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(c) Pester Lloyd / 13 - 2013   OSTEUROPA 27.03.2013

 

Die dunkle Seite der Macht

Wiederholt sich Ungarn in Rumänien?

Er verbiegt das Verfassungsericht, unterbindet Korruptionsbekämpfung, versuchte den Präsidenten zu beseitigen, besetzt wichtige Posten mit Parteikadern, holt einen Straftäter in die Politik zurück und für die Roma des Landes hat er nur Verachtung übrig. Der "rote" Victor beweist in Rumänien, dass antidemokratisches Handeln nicht abhängig von der politischen Etikettierung der sie tragenden Parteien und Ungarn kein Unicum ist. Dort ist das Kind schon in den Brunnen gefallen, in Rumänien tollt es gefährlich nah am Rand...

Viktor und Victor, der Meister und sein Schüler?

Einen verurteilten Verbrecher wieder in die Politik eingeladen

Rumäniens ehemaliger Premierminister, Adrian Nastase, ist wieder auf freiem Fuß. Nastase, der wegen Veruntreuung im Juni 2012 rechtskräftig zu zwei Jahren Haft verurteilt wurde, musste nur neun Monate im Gefängnis absitzen. Einen Einspruch der Antikorruptionsbehörde DNA lehnte das Oberste Gericht ab, die Freilassung nach nur einem Drittel der Haftzeit ist nach rumänischem Recht möglich.

Als der Oberste Gerichtshof in Bukarest am 20. Juni 2012 Nastase rechtskräftig hinter Schwedische Gardinen schickte, war die Aufregung groß. Zum ersten Mal seit der Wende wurde ein hochrangiger Politiker derart für seine Taten zu Rechenschaft gezogen. Nastase hatte im Vorfeld der Präsidentschaftswahl 2004 durch eine Teilnahmegebühr an einer Scheinkonferenz illegal 1,6 Mio. Euro zur Finanzierung seiner eigenen Kampagne erschlichen. Seine Verurteilung bedeutete ein Signal, dass sich kein Korruptionstäter mehr in Sicherheit wiegen konnte, zumindest nicht, wenn er nicht auf Seiten der Basescu-Parteien stand. Vor allem die Antikorruptionsbehörde DNA hatte sich in den letzten Jahren dabei einen rigorosen und (fast) unbestechlichen Ruf erarbeitet und mit spektakulären Einsätzen auch bei Politikern, der Grenzpolizei, dem Zoll aufgeräumt.

Fatale Signale

Bereits im Dezember 2012 hatte sich Premierminister Victor Ponta „aus menschlichen Gründen“ für die Freilassung seines Mentors Adrian Nastase ausgesprochen. Nun wird dieser in die Politik zurückkehren, auf herzliche Einladung Pontas. Dadurch, dass Nastase bis 2016 kein politisches Amt ausüben darf, für ihn also weder ein Platz in der Parteiführung noch als Minister in Frage kommt, hält Ponta für unproblematisch: „Er benötige keine offizielle Funktion in der PSD, die Mitglieder hören ihm ohnehin zu.“

Ponta setzt damit ein weiteres Mal einen fatalen Schritt, der weit über die Gnadengeste gegenüber einem "Genossen" hinausreicht. Nicht nur, dass er das Zeichen aussendet, dass, wer auf der richtigen, also seiner Seite steht, nun keine größere Angst mehr vor Strafverfolgung wegen Amtsmissbrauchs und Korruption haben muss, sondern auch: dass Gerichtsentscheidungen durch politischen Einfluss rückgängig zu machen bzw. zumindest abzumildern sind. Diese Attitüde absoluter Macht ist nicht die einzige Parallele, mit welcher der "rote" Victor" fatal an seinen vielfarbigen Namensvetter in Budapest erinnert, der genauso wenig Respekt vor der Justiz und ihrer Unabhängigkeit zeigt, jedoch viel struktureller vorgeht, während Ponta sich bisher noch eher auf Anlassinterventionen beschränkte.

Ausgerechnet Basescu als demokratische Kontrollinstanz?

Auch Ponta umging und überstimmte das Verfassungsericht modelte an dessen Kompetenzen herum und stürzte Urteile nach seinem Gusto durch Mehrheitsentscheide im Parlament, so weit das ohne 2/3-Mehrheit möglich war. Nach allgemeinem Konsens tat er das aus Gründen der Machtzementierung und der Erschwerung der Strafverfolgung seiner "Interessenssphäre". Die Verfassung selbst ließ er bisher weitgehend in Ruhe, weil er musste, doch der missionarische, ja verbissene Aufwand, mit dem sein Budapester Amtskollege das gesamte Verfassungssystem weggeputscht hat, scheint Ponta - vorerst - gar nicht notwendig zu sein, da er seine Wünsche problemlos über das Parlament und die Exekutive erfüllt bekommt. Die Spitze der Generalstaatsanwaltschaft und der DNA ließ er auswechseln, die Neuen bekommen die Weisungen nun vom parteitreuen Justizministerium. Kritik an seinen Personalien, auch im Ministerrang, perlt an Ponta genauso ab wie an Orbán.

