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(c) Pester Lloyd / 07 - 2013   NACHRICHTEN 14.02.2013

 

Im Tal der Rezession

Starker BIP-Rückgang in Ungarn lässt Hoffnung auf baldige Gesundung schwinden

Um 2,7% ging das BIP in Q4 2012 gegenüber Q4 2011 zurück, meldete heute das Statistische Zentralamt in Budapest, KSH, was ein Minus von 1,7% für das Gesamtjahr 2012 ergibt. Am meisten schwächelte die Industrieproduktion, gefolgt von den dürrebedingten Ausfällen in der Landwirtschaft. Das Nationalwirtschaftsministerium setzt nun ganz auf gutes Wetter und die deutsche Autoindustrie. Aber der Forint könnte wieder einmal einen Strich durch die Rechnung machen.

BIP Entwicklung der letzten zehn Jahre bis Mitte 2012. Zum Jahresende schrumpfte das Wachstum
dann noch auf -1,7%. Daten: KSH, Grafik: MTI

Längste Rezession seit der Wende

Damit hat sich die "Orbán-Ära" 2011/2012 nach der Wachstumsperformance mittlerweile in die vier größten Rezessionszyklen der Nachwendezeit auf Platz 3 - nach absoluten, kaufkraftbereinigten Werten - eingereiht: nach dem Crash der Lehman-Krise 2008/2009, den Bokros-Reformen in den 90er Jahren, aber noch vor die Gyurcsány-Pakete um 2007. Relativ gesehen führt die Fidesz-Regierung den Reigen des Niederganges sogar an, denn die prozentualen Rückgänge der anderen Krisen beruhten auf viel stärkeren Wachstumszahlen zuvor, während das Minus 2012 noch auf den bescheidenen Daten der Nachkrisenzeit fußt. Bemerkenswert ist auch, dass Ungarn, neben Slowenien und Tschechien (eine rote Null) das einzige EU-Land in Osteuropa ist, das 2012 eine rezessive Wirtschaftsleistung aufweist. Mit zwei Minimal-Zuwächsen von 0,1 bzw. 0,3% vor eineinhalb Jahren, ist das Land seit sieben Quartalen in Folge in der Stagnation bzw. Rezession, die längste Periode seit der Wende.

Die BIP-Entwicklung im EU-Vergleich, außer Holland, das jedoch von einem hohen Wert zurückfiel, liegen hinter Ungarn nur noch tief gebeutelte Krisenstaaten, während die ersten sieben Plätze von Ländern in Osteuropa belegt werden. Es gibt also einen anderen Weg... Daten: Eurostat, Grafik: MTI

Das Wetter und die Deutschen sollen´s richten

Dass Ungarn 2013 den "Umschwung" schafft, wie es Nationalwirtschaftsminister Matolcsy ankündigte, wird immer wahrscheinlicher. Denn durch die noch schlechter ausgefallenen BIP-Daten des 4. Quartals 2012 liegen die Basiswerte mittlerweile so niedrig, dass man allein aus diesem technischen Grund die Prognosen für 2013 anheben muss. Dennoch gehen die meisten externen Prognosen von Werten rund um eine rote oder schwarze Null aus. Das ungarische Wirtschaftsministerium, das sich immer noch in einem deutlichen Plus 2013 sehen will, hofft dabei im wesentlichen auf die Konjunktur der deutschen Autowirtschaft mit ihren Werkbänken in Kecskemét, Györ und Szentgotthárd und vertraut ansonsten vor allem auf besseres Wetter.

Kaum eigenständige Impulse

Eigene Impulse in den Bereichen Investition, Wirtschaftsförderung oder gar privater Konsum und Lösung der Kreditklemme sind, zumindest in entscheidenen Größenordnungen, nicht zu erwarten, zu massiv ist der Kapitalentzug durch ausländische Banken wegen des verlorengegangenen Vertrauens in die Steuerpolitik, zu groß sind die Reallohnverluste der Bevölkerung wegen Flat tax sowie gestiegener Verbrauchssteuern und sonstiger Abgaben, zu volatil bleibt der Forint, der die schwer verschuldeten Haushalte weiter belastet. Die Invesitionen im Inland werden kaum durch Aufräge der öffentlichen Hand und eine konsistente Mittelstandsförderung beflügelt, viel wichtiger ist dieser Regierung der teure Einstieg in fragwürdige Rückverstaatlichungen “strategischer Wirtschaftszweige”. Auch bei der Industrieproduktion wird der diesjährige Anstieg nur wegen der niedrigen Basiswerte (zuletzt -7%) bemerkbar sein.

Die Ankündigung der Regierung, durch eine neue "Wirtschaftsförderungsquote" die EU-Milliarden anders vergeben zu wollen, wirkt sich, wenn überhaupt, erst langfristiger aus. Allerdings zweifeln viele, dass die neuen Vergabemodi für die EU-Milliarden tatsächlich der allgemeinen Wirtschaftsförderung dienen. Dabei hatte Ungarn noch großes Glück, die Einbußen im neuen EU-Budget lagen glücklicherweise am unteren Ende des Erwartbaren.

BIP-Performance im regionalen Vergleich. Daten: Eurostat, Grafik: www.portfolio.hu

Volatiler Forint als Damoklesschwert für Exporte, Zahlungsbilanz und Konsum

 

Die weniger in der Durchführung, aber im Ergebnis positiv bewerteten Aspekte der Schuldenveringerung haben die Märkte bereits in den Forint eingepreist, so dass nun wieder die "Bedenken" über die künftige "kreative" Zentralbankpolitik und die unstete Wirtschafts- und Steuerpolitik in den Vordergrund rücken. Mit den heutigen Zahlen wurde auch der Bonus für die relativ erfolgreiche (weil mit rund 4,5% kostengünstige) Begebung von USD-Staatsanleihen beim Forintkurs bereits aufgebraucht. Einschlägige Handelshäuser sehen den Kurs des Forint zum Euro für 2013 auf rund 300, die Regierung rechnet mit 283 und hat dabei schon ohne diese Malaise reichlichen Korrekturbedarf am Budget.

Massiver Kapitalabfluss durch verunsicherte Banken

Deutlich verlangsamt hat sich immerhin die Inflation, von 5,3% auf 3,7% im letzten Monat und auch der Leitzins wurde nochmals gesenkt, Kredite würden sich damit verbilligen, zumindest, wenn sich noch Geschäftsbanken finden, die Geld an kleine oder mittelständische Betriebe in Ungarn ausreichen wollen, anstatt sie an die Mutterhäuser zurückzuschicken. Beim Konsum ist jedoch kaum ein Impuls zu erwarten und die meisten Experten sprechen von einem "sehr, sehr langen Weg", den Ungarn aus der wirtschaftlichen Misere zu gehen hat, wenn man überhaupt erstmal den richtigen Pfad findet...

cs.sz.

 

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