(c) Pester Lloyd / 45 - 2009
WIRTSCHAFT 03.11.2009 _______________________________________________________
In bröckelnden Putz gemeißelt
Die EU widerspricht dem ungarischen Budgetentwurf
Die Europäische Kommission hat ihre ganz eigenen Vorstellungen, wie es mit Ungarns Wirtschaft und dem daraus resultierenden Staatshaushalt in den
kommenden zwei Jahren weitergeht. Auch wenn der ungarische Regierungschef Gordon Bajnai keine Gelegenheit auslässt, um zum Gefallen
der Gläubiger um IWF und EU, das Defiziel für 2010 von 3,8% als "in Stein gemeißelt" zu bezeichnen, kommen die Volkswirte in Brüssel zu ein wenig anderen Schlüssen.
Ungarns Regierungschef verteidigt seinen Budgetentwurf vor dem
ungarischen Parlament. Foto: fidesz.hu
Für 2010 rechnen sie nach der aktuellsten Vorschau danach mit einem
Haushaltsdefizit von 4,2%, für dieses Jahr von 4,1% (zu 3,9). Diese Abweichung hat mehrere Gründe. Bajnai könnte, selbst wenn er seit dem Sommer
mittlerweile andere ökonomische Einsichten gewonnen hätte, seinen Gesetzesentwurf nicht einfach den traurigen Gegebenheiten anpassen, ohne das
mit dem IWF geschnürte Vereinbarungspaket neu zu verhandeln. Auch die gerade erfochtene geschlossene Zustimmung der in Minderheit regierenden MSZP würde
bei weiteren sozialen Einschnitten gefährdet. Die Partei, der im Frühjahr ein Wahldesaster bevorsteht, wird ihren parteilosen "Experten" problemlos allein
lassen, um weitere Umfrageverluste zu vermeiden.
Der EU liegen zudem auch die Daten der anderen Länder vor, denen Ungarn in
exportierender Abhängigkeit verfallen ist. Außerdem hat das oppositionelle Fidesz bereits zumindest einige konkrete Maßnahmen angekündigt, die sie bei
Machtübernahme zu ergreifen gedenken und die zuerst einmal einen negativen Einfluss auf die Staatsfinanzen haben müssen. Gut möglich also, dass sichs Bajnai
Stein, in den er das Defizit meißeln wollte, früher als bröckelnder Putz erweist als bis dieser seinen Posten verlieren wird. Den Dreck wegräumen sollen ohnehin andere.
Hauptgrund für die schlechtere Einschätzung durch die EU sind aber die
gesunkenen Schätzungen hinsichtlich der Steuereunnahmen aus Unternehmensgewinnen sowie der Einfluss der durch das Steuerpaket sinkenden
Lohnsteuer bei gleichzeitiger Zunahme der Arbeitslosigkeit. Doch selbst die Zahlen jenseit der 4%-Marke könne Ungarn nur erreichen, wenn weitere
Umstrukturierungen stattfinden, vor allem im Gesundheits- und Rentenwesen. Die weitere Einfrierung der Real-Gehälter im öffentlichen Dienst ist dabei ohnehin
schon mit eingerechnet und überhaupt muss Ungarn noch lange Zeit kleine Brötchen backen. Höher angesetzt hat die EU-Kommission auch das zu
erwartende Defizit der Kommunen. Die Regierung sieht es bei 0,7% des BIP, die EU bei über 1%.
Die Gesamtschulden des Staates werden 2009 79,1 Prozent des
Bruttoinlandsproduktes erreichen, 2010 werden es schon 79,8% sein, auch hier liegt die Regierung mit ihren Schätzungen jeweils rund einen halben Prozentpunkt
optimistischer. Immerhin, für 2011 prognostiziert die EU den Ungarn ein BIP-Wachstum von 3,1%, stark unterstützt von "externen Faktoren", sprich einer
Erholung in Europa, das für Ungarn exporttechnisch hauptsächlich aus Deutschland, Österreich und Italien besteht. Die Ausfuhren sollen dann auch schon
2010 um 3,6%, 2011 sogar um über 6% steigen, ähnliches gilt für die Importe. Die Arbeitslosigkeit, derzeit bei 10,3% soll Ende 2010 bei 11,3% stehen und sich 2011 zumindest wieder auf 10,5% erholen.
Zum Thema:
Kaum Spielraum
Der Staatshaushalt 2010 gewährleistet Ungarn eine Art Notbetrieb
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