Allein den Präsidenten abzusägen, gelang ihm, wie bekannt, bisher nicht. Das Basescu-Lager bleibt damit in einer ausgleichenden Machtposition, auch wenn die nach der blamabel gescheiterten Volksabstimmung abgehaltenen Wahlen klar für Ponta ausgingen. Wenn man bedenkt, dass die Basescu-Parteien den Rumänen nur als eine weitere Spielart der "dunklen Seite der Macht" gelten und bezäglich des Wahrheitsgehaltes dieser Meinung sollte man sich keiner abschälgigen Illusionen hingeben, sind die Aussichten für die Entwicklung der Demokratie in Rumänien nicht viel besser als in Ungarn, wo ein korrupter Haufen den nächsten ersetzt und jeder behauptet, er habe das allein selig machende Rezept für das Glück des Volkes.

Demokratie und Rechtsstaat sind abstrakt, Geld ist konkret

Für beide Systeme, für Victor und Viktor gilt die gleiche Respektlosigkeit gegenüber dem Volk, dem Demos und der Demokratie: die auf demokratischem Wege errungene Mehrheit wird als Ermächtigung zur absoluten Ausübung von Macht betrachtet, das Land als Beute gesehen und vereinnahmt. Demokratische Kontrollinstanzen werden zu parteilich besetzten Machtzentren umfunktioniert, die Gewaltenteilung wird ausgehebelt. Beide Regime bedienen sich - als zusätzlicher Legitimation und Argumentation  - beim Versagen der Vorgänger, essentielle Problemfelder für die Bevölkerung befriedigend und befriedend gelöst zu haben. Dass die Lösung mit einem Abbau von Rechtsstaatlichkeit und letztlich der Gefährdung auch von Grundrechten aller Bürger einhergeht, da auf die vergwaltigten Instanzen der Machtkontrolle kein Verlass mehr ist, nehmen viele Menschen als abstrakte Randerscheinung wahr, die jedoch ihrer Auffassung nach nicht viel mit ihren konkreten Lebensumständen zu tun hat.

Orbán lebt den feuchten Traum der Nationalkonservativen

Armut, Zukunftsangst und Perspektivlosigkeit sind und bleiben damit die eigentliche Machtbasis dieser demokratiefernen Populisten, dieser Kannibalen der Demokratie. Doch einen Unterschied gibt es: Orbán hat - für jene, die es wissen wollten - nie einen Hehl aus seiner Demokratieverachtung und seinen Plänen zur "revolutionären" Umgestaltung vom konstitutionellen Parlamentarismus hin zu einem völkisch-frömmelnden Ständestaat unter Einparteinherrschaft gemacht. Überraschend war daran höchstens noch die Besessenheit in der Umsetzung, die allerdings letztlich auch zu seinem Scheitern führen wird. Ansonsten aber lebt er nur die feuchten Träume der Nationalkonservativen des ganzen Kontinents. Es mag zwar eine historische Lüge sein, dass sein System dem "Volke" dient, doch mehr Demokratie hat er nie versprochen und seine Anhänger haben diese auch nicht verlangt.

Der “Sozialist” Ponta mit wenig Herz für die Rechtlosen

Ponta hingegen geriert sich bis heute als Demokrat europäischer Prägung und "Sozialist", als Mann des Volkes und Verteidiger der Armen, von denen es in Rumänien mehr gibt als fast überall sonst in Europa. Dass Pontas Herz jedoch nicht für alle Armen schlägt, zeigten seine Äußerungen in der BBC-Sendung "Hardtalk" vor einer Woche, als er die Roma seines Landes pauschal als Kriminelle bezeichnete, die dem Ruf des Landes schaden und dabei gleichzeitig verneinte, dass es eine Diskriminierung der Volksgruppe durch die Mehrheitsgesellschaft gäbe.
(Hier die einschlägigen Auszüge aus dem Interview: http://www.policycenter.eu/public-position-regarding-the-statements-of-romanian-prime-minister-mr-victor-ponta-d uring-hardtalk-show-on-bbc-world-news-on-19-march-2013)

Durch seine antidemokratischen Handlungem beschädigt er nicht nur sein eigenes Land sondern auch jene Politiker in Europa, die sich unter dem Label "sozial" und "demokratisch" tatsächlich für die Schwächeren einsetzen. Gelingt ihm nicht zumindest auf dem ökonomischen und sozialen Sektor eine Entwicklung, die das notwendige Minimum der Mehrheit zugänglich macht (von Existenz"sicherheit" spricht in diesen Regionen ohnehin niemand mehr), dann wird er genauo scheitern wie seine so prosaisch untergegangenen Parteikollegen in Ungarn, denen er gerade einen Solidaritätsbesuch in Budapest abstattete.

 

Es sollte niemanden wundern, wenn dann auch in Rumänien bald ein selbstberufener Nationenretter auf der Bühne erscheint und auf den Ruinen von Rechtsstaat und Demokratie seinen Machtwahn auslebt. Auch möglich, dass Ponta selbst zu solchem mutiert. Wir lernen an Rumänien und Ungarn wieder einmal, dass antidemokratisches Handeln, das letztlich eine Attacke auf die Grundrechte des Souveräns darstellt, immer auf dem gleichen Boden wächst und nicht abhängig ist von der politischen Etikettierung der sie tragenden Parteien. Die EVP wollte Orbán nicht stoppen, die europäischen "Sozialisten" müssen nun zeigen, ob sie Ponta wenigstens bremsen können. In Ungarn ist das Kind längst in den Brunnen gefallen, in Rumänien spielt es gefährlich nah an dessen Rand...

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Ist Artikel 7 eine Option?

red. /c.s. / m.s.

 

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