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(c) Pester Lloyd / 40 - 2016     NACHRICHTEN   06.10.2016

Strafrecht unter Populismusverdacht: EGM urteilt wieder gegen Ungarns "tatsächliches lebenslang"

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die "tatsächliche lebenslange Haftstrafe", die seit 2015 Zeit in Ungarn Teil des Strafrechts ist, ein weiteres Mal als menschenrechtswidrig verurteilt. Konkret ging es um die Fälle zweier derart verurteilter Personen. Die Praxis der "tatsächlichen lebenslangen Haft" wurde als "unmenschlich und erniedrigende Behandlung" bezeichnet.

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Ungarische Häftlinge, hier beim Bau des Zauns zu Serbien im Sommer 2015. Foto: MTI

Die Strafe umfasst 40 Jahre Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung bis ans Lebensende. Allerdings - und das ist der eigentliche Kritikpunkt für die Richter - fehlen in Ungarn nachvollziehbare Standards, die die Notwendigkeit einer weiterführenden bzw. dauerhaften Verwahrung in Unfreiheit fachlich belegen könnten. Es müsse für den Häftling eine klare Perspektive geben, unter welchen Umständen eine Freilassung für ihn möglich wird oder eben klare Kriterien, warum diese Freilassung unmöglich bleibt.

Dass eine Haftprüfung überhaupt erst nach 40 Jahren Haft möglich wird, sei nicht rechtens. Ebenso kritisiert wurden schwammige Formulierungen und Bearbeitungsstandards bei Begnadigungen seitens des Staatspräsidenten. Das Gericht erlegt Ungarn auf, die Höchststrafe auf zunächst 25 Jahre zu senken und sich bei den Haftprüfungen an erprobte, westeuropäische Standards zu halten.

Die lebenslange Haftstrafe ohne - auch nur die theoretische - Aussicht auf Freilassung ist populistischer Teil einer umgehenden Law-and-Order-Politik, die keine präventiven Zielstellungen verfolgt, sondern lediglich das Wahlvolk durch eine harte Hand beeindrucken soll. Wie sehr das Strafrecht Kampf- und Stilmittel von Demagogen geworden ist, belegen nachfolgende Beispiele:

Orbán für Wiedereinführung in Ungarn: "Todesstrafe gehört auf die Tagesordnung..."
http://www.pesterlloyd.net/html/1518todesstrafe.html

Tod dem Hühnerdieb... - Das neue Strafrecht in Ungarn als Instrument der Politik
http://pesterlloyd.net/html/1226neuesstrafrecht.html

Acht Jahre Haft fürs Kiffen? Ungarn verschärft sein Strafrecht
http://www.pesterlloyd.net/2012_06/06strafgesetz/06strafgesetz.html

Strafrecht mit Vor- und Beigeschmack: In Ungarn tritt ab 1. Juli 2013 ein neues Strafrecht in Kraft
http://www.pesterlloyd.net/html/1326strafrechtinkraft.html

40 Jahre Haft zu wenig: Ungarische Regierung polemsiert gegen Oberstes Gericht
http://www.pesterlloyd.net/html/152640jahrezuwenig.html

Paragraph gegen "Häusliche Gewalt" in Ungarn als Zugeständnis "an die Damen"
http://www.pesterlloyd.net/html/1238paragrafgewalt.html

(Um unvermeidlichen Kommentaren vorzugreifen: Nein, es geht dem EGM nicht um "Täterschutz" und auch nicht darum, gefährliche Subjekte auf die Menschen loszulassen. Es geht um die Einhaltung humanistischer Grundnormen und rechtsstaatlicher Prinzipien, die eben auch auf Schwerstkriminelle anzuwenden sind, den Schutz von Gesellschaft und Individuum aber nicht aufheben. Dieses Vorgehen unterscheidet Zivilsationen von Gesellschafte, in denen sich der Staat teilweise auf das gleiche kriminelle Niveau begibt wie die Inhaftierten. red.)

red.

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