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(c) Pester Lloyd / 03 - 2013   WIRTSCHAFT 18.01.2013

 

Ende der Amnestie

Ungarn will Steuerabkommen mit Schweiz - auch Zypern, Österreich und Deutschland auf dem Schirm - UPDATE

Auch Ungarn versucht sich nun mit der Schweiz über eine pauschale Abgeltungssteuer für von Ungarn in der Eidgenossenschaft geparktes Geldvermögen zu einigen. Dabei kamen die von der Regierung als eine der Hauptvolksfeinde deklarierten Off-Shore-Ritter bisher erstaunlich milde davon. Das soll sich jetzt ändern und Milliarden ins Land bringen.

Bis 1. Januar 2013 galt eine Amnestie für sämtliches im Ausland veranlagtes Vermögen, das, bei Rückkehr auf in Ungarn registrierte Banken mit lediglich 10% nachversteuert wurde, bei Beibehaltung der Anonymität des Delinquenten. Das von Deutschland mit der Schweiz angestrebte, jedoch gescheiterte Abkommen sah einen Satz von 37% vor.

Die Milde hat nun ein Ende, die Steuereinholung im Ausland ist in Ungarn jetzt zur Chefsache erklärt worden, zuständig ist nicht mehr das Finanzstaatssekretariat, sondern durch den Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten, quasi Kanzleramtsminister János Lázár (Foto). Der referierte am Mittwoch bei einem Pressemeeting, dass über die Amnestie bisher rund 2.000 Milliarden Forint, also rund 6,7 Mrd. EUR, ins Land zurückgeflossen seien, was Mehreinnahmen für den Staatshaushalt von ca. 670 Mio. EUR bedeuteten. Diese Zahlen sind nicht verifizierbar.

 

Nun wolle man mit der Schweiz eine Arbeitsgruppe einsetzen, um auch von Seite der Geldveranlager die Rückbringung oder steuerliche Abgeltung von ungarischem Vermögen in der Schweiz anzuschieben. Zielgröße seien rund 1.000 Milliarden Forint bzw. 3,4 Mrd. EUR, die nachzuversteuern wären, "aber auch das Doppelte ist möglich". Man orientiert sich dabei an der von Österreich ausgegebenen Zielgröße von bis zu 15 Mrd. EUR, die das Nachbarland in der Schweiz vermutet. Dabei will man aber auch "alle Informationen, um diejenigen zu identifizieren, die in der Schweiz Guthaben halten." so Lázár. Eine Forderung, die Experten sogleich als naiv abstempelten, denn es sei vermessen zu glauben, die Schweiz wird gerade für Ungarn sein Bankgeheimnis hergeben. Auch soll der Steuersatz mit 35% um mehr als das Dreifache höher liegen als bei der Amnestie-Regelung und noch mehr als doppelt so hoch wie der allgmeine Einkommenssteuersatz (Flat tax) von 16% in Ungarn.

Nach Lázárs Worten wolle man nach der Schweiz ähnliches auch mit Österreich und Zypern besprechen, auch Guthaben in Deutschland und Großbritannien sind im Visier. In erster Linie gehe es aber um die Schweiz und Zypern, die als "traditionelle off-shore-Ziele" in der EU bekannt seien, hinsichtlich Zypern sollen auch die bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen "durchgesehen" und notfalls "geändert" werden.

András Giro-Szász betonte, dass die bereits einmal verlängerte Steueramnestie nicht noch einmal prolongiert werde und die Steuersünder nun mit der vollen Härte des Gesetzes zu rechnen hätten. Analysten schätzen den Großteil der jetzigen Initiative als politische Ablenkungskampagne von der wirtschaftlich verfahrenen Situation im Lande ein. Die Regierung bringe nämlich einiges durcheinander: grundsätzlich hat jeder ungarische Bürger das Recht Konten in einem Land seiner Wahl zu führen. Dass er den Steuergesetzen nachzukommen hat, ist klar, doch die Regierung stellt nun sämtliche Auslandsvermögen unter Generalverdacht.

Was die Regierungsvertreter nämlich nicht erwähnten, ist, dass die Kapitalflucht längst nicht nur ein Phänomen der den "Sozialisten" zugeschobenen Seilschaften der grauen Privatisierung ist, sondern auch von Maßnahmen dieser Regierung enorm befeuert wurde. So hatte man gehofft, durch die Flat tax Besserverdiener zu motivieren, ihre Steuergeschenke für Konsum, vor allem aber für Investitionen einzusetzen, was sich aber als Trugschluss herausstellte.

Viele verbrachten ihre Forintmillionen flugs ins Ausland, auch solche Gruppen, die nicht zu den traditionellen Steuerflüchtlingen gehörten, standen an Banken in Wien und im Burgenland Schlange. Viele hatten Angst, dass die fiskalischen Nöte und die Sprunghaftigkeit der Regierungspolitik zu überraschenden "unorthodoxen" Maßnahmen der Regierung und zu einem Zugriff auf die Konten führen könnten. Auch die vergleichsweise hohe Inflation vertrieb viele Vermögen aus Ungarn. Der Schlüssel zu einer Kapitalrückkehr liegt also, folgt man den einschlägigen Wirtschafskommentatoren, im Lande selbst und nicht außerhalb.

red.

 

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