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(c) Pester Lloyd / 08 - 2013   WIRTSCHAFT 22.02.2013

 

Schlachtverluste

Milliardenverlust und Zweckentfremdung bei privaten Rentenbeiträgen in Ungarn

Die aktuellen Daten des staatlichen Rentenfonds machen Haushaltsexperten stutzig. Sie vermissen rund 280 Mrd. Forint, also knapp 1 Mrd. EUR und kommen zu dem Schluss, dass die Regierung bei ihrer Hau-Ruck-Aktion der "Übertragung" privater Rentenversicherungsbeiträge massive Verluste wegen hektischer Aktien- und Fondsverkäufe eingefahren hat. Doch auch die Verwendung der Hauptsumme wirft Fragen auf, die nicht befriedigend beantwortet werden.

Spontane Ausbrüche von Volksliebe. Mal sehen wie lange die Begeisterung noch anhält...

Ursprünglich wurden per gesetzlicher Anweisung 2010/11 2.954 Milliarden Forint von privaten Rentenversicherungsträgern zum staatlichen Rentenfonds übertragen, das sind heute rund 10,1 Mrd. EUR und entsprach damals etwa 10,5% der Jahrewirtschaftsleistung des Landes. Gleichzeitig mit der Übernahme der Guthaben der Versicherten (es handelte sich dabei um eine obligate, private Rentenversicherung) wurde die Auflösung der damit verbundenen Anlagen, z.B. in Fonds und Aktien, betrieben, zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, der Verluste von insgesamt 280 Milliarden Forint einbrachte, die unwiederbringlich verloren sind.

Doch es geht noch weiter. "Die Rettung der Renten", wie die Regierung ihre Verstaatlichung nannte, rettete zuerst einmal das Land aus der Schuldenfalle, denn fast die Hälfte der Beträge wurde benutzt, also ausgegeben, um Verbindlichkeiten loszuwerden. Das Wirtschaftsmagazin Portfolio rechnet vor: zunächst wurden 1.354 Milliarden Forint (4,6 Mrd. EUR) für die Schuldenreduktion eingesetzt, in weiteren fünf Raten zwischen 11 und 53 Milliarden Forint wurden die Gelder 2011 angezapft, um fällige Anleihen zu bedienen, zuletzt bezahlte man daraus 243 Milliarden Forint, also rund 830 Mio. EUR an den IWF zurück, den Rest legte man im zentralen Sozialfonds an, in dem neuerdings sämtliche öffentliche Pflichtversicherungen, also Rente-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung zusammengeworfen werden.

So schmolz die stolze Summe von 2.945 Milliarden auf mittlerweile noch rund 500 Milliarden Forint zusammen, während sich der Nationalwirtschaftsminister und sein Chef in der "Erfolgsstory Ungarn" sonnen, - trotz anhaltender Rezession (Eurokrise!) Schulden abgebaut und den Haushalt saniert zu haben. Für 2011 posaunte Minister Matolcsy sogar einen Budgetüberschuss nach Brüssel, bis Kommissar Rehn ihn auf diesen "Rechentrick" aufmerksam machte.

Ob die zentrale Bündelung der Rentenansprüche in Staatshand nun der bessere oder schlechtere Weg als ein Splitting zwischen staatlicher und privater Säule ist, bleibt eine Glaubensfrage. Auch der Umstand, dass die Reduzierung von Schulden den Haushalt insgesamt entlastet hat, mag vertretbar klingen, weniger vertretbar ist jedoch, dass Gelder, die zur Erfüllung von Versicherungsleistungen gebunden sind, dafür verwendet wurden.

 

Denn die Regierung hat bei den Versicherten damit sozusagen indirekt einen Kredit aufgenommen, nur eine gute Wirtschaftsperformance und strenge Haushaltsdiziplin versetzen sie später in die Lage, diesen in Form von entsprechenden Rentenleistungen auch zurückzuzahlen. Doch hier sollte man sich keinerlei Illusionen hingeben, sowohl die Steuer- wie die Rentenpolitik weisen schon heute daraufhin, dass die Gelder ein für alle mal vom Haushalt verschlungen wurden.

Bleibt noch die Frage nach der Differenz von 283 Milliarden, die sich aus Einnahmen und Verwendungen der eingezogenen Rentenbeiträge ergibt. Diese, so sind sich Experten einig, können nur das Ergebnis von "Investitionsverlusten" sein. Man hat sich schlicht verzockt und die Verluste durch die kurze Übertragungszeit der Fonds von privat auf staatlich fahrlässig in Kauf genommen. Irgendwann wird die Regierung den Beitragszahlern dafür eine schlüssige Erklärung liefern müssen, wieso beim SDchlachten des Sparschweins so viel "unter den Tisch" gefallen ist. Fast 1% des BIP, sind so einfach verloren.

red.

 

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