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Orbán oszilliert zwischen Trump und Putin – Suche nach Rückendeckung aus Washington

Der ungarische Premierminister reist mit Großdelegation nach Washington, um Trump zu treffen. Es geht um Energie, Russland und ums politisches Überleben.

Budapest/Washington. Viktor Orbán hat in den Vereinigten Staaten alte Freundschaften zu pflegen, sowie neue Spielräume zu gewinnen. Sein Treffen mit Präsident Donald Trump markiert den Versuch, Ungarns Abhängigkeit von russischer Energie mit amerikanischer Rückendeckung zu legitimieren – und das eigene Image als internationaler Staatsmann vor den Wahlen 2026 zu polieren.

Eine Delegation der Superlative

Viktor Orbán kam mit großer Gefolgshaft: 180 Delegierte, unter ihnen Minister, Wirtschaftsvertreter und mediale Jubelschwätzer. Das Eintreffen der ungarischen Maschine – nach technisch bedingter Sicherheitslandung in Island -, eine eigens geleaste Boeing von Wizz Air , wurde von staatlichen Medien als Symbol der Bescheidenheit gefeiert.

Im Mittelpunkt steht das Verhältnis zur Energiepolitik und zu Russland. Während die US-Regierung den Druck erhöht, russische Ölimporte vollständig zu beenden, sucht Orbán nach einem Schlupfloch. Bereits vor der Abreise erklärte Außenminister Péter Szijjártó, man habe mit Washington „ein umfangreiches Energiepaket vorbereitet, das Ungarns Versorgung langfristig sichern soll“. In Wahrheit hofft Budapest wohl auf eine Ausnahmeregelung von den jüngst verhängten US-Sanktionen gegen Lukoil und Rosneft – eine Hoffnung, die Trump bislang öffentlich dämpfte:

„Er hat um eine Ausnahme gebeten, aber wir haben sie nicht gewährt. Er ist ein Freund von mir.“

Geopolitische Gratwanderung

Orbán will dennoch ein politisches Signal: Die ungarische Regierung möchte die Abhängigkeit von Moskau nicht aufgeben, ohne gleichzeitig einen sichtbaren Gewinn in Washington zu erzielen. Denkbar sind größere LNG-Käufe aus den USA oder neue Kooperationsprojekte im Bereich der Reaktor/Atomtechnik. Schon seit Jahren verhandelt man über den Bau kleiner modularer Atomreaktoren und über amerikanische Beteiligung am Ausbau des Kraftwerks Paks.

Gleichzeitig hat der Premier ein innenpolitisches Ziel: Beobachter sehen den Besuch als Teil seiner Wahlstrategie. Laut dem Guardian will Orbán Trump zu einem Gegenbesuch in Budapest bewegen – eine symbolische Geste, die seine angeschlagene Autorität vor den Parlamentswahlen 2026 stärken könnte. „Orbán will Trump in Budapest sehen, das ist die oberste Priorität“, so ein ungarischer Regierungsinsider.

Die Lorbeeren des vermeintlichen Friedensstifters

Die internationale Dimension bleibt komplex. Orbán positioniert sich erneut als potenzieller Vermittler zwischen Washington, Moskau und Kyiv. Ursprünglich war eine Dreierkonferenz zwischen Trump, Putin und Orbán in Budapest geplant, die von US-Seite aber abgesagt wurde, weil Russland „nicht zu ernsthaften Friedensgesprächen bereit“ sei. Orbán, der im Westen oft als „Putins Trojanisches Pferd in der EU“ bezeichnet wird, versucht dennoch, das Narrativ vom Friedensstifter zu pflegen.

Gergely Gulyás, Orbáns Kanzleichef, sprach vor der Abreise von einer „Chance, die Roadmap für einen möglichen US-Russland-Gipfel zu entwerfen“. Andere sehen den Versuch, Orbáns diplomatische Isolation zu kaschieren.

Dass die USA unter Trump nun härtere Sanktionen gegen russische Energieunternehmen verhängen, setzt Budapest zusätzlich unter Druck. Orbáns Weigerung, russisches Öl zu boykottieren, isoliert ihn innerhalb der EU – und verschärft zugleich den Konflikt mit Kyiv. Die Anhaltenden Angriffe auf die Druzhba Pipeline, der Vorwurf, ungarische Drohnen seien in ukrainischen Luftraum eingedrungen, sowie die Enthüllung eines mutmaßlichen Spionagenetzwerks haben das Verhältnis zwischen beiden Ländern auf einen Tiefpunkt gebracht.

Die innenpolitische Bühne

Vor diesem Hintergrund erscheint Orbáns Washington-Besuch als Versuch, verlorenes außenpolitisches Terrain zurückzuerobern. Experten wie Daniel Hegedűs vom German Marshall Fund sehen darin ein Hochrisikomanöver:

„Die Mission ist innenpolitisch überhöht. Sollte Orbán ohne greifbare Zugeständnisse heimkehren, wäre das ein Gesichtsverlust.“

Doch selbst wenn konkrete Vereinbarungen ausbleiben, dürfte die Inszenierung gelingen. Schon die Bilder – zwei dickliche Männer im Weißen Haus, die sich gegenseitig „Freunde“ nennen – werden in Ungarn als Beweis internationaler Anerkennung verkauft. Zsuzsanna Végh, Analystin beim German Marshall Fund, erwartet genau das: „Egal, was inhaltlich passiert – zu Hause wird es als Triumph dargestellt.“

Symbolik mangels Substanz

Was tatsächlich bleibt, ist eine heikle strategische Doppelbindung: ein EU-Staat, der von Washington Energiepartnerschaften will, aber Moskau nicht verärgern darf. Zwischen Loyalität und Abhängigkeit bewegt sich Ungarn auf einem schmalen Grat – und Orbán selbst auf einem Drahtseil angesichts der Wahl 2026 und den schlechten Umfragewerten.

Quellen: Euronews, The Guardian, MTI.hu, German Marshall Fund
Photo: Donald Trump von Gage Skidmore, Viktor Orbán von Philippe BUISSIN © Europäische Union, Wikipedia

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