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(c) Pester Lloyd / 42 - 2012   WIRTSCHAFT 18.10.2012

 

Außer Rand und Band

Panische Steuererhöhungen und Budgetkorrekturen in Ungarn

Seit Amtsantritt der Orbán-Regierung gibt es praktisch jede Woche eine neue Steuer oder eine Modifikation: das letzte außerplanmäßige 497-Milliardenpaket zur Rettung der Haushalte 2012 und 2013 ist noch keine zwei Wochen alt, da folgt schon die nächste Steuerrunde. Diesmal sollen weitere 397 Milliarden Forint aus Bürgern, Banken und Unternehmen gepresst werden, dabei werden auch viele strategische Ziele über den Haufen geworden und die Wirtschaft weiter abgewürgt. Schuld an der panischen Politik sind - natürlich - wieder nur der IWF und die EU mit ihrem lästigen Defizitverfahren.

Bewährte Hilfsmittel der Rechenkünste...

Diesmal wird es wirklich, wirklich reichen, um das Haushaltsdefizit 2013 "deutlich unter 3%" zu halten, versprach zum x-ten Male Nationalwirtschaftsminister Matolcsy auf seiner jüngsten Präsentation am heutigen Mittwoch. Erst am 5. Oktober hatte er eine Anpassung des Budgets, dieses Etat fatal, eigentlich eine wilde Verschlimmbesserung im Gegenwert von fast 2,5% des BIP vornehmen müssen, nur zwei Wochen später stellt sich heraus, dass diese Modifikationen immer noch nicht genügen, um das Minimalziel beim Defizit zu erreichen.

Weitere 367 Milliarden Forint, also nochmal ca. 1,3 Mrd. EUR müssen her, um die Lücken, die Flat tax, fehlende Wirtschaftsimpulse, Investitionsscheu und Konsumangst (siehe zur Gesamtwirtschaft den Beitrag "Gulaschwirtschaft") reißen, irgendwie zu stopfen. Dabei lösen sich - so ganz nebenbei - auch viele Versprechen in Luft auf, die die Regierung Banken, Investoren und erst Recht den Bürgern (keine weiteren Steuererhöhungen bis zur nächsten Wahl) gegeben hatte.

Der Schuldige ist schnell gefunden, der IWF sowieso, aber beharrt doch auch die EU partou und unter Androhung von empfindlicher Strafe, auf die Einhaltung der Maastrichter Haushaltskriterien. Sowas aber auch! Die Europäische Kommission glaubte auch dem Matolcsyschen Voodoo-Budget 2013 inkl. den darin behaupteten 2,7% Defizit zum BIP nicht und stellte eigene Berechnungen an, die bei fast 4% landeten.

Damit sei "die Regierung nicht einverstanden", werde aber dennoch "zusätzliche Maßnahmen" setzen, heißt es - ungewohnt kleinlaut - aus Budapest, um dann gleich wieder loszutönen: mit Sparpaketen wie in Südeuropa habe das alles nichts zu tun, Ungarn ist in einer völlig anderen Lage, wir hoffen, dass man das in Brüssel bald einsieht und seine Position ändert. Die ungarische Regierung ist etwas irritiert, denn eigentlich dachte man doch, dass man das Thema EU-Mittelkürzung Dank der dominierenden Schwesterparteien längst durch die politische Hintertür entsorgt hätte...

...doch unser Minister für Finanzen und Wirtschaft bevorzugt das Kopfrechnen.
Multiplikation mit einer Null...

 

Die neuesten Maßnahmen im einzelnen:

- die Sondersteuer für Banken und andere Betriebe der Finanzwirtschaft wird nicht, wie eigentlich angekündigt 2013 halbiert (eigentlich sollte sie da längst abgeschafft sein), sondern beibehalten. Das bringt laut Minister 72 Milliarden Forint (260 Mio. EUR) zusätzlich ein, aber ein neues Problem: mit den Banken hat man einen Deal geschlossen, deren zurückhaltender Protest bei Forex-Umtausch und Finanztransaktionssteuer hatte u.a. auch mit dem Auslaufen der Sondersteuer zu tun. Die Folge wird sein, dass die Banken die Kreditklemme weiter verschärfen, die vor allem die KMU-Szene hart trifft, was wiederum Wachstum und Arbeitsmarkt behindert. Hier beißen sich mehrere Katzen in viele Schwänze.

- Damit aber nicht genug: die Finanztransaktionssteuer für Banken wird von 0,1% pro Transaktion, wie sie für alle gilt, auf 0,2% gesetzt. Gleiches gilt für alle Zahlungen von und an den Fiskus, also einschließlich Finanzamt und staatliche Förderungen etc. Ersteres soll weitere 90, letzteres 40 Milliarden Forint zusätzlich einbringen. Auf wen die Banken diese Mehrkosten letztlich abwälzen werden, dürfte indes klar sein. Man hätte also die Transaktionssteuer auch gleich für alle auf 0,15% anheben können, tat dies nur nicht, um dem Volk nicht direkt ins Gesicht zu schlagen. Unsere Prognose des Missbrauchs der Idee einer Antispekulationssteuer als frei verfügbare Stellschraube für das Stopfen von Budgetlöchern tritt also schon ein, bevor die Steuer erstmals richtig in Kraft tritt. Die Deckelung der Steuer bei 6000 HUF pro Transaktion wurde übrigens nicht gekippt, die Berufszocker wirds freuen...

- "Die Regeln für kommunal erhobene Steuern werden geändert." heißt es wörtlich. Ohne dafür Details zu nennen, werden 35 Milliarden Forint hier als Zusatzeinnahmen für 2013 veranschlagt.

- "Die Regierung wird eine Steuer auf Nebenkosten (sprich Wasser, Abwasser, Energie) einführen, die 30 Milliarden mehr Umsatz für den Staatshaushalt bringen wird." So viel zum Thema: die Enerigeversorgung in ein "Non-Profit"-System überführen, wird für die Bürger billiger...

 

- die Steuervorteile für Sachleistungen, sprich die Gutscheinsysteme für Nahrungsmittel und Restaurantbesuche sowie Urlaubsvoucher (Cafeteria-Bons), die in vielen Unternehmen als wichtige Ergänzung zum Lohn galten, werden gekippt. Dieser Mehrwert wird steuerlich von 10% auf den allgemeinen Mehrwertsteuersatz von 27% angehoben. Die Folge: die Unternehmen werden sich die Wohltaten sparen, da sie nichts mehr davon haben, damit sinkt das reale Einkommen ausgerechnet der Beschäftigten im Niedriglohnsegment weiter, wo diese Gutscheine einen wichtigen Teil der tagtäglichen Versorgung darstellten. Mehreinnahmen für den Haushalt: 40 Mrd. HUF

- diverse Abänderungen in der Rechnungslegung und der Audit-Pflicht von Rechnungen soll ein Plus von 60 Milliarden einbringen

Fortsetzung folgt - mit Sicherheit.

cssz. / red.

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