(c) Pester Lloyd / 41 - 2009
MUSEEN & GALERIEN 09.10.2009
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"Mama? Wo sind die Dinos?"
Ausufernde Vielfalt: Das Naturhistorische Museum in Budapest
Spiel, Spaß und Spannung verspricht das drittälteste naturhistorische Museum Europas in Budapest. Neben interaktiven Spielen für Kinder ist eine
bunte Sammlung zu bestaunen, die von ausgestopften Tieren, bis nachgebildeten Tropfsteinhöhlen reicht. Innovativ und kinderfreundlich,
doch manchmal ausartend, so ist das Fazit. Doch das erste Abenteuer ist ein chaotisches Ticketsystem, dass es zu überwinden gilt.
„Hol vannak a dinok?“ (Wo sind die Dinos?) fragt der kleine Balázs,
während seine Mutter verzweifelt versucht die richtigen Tickets für die Ausstellung zu kaufen. Für die Erlaubnis Fotos zu machen, muss man 200 Forint extra bezahlen und auch
der Dinosaurier Garten, in den Balázs unbedingt will, kostet extra. Das sei aber nicht so schlimm sagt seine Mutter lachend, schließlich ist sie hierfür extra aus dem 80km
entfernten Kecskemét angereist. Ich begleite Mutter und Sohn und werde Teil einer etwas anderen Museumsführung.
20 Meilen unter dem Meer
Schnell suchen wir Beschäftigung für
den Kleinen, der erst bei der Parkplatzsuche aufgewacht ist und noch etwas planlos durch die Gänge des Museums stiefelt. Einer der vielen Dutzend
Ticket-Kontrolleure, die sich im Haus aufhalten gibt uns den Tipp, zunächst die Raubtiere anzusehen.
Unter unseren Füßen sind dann allerhand bunte Fische und sogar ein Rochen. Wir
sind in einem nachgebildeten Korallenriff gelandet. Fruzsina, die sich mir jetzt auch mit ihrem Vornamen vorgestellt hat, will Balázs erklären, dass die Fische nur
aus Pappe sind. Dafür ist der Sechsjährige gerade gar nicht empfänglich, er will schnell raus aus dem komisch abgedunkelten Zwischengang und Löwen und Krokodile sehen.
Museumspädagogik und Spielplatz
In dem erst 2004 eröffneten Museumsanbau wird noch bis zum 23. November
gezeigt, dass Raubtiere keine Mörder sind, keine blutrünstigen Bestien, sondern beeindruckende, sich in die Nahrungskette organisch einfügende vielseitige
Lebewesen. Balázs staunt nicht schlecht, als er erfährt, was die einzelnen Tiere zum erjagen von Beute brauchen und dass Geruchs- und Hörsinn teilweise
wichtiger sind als große Zähne und dicke Pranken. Am meisten begeistern ihn die vier riesigen Modelle, die sich auf Knopfdruck sogar bewegen. Das große
Nilkrokodil lässt er an die zwanzig Mal aus einem Gebüsch springen. Die unzähligen interaktiven Spiele werden von kurzen Informationstexten, sogar auf
Englisch begleitet. Kinder fast aller Altersklassen sollten Spaß an dem vielseitigen Angebot haben. Vergleichbares gibt es nur im Naturkundemuseum von London.
Besonders stolz ist der Leiter des Museums, den wir vor einem überdimensionalen Riesenwespenspinnenmodell treffen, auf die Tatsache, dass eine ungarische
Firma den Raum eingerichtet hat und die Modelle bald durch ganz Europa touren sollen.
