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(c) Pester Lloyd / 11 - 2012     POLITIK   12.03.2012

 

Linientreu

Neues vom Trio infernale Ungarn - EU - IWF

Mitten hinein ins Vertragsverletzungsverfahren schafft die ungarische Regierung Fakten und lässt über hundert Richter austauschen. Die Zugeständnisse beim Datenschutz sind kaum als solche zu erkennen und auch beim Defizitverfahren ist die Lage festgefahren. Die EU beharrt - natürlich auch aus demokratiepolitischen Erwägungen - nun besonders penibel auf der Einhaltung der Regeln und muss sich dafür weiter maß- und ziellos beschimpfen lassen.

Am 16. März möchte Tamás Fellegi, der ungarische IWF-Chefunterhändler im Ministerrang, ein weiteres informelles Treffen mit dem IWF. Viel mehr als eine Tasse Kaffee sollte er jedoch nicht erwarten, denn die IWF-Gesandte für Ungarn, Ivaschenko, stellte klar: „Keine Verhandlungen zu einem neuem Arrangement mit Ungarn werden derzeit geführt und Treffen sind auch nicht geplant“. Der IWF koppelt seine Zusage dafür weiter an ein eindeutig positives Signale seitens der EU. Die dürften noch lange ausbleiben und so auch die dringend als "Sicherheitsnetz" benötigten Milliarden.

“Der kommt wieder...” Orbán in Brüssel, daneben, frostigen Blickes EU-Kommissionspräsident und “Ex-Freund” Barroso

Wie berichtet, war die EU mit den Antworten Ungarns zu den laufenden Verfahren alles andere als zufrieden. Die Regierung in Budapest hingegen sah "90% der Probleme" gelöst. Das vorgetäuschte Missverständnis zieht eine wirkliche Lösung jedoch weiter in die Länge.

Interessenskonflikt als Kündigungsgrund?

Auf Druck der EU hat die ungarische Regierung Ende letzter Woche einige Anpassungen am Datenschutzgesetz vorgenommen, die ihrer Meinung nach ausreichend sein sollten, um die EU zu befriedigen. So ist geplant, aus dem Gesetz die Klausel herauszunehmen, nach der der Präsident - auf Vorschlag des Premierministers - den Chef der Datenschutzbehörde entlassen kann. Laut der Änderung kann der Premierminister den Chef der Behörde "nur noch" im Falle eines "Interessenenkonflikts" entlassen oder dann, wenn er sein Einkommen nicht oder falsch offenlegt.

Wieder so eine typische Fidesz-Vagheit: denn ein Interessenskonflikt zwischen Machthaber und Machtkontrolleur ist eigentlich Teil der Jobbeschreibung eines obersten Datenschützers. Außerdem würde die Entscheidung des Premierministers juristisch nachprüfbar gemacht werden, auch so eine irritierende Anmerkung, denn diese Möglichkeit gibt es schließlich in jedem Rechtsstaat, der ohne sie ja keiner wäre. Fraglich, ob sich die EU damit abspeisen lässt, dass ein Premier die fachliche Qualifikation seines obersten Datenschützers vor Gericht klären lassen kann.

Fakten schaffen mit linientreuen Jungrichtern

Bei der Frage des Rentenalters und des Austauschs hunderter Richter, gießt Ungarn jedoch weiter direkt Öl ins Feuer. So wurden die ersten 129 Richter, die ihre pensionierten Kollegen ersetzen werden, handverlesen ausgesucht. Die für die Auswahl der Kandidaten zuständige Chefin der Richterkammer ist fidesz-nah, der für die Ernennung zuständige Staatspräsident ein treuer Orbán-Diener, wie "unabhängig" die Richter sein werden, kann man sich denken. Der Gang vor EU-Gerichte scheint damit unvermeidlich. Am 1. April sollen die neuen Richter ihren Dienst aufnehmen, d.h., selbst bei einem Urteil von EU-Gerichten gegen das ungarische Pensionierungsgesetz, wären es vereidigte Richter, die aufgrund ihrer Stellung im System nicht einfach abberufen werden können.

Kövér: EU-Parlament wie ein Bandenkrieg...

Auch beim Defizitverfahren steigt der Erklärungsbedarf der ungarischen Seite erneut. Laut einer modifizierten Prognose der Europäischen Kommission, steigt das zu erwartende Haushaltsdefizit Ungarns 2013 auf 3,6 %, statt der bisher angenommenen 3 %. Die ungarische Regierung geht dagegen weiterhin von von 2,2 aus. Trotz der wachsenden Spannungen, die vor allem auch durch die ständigen Angriffe auf die EU von Premier Orbán gesteigert werden, sagte Haushaltskommissar Olli Rehn dazu „Wir sind in regelmäßigem konstruktiven Dialog mit Ungarn um herauszufinden wie die Sparziele erreicht werden können.“ Es ist eher ein Aneinandervorbeireden.

Eine neue Spitze der "Kommunikationskultur" der ungarischen Regierung hat dabei Parlamentspräsident László Kövér, bekanntermaßen von eher gröberem Intellekt, erklommen. Er äußerte sich in einem Radiointerview dahingehend, dass ihm "die Debatten im Europäischen Parlament wie Bandenkriege vorkommen". Es wäre interessant zu wissen, wann der ungarische Parlamentspräsident das letzte Mal eine Sitzung seines Hohen Hauses - wachen Auges - verfolgt hat und was ihm dazu einfällt.

Selbst EP-Präsident Martin Schulz, selbst kein Kind rhethorischer Traurigkeit, nannte den drohenden Mittelentzug über das Defizitverfahren gegen Ungarn "kontraproduktiv." Er sieht auch keine "linke Verschwörung" am Werk, wie sie von ungarischen Offiziellen behauptet wird, sondern erinnert schlicht an die Erfüllung der seit 2004 eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen. Natürlich will die EU Orbán auch demokratiepolitisch disziplinieren, wozu sie schließlich keine anderen effektiven Instrumente als die derzeit daher besonders konsequent angewendeten hat. Es steht aber nicht Orbán an, eine möglicherweise "unorthodoxe" Praxis der EU zu kritisieren, denn er war es, der die Steine durch seinen maßlosen Machtrausch ins Rollen brachte.

Die kakophonische Anhäufung von gegenseitigen und gegenteiligen Statments, Initiativen, Anmerkungen, Attacken und Gesetzesanpassungen und Verfahrensfortgängen, kennzeichnet den Konflikt zwischen den "Kleinkriegsparteien" EU/IWF und Ungarn. Bei letzterem ist das Bewußtsein, dass es die EU tatsächlich ernst meint, noch immer nicht gereift. Die Regierung versucht die Gemeinschaft mit ein paar Pseudo-Zugeständnissen zu befrieden, bleibt ihrer provokant-konfrontativen Linie jedoch treu, ohne darzustellen, wohin diese führen soll als in die totale Isolation und den ökonomischen Ruin. Für die EU Grund genug, hart zu bleiben. Am Dienstag, 13. März, wird man sehen, ob die Front hält, wenn im Rat auch die nationalen Regierungen mitmischen.

Mehr zur Thematik in diesem aktuellen Beitrag:

Mutter aller Probleme
Orbáns Ungarn verweigert die Realität und eine Lösung mit der EU

red. / pk.

 

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