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(c) Pester Lloyd / 11 - 2011  KULTUR 14.03.2011

 

Verschlungene Pfade

Boris Kálnoky sucht in seinem Buch „Ahnenland“ die Seele seiner Familie

Rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse 2011 erscheint ein großes erzählerisches Epos über das ungarisch-österreichische-siebenbürger Adelsgeschlecht der Kálnokys. Dabei führt er den Leser durch eine 800jährige europäische Geschichte. Auf nahezu 500 Seiten ist er mit sagenhaften Erzählungen, romanhaften Bögen, romantischen Geschichten, informativen Briefen, Dokumente und Stammbäumen sowie einer exzellenten Recherche dieser acht Jahrhunderte umfassende europäische Geschichte seiner Familie auf die Spur gekommen.

In „Ahnenland“ hat der derzeit vorletzte Spross dieser weitverzweigten europäischen Dynastie, der Journalist Boris Kálnoky, den gelungenen Versuch unternommen, sich auf die „Suche nach der Seele seiner Familie“ zu begeben. Mit journalistischem Spürsinn, schriftstellerischer Eleganz und akribischem Forscherdrang gelingt es ihm, ein Werk vorzulegen, das sich jeder Katalogisierung entzieht.

In seiner wohltuenden literarischen eklektizistischen Art erinnert es an den Schreibstil eines Umberto Eco. Der Autor von „Ahnenland“ neigt ebenso zur Ausführlichkeit bei den Betrachtungen von Personen und Ereignissen wie jener, der auch mit zahlreichen Rückblenden arbeitet und den Leser auf verschlungene Pfade durch die Geschichte in die Gegenwart führt. Nicht alle ausführlich zitierten Briefstellen dürften jeden Leser gleichermaßen berühren. Ein Darüberhinweglesen birgt allerdings die Gefahr in sich, dass man wichtige Informationen, stilistische Besonderheiten des jeweiligen Schreibers oder amüsante Begebenheiten dann nicht erfährt.

Zunächst war es die Absicht von Boris Kálnoky, nur eine umfängliche und längst überfällige Biographie seines den Habsburger treuen, katholischen Großvaters Húgo Kálnoky zu schreiben. Jenes umtriebigen Journalisten, der auch einige Jahre für den Pester Lloyd Beiträge schrieb und ständig auf Heimatsuche war. Tätigkeiten und Eigenschaften, die seinem Enkel ebenfalls begleiten.

Die eigentliche Heimat der Familie befindet sich im kleinen Ort Köröspatak in Siebenbürgen. Jene Gegend, die im Laufe der Jahrhunderte immer mal wieder ihre Identität wechseln sollte, dabei aber um so identischer wurde. Wer also differenzierte Einblicke in die überaus bewegte Geschichte Siebenbürgens, und damit eines Teils Rumäniens, Ungarns und Österreich, kurz – in die Geschichte Ostmitteleuropas mit seinen Verflechtungen zur übrigen Welt erlangen möchte, für den ist „Ahnenland“ ein Erfahrungsgewinn und ein Lesevergnügen gleichermaßen.

 

Schließlich ist es dem Autor gelungen, aus der Geschichte seiner Familie Schlussfolgerungen für die Gegenwart zu ziehen und aus dem „Ahnenland“ sein Zukunftsland zu gestalten. Auch wer sich mit seiner etwas aufgesetzten Schlussfolgerung bezüglich einer Heimatfindung im Gottesglauben nicht identifizieren mag, findet dennoch ein sehr empfehlenswertes Werk eines Schriftstellers vor, dessen Name schon jetzt mit zu den wichtigen in der Zunft gezählt werden darf.

Gotthard B. Schicker

Boris Kálnoky: „Ahnenland – oder die Suche nach der Seele meiner Familie“,
Droemer Verlag 2011, 490 Seiten, ISBN: 978-3-426-27465-1

Über den Autor:
Boris Kánoky wurde 1961 in München geboren, er ist ungarischer und amerikanischer Staatsbürger, aufgewachsen in Deutschland, USA, Niederlande und Frankreich. Er studierte Politik und Geschichte in Hamburg. Arbeitete als Nachrichtenredakteur für DIE WELT. Von 1994 bis 2004 war er Südosteuropa-Korrespondent in Budapest. Seit 2004 berichtet er als Nahost-Korrespondent der WELT aus Istanbul. Er schrieb mehrere Beiträge für diese Zeitung.

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