„Später werde ich Dinoforscher“
Die Raubtiere zu denen auch
Sensationsstücke, wie Flugsaurier aus China gehören, haben Balázs beeindruckt, sind aber nicht mit dem zu vergleichen, was er sich von den Dinos erwartet, die er schon
von der Straße aus im Garten des Museums gesehen hat. Da stehen sie dann: ein bisschen wie in Jurassic Park. Fehlt nur, dass die Giganten, wie im Erfolgsfilm von Steven
Spielberg mit Ziegen gefüttert werden. Mir fällt ein, dass Kecskemét ins Deutsche übersetzt Ziegengang bedeutet, ich rücke näher an die kleine Familie heran und schaue ehrfürchtig hinauf, zum König der
Saurier, dem Tyrannosaurus Rex. Ich bin etwas enttäuscht, zwar sind die Plastiken wirklich eindrucksvoll und gut verarbeitet, so dachte ich doch, dass man für den Aufpreis mehr von ihnen zu
Gesicht zu bekommt. Balázs Entschluss steht indessen fest, er will Dinoforscher werden.
Als die Tiere den Wald verließen
Nun begeben wir uns zum Kernstück des Museums, der permanenten Ausstellung,
die eigentlich alles thematisiert, was mit Natur zu tun hat: von ausgestopften Tieren bis zur nachgebildeten Tropfsteinhöhle. Die Räumlichkeiten, die einst eine
Schule für angehende ungarische Offiziere waren, erinnern zunächst sehr stark an das zoologische Museum König in Bonn. Wie in Bonn werden Tiere und sogar
Steinzeitmenschen in liebevoll nachgestellten Landschaften gezeigt. Schwerpunkt sind die Schätze des Karpatenbeckens und Afrika. Hier lebt Balázs ein letztes Mal
auf, er kennt die Tiere aus Kinderbüchern und stellt dies stolz unter Beweis, sogar die Tüpfelhyäne ist ihm ein Begriff.
Vom Stoff erschlagen
Die vielen Eindrücke scheinen mit der Zeit zu viel für ihn zu sein: „Mama ich will
nach Hause“. Auch mir fällt es jetzt schwer alles zu verstehen. Anders als in anderen Naturmuseen werden hier sogar Anthropologie, Geologie und Mineralogie
angeschnitten. Selbst die Veränderung von Kultur und Umwelt spielen eine Rolle. Viel zu viel für einen Nachmittag. So verabschiede ich mich neben einer
überlebensgroßen Mammut Nachbildung von meinem kleinen Führer und seiner Mutter und bedanke mich für die freundliche Aufnahme.
Fazit
Es bietet sich an, zwischen der permanenten und der zeitlich begrenzten
Ausstellung zu entscheiden. Der Dinogarten ist es nicht wert, ein Extraticket zu kaufen, schließlich kann man ihn auch von der Straße aus sehen. Das Museum
punktet vor allem mit seiner Kinderfreundlichkeit. Neben den interaktiven Spielen sind einige Studenten über das 3000 Quadratmeter große Gelände verteilt, die
den Kindern die Natur näherbringen. Das Museumskonzept ist absolut modern und die Ideen sehr innovativ. Die Vielfalt im Museum ist seine größte Schwäche, es
fällt gelegentlich schwer sich auf alle wissenschaftlichen Bereiche, vor allem in der permanenten Ausstellung einzulassen.
Tibor Wilhelm Benedek
Ungarisches Naturhistorisches Museum Budapest, VII. Ludovika Platz 2-6
Telefon: 3612101085 E-Mail: mtminfo@nhmus.hu www.nhmus.hu
Öffnungszeiten: 10-18 Uhr (Dienstags geschlossen)
Ticketpreise: Dinogarten, Erwachsene: 350 Forint, Kinder unter 18: 250 Forint
Raubtier Ausstellung, Erwachsene: 1400 Forint Kinder (6-26) und Rentner (62-70): 750 Familienticket: 3500 Alle Ausstellungen: Erwachsene: 2000 Forint
Kind, Student (6-26) und Rentner (62-70): 1000 Forint Familienticket: 4800 Forint Kinder unter 6 und Rentner über 70 haben freien Eintritt
Programm: 14. November: Museumsnacht (Musik von Edith Piaf, Weinprobe, Kinderprogramm)
10. Oktober: Tag der Tiere (Insekten aus dem Budapester Zoo und ein Hund großer Koati Bär)
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(c) Pester Lloyd
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