP ließ Orbán 5 Jahre gewähren und wundert sich nun, dass sie schwer bis gar nicht Zugriff auf die Entwicklungen in Polen findet. Sie sind Mittäter beim Orbánschen Zersörungswerk an Europa.

red. / m.s.

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