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(c) Pester Lloyd / 21 - 2011  MONTENEGRO 23.05.2011

 

Vorbild oder Mafiastaat?

Montenegro feierte 5 Jahre Unabhängigkeit von Serbien

Am vergangenen Samstag, dem 21. Mai, konnte Montenegro den fünften Jahrestag seiner Unabhängigkeit von Serbien feiern. Die wahlberechtigten Bewohner des 625.000 Menschen-Gebietes hatten sich 2006 bei einem Referendum mit einer Mehrheit von 55,5 % zum Austritt aus dem Bund mit Serbien ausgesprochen. Die offizielle Version erzählt von einer Erfolgsgeschichte, doch hinter den Kulissen spricht man von einem Mafiastaat, der sich nur selbst erfunden hat, um besser kontrolliert werden zu können.

In einer Ansprache beschrieb Präsident Filip Vujanovic (Foto) die letzten Jahre als "sehr erfolgreich", das Land habe eine große internationale Reputation errungen, weil es sich als "ein Haus erwiesen hat, in dem jeder frei leben kann." Dennoch gibt es einiges zu tun, um die "politische Spaltung zu überwinden." Die größten Festivitäten fanden in der Hauptstadt Podgorica statt, auch in Cetinje, Budva, Bijelo Polje und anderen Orten wurden Konzerte und Volksfeste geboten.

Die zentrale Feier der Regierung wurde in dem kleinen Ort Cetinje abgehalten, wo sich Regierungsmitglieder, Richter, Medienvertreter, Angehörige von Bürgergruppen sowie ausländische Diplomaten versammelten. Von Oppositionsseite waren nur die Führer der "Bewegung für den Wechsel" vertreten, die anderen Oppositionsparteien blieben fern. Ministerpräsident Igor Luksic ist der Überzeugung, dass sein Land eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhatlung der regionalen Stabilität spielt und in gewisser Weise ein Beispiel gibt. Kandidat für die NATO und die EU zu sein, zeigt, wie schnell das Land internationale Reputation gewinnen konnte. Diese zeigte sich nicht zuletzt auch darin, dass sich Ex-US-Präsident am Sonntag in Montenegro aufhielt, immerhin Teil des Landes, das er noch 1999 bombardieren ließ.

 

Etwas anders sieht Nebojsa Medojevic die Sache. Er ist der Führer der Oppsositionsbewegung "Bewegung für den Wechsel", vor Journalisten widersprach er der positiven Bilanz der Regierung und sagte, dass "leider nur der erste Teil der Reise geschafft sei." Zwar habe Monenegro 2006 die "Unabhängigkeit von Serbien erreicht", nicht aber "die Unabhängigkeit von deren kriminellen Elite und Mafia". Auch andere Kommentare bemängeln, dass sich lokale Platzhirsche die Idee der Unabhängigkeit in ihrem Sinne zu Nutze gemacht hätten. Um diese Strukturen aufzubrechen, sei die EU-Perspektive so wichtig.

In wirtschaftlicher Hinsicht ist Montenegro noch in vielen Fällen von Serbien abhängig, vor allem was Energielieferungen betrifft, kürzlich bemängelte der Premier, dass sein Land "nicht einmal eigenes Mineralwasser" herstellen könne. Serbisch-montenegrinische "Familien" haben wenig Interesse an einer diversifizierten Entwicklung der Wirtschaft. (hier mehr dazu) Ansonsten hat das pittoreske "Schwarzenberg" vor allem eine Perspektive als Tourismusland, seine wunderschönen Steilküsten und vorgelagerten Inseln waren zunächst das Ziel an Diskretion interessierter reicher Russen sowie Geldanlage für reiche Serben und Kroaten mit traditionellen "familiären" Kontakten, mittlerweile interessieren sich aber auch westeuropäische Entwickler und Veranstalter für das Kleinod an der Adria.

Montenegro fährt im Hinblick auf ethnische Fragen einen klaren Kurs der Gleichberechtigung, ethnische Spannungen wie in anderen Regionen des Balkans sind hier kaum anzutreffen, obwohl die Mischung bunter kaum sein könnte. Eine Umfrage des Gallup Balkan Monitor von 2010 ergab: Montenegriner (auch Alt-Serben): 51,0 %, Serben: 21,7 %, Slawische Muslime: 10,1 %, Albaner: 6,0 % Bosniaken: 5,9 %, was vor allem bei den Montenegrinern und den slawischen Muslimen einen starken Anstieg gegenüber dem Bekenntnis bei der ersten Volkszählung zur Staatsgründung aufzeigt.

Politisch geht die Emanzipation von Serbien weiter, die "sozialistische" Regierungspartei DPS ließ über ihren aktuellen Präsidentschaftskandidaten, den früheren Premier Milo Djukanovic (Foto rechts) wissen, dass "Montenegro nicht länger das Ziel für das Projekt Großserbien" sein will, eine Äußerung, die in Belgrad ankam, der dortige Bürgermeister Dragan Djilas und der serbische Bildungsminister Zarko Obradovic sagten ihren Besuch in der ehemaligen Teilrepublik zu den Feierlichkeiten daraufhin ab.

 

Das sind nicht die erste Spannungen zwischen den ehemaligen Bundesgenossen. Im Oktober 2008 erkannte Montenegro - sehr zum Ärger Serbiens - das Kosovo als Staat an, danach versuchte sich die orthodoxe Kirche vom serbisch-orthodoxen Patriarchat abzuspalten und eine eigene "autonome Kirche" zu gründen. Sie sei bis heute Teil der serbisch orthodoxen Kirche, "was gegen die nationalen Interessen Montenegros ist". Interessanterweise kam diese Äußerung von einem "sozialistischen" Politiker, eben jenem starken Mann Montenegros, Milo Djukanovic. Doch die "Staatskirche" kommt bei den Montenegrinern - Unabhängigkeit hin und her - nicht besonders an und fristet ein milde belächeltes Dasein, noch dazu hat sie nun mit einer Klage der serbisch orthodoxen Administration vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu tun, weil sie "serbischen Kirchenbesitz okkupiert". Die regierenden Sozialisten wollen "den Fall" bei ihrem nächsten Parteitag "klären".

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