Hauptmenü

 

Möchten Sie den
PESTER LLOYD unterstützen?

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 31 - 2011  RUMÄNIEN 01.08.2011

 

A66 gegen Bärenland

Zerschneidet Rumänien das letzte große Waldgebiet Europas?

Wegen eines erschwindelten Gutachtens könnte womöglich eines der letzten unberührten Waldgebiete Europas nachhaltig beschädigt werden. Die Umweltbehörden in Rumänien gaben nach fünf Jahren Streit nun grünes Licht für eine Straße durch den Naturpark in den Retezat Bergen. Nicht nur die selten gewordene Landschaft ist erhaltenswert, auch die Bären brauchen den Lebensraum, sogar Wisente könnte bald wieder in die rumänischen Karpaten einziehen, die hier vor 200 Jahren ausgerottet wurden.

Die Naturschutzorganisation WWF hat große Sorgen in Rumänien. Die Genehmigung für den Bau der Straße 66A, die quer durch den Domogled Nationalpark in den Retezat Bergen (Foto) führt, wird eines der letzten geschlossenen Waldgebiete in Europa zerschneiden. Dass ausgerechnet die Nationale Umweltschutzagentur Rumäniens für das Projekt grünes Licht gegeben hat, stellt deren sonstige Verdienste in Frage, so der WWF. Der Genehmigung liege eine wertlose Studie zu Grunde, die u.a. die Auswirkungen der Baumaßnahmen auf das ökologische Gleichgewicht nicht berücksichtige. Bei dem Nationalpark handelt es sich um eine "unschätzbar wertvolles nationales Gut", um 100.000 Hektar Wald, die bisher nur wenig vom Menschen beeinflusst waren.

Der Bau der Straße wäre ein fatales Signal. Wie sich herausstellte, hat das Institut, das mit der Impact-Studie beauftragt wurde, die Behörden betrogen. Der Professor, dessen Unterschrift unter dem Werk zu finden ist, sagte, dass er diese niemals unter diese Studie geleistet habe, sondern nur für ein Vorprojekt. Auch sei es schlicht unseriös, ein Gebiet von solcher Größe und mit einer derartigen Artenvielfalt in gerade fünf Tagen zu bewerten. Seriöse Institutionen geben die benötigte Zeitdauer dafür mit zumindest drei Jahren an. Zudem liege mittlerweile eine Gegenstudie von der Babes Bolyai Universität in Cluj-Napoca vor, die weitere Fehlleitungen in der beauftragten Studie offenlegte, so wurde z.b. die Artenvielfalt falsch beschrieben und auch der Umstand unterschlagen, dass rund 2.550 Hektar des geschützten Gebietes durch die Straße dauerhaft verloren gingen.

 

Der Streit um das Straßenprojekt im Retezat National Park im Südwesten des Landes geht in sein sechstes Jahr, zwei Abschnitte der Straße 66A wurden illegal errichtet, d.h. noch bevor die nationale Umweltbehörde ihr O.K. gegeben hatte. Daraufhin gelang es Umweltgruppen den Bau des dritten Teils der Schnellstraße zunächst zu verhindern, die genau durch das Herzstück des Schutzwaldes geht. Nun wollen WWF und andere NGO´s die rumänische Regierung vor die Europäische Kommission und vor internationale Gerichte bringen, um der Natur zu ihrem Recht zu verhelfen. Rumänien hat bereits einige unrühmliche Erfahrungen mit Abmahnungen der Kommission gemacht, die auch finanzielle Strafen nach sich zogen. Es läge in ihrer Hand eine weitere Blamage zu vehrindern und das Projekt zu stoppen.

Eine der stark gefährdeten Tierarten, die große, vom Menschen unbesiedelte Gebiete für ihr Überleben braucht, ist der Bär. In Rumänien gibt es nach aktuellen Schätzungen noch rund 4000 Braunbären, relativ viele, könnte man meinen, doch sank ihr Bestand - so die aktuellen Zahlen stimmen - seit der letzten Zählung damit um fast ein Viertel. Im siebenbürgischen Landkreis Harghita versucht eine Pflegestation Braunbärenweisen zu retten, jährlich werden ein gutes Dutzend Jungtiere aufgenommen, bis zu fünfzig Bären leben in dem gut gesicherten, riesigen Gelände. Für Touristen und Besucher ist die Anlage gesperrt, sollen die Bären doch mit spätestens zwei Jahren wieder ausgewildert werden und sich gar nicht erst an Menschen gewöhnen und ihre Nähe von Anfang an meiden lernen, was auch für den Menschen und dessen Hasutiere besser ist. Dies funktioniert aber nur, wenn es eben diese großen geschlossenen Gebiete noch gibt.

In den rumänischen Karpaten könnten sogar bald wieder wildlebende Wisente beheimatet sein. In einigen Monaten soll im nordostrumänischen Nationalpark Vanatori-Neamt eine erste Herde von zwanzig Tieren ausgewildert werden. Der Wisent war in der Gegend bereits vor 200 Jahren ausgerottet worden, vor allem durch die Abholzung der Wälder zur Gewinnung von mehr landwirtschaftlicher Anbaufläche wurde sein Lebensraum immer mehr getilgt. Die letzten frei lebenden Exemplare wurden in den Bargau Bergen, den östlichen Maramuren und den Calimani Bergen gesichtet. Auch in Polen starben Wisente 1919 aus, im Kaukasus 1927, Polen hat jedoch schon seit den 1960er Jahren ein Wiederbelbungsprogramm gestartet, ebenso die UdSSR, so leben rund 100 Exemplare in der nördlichen Bukowina in der heutigen Ukraine, in Polen sind es rund 300, europaweit werden 1600 wildlebende Exemplare geschätzt, weitere 2.000 sind in Wildparks und Zoos heimisch, die auch einen wichtigen Beitrag zum Erhalt dieser ureuropäischen Art leisteten.

WWF / red.

 

Sie möchten den PESTER LLOYD unterstützen?

LESERPOST & GÄSTEBUCH

 


 

 

 

IMPRESSUM