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(c) Pester Lloyd / 19 - 2013   WIRTSCHAFT 11.05.2013

 

Korrektur unter Protest

Ungarn passt Budget EU-Forderungen an, gibt sich aber weiter bockig

Die ungarische Nationalarithmetik folgt bekanntlich gänzlich anderen Gesetzen als denen des Adam Ries. Dennoch hat sich die ungarische Regierung am Freitag zu weiteren Budgekorrekturen durchgerungen, will die geplanten Einsparungen aber keinesfalls als Sparpaket bezeichnet wissen. Fachkommentatoren bezweifeln, ob die Maßnahmen die EU wirklich überzeugen werden und nagen an der Stichhaltigkeit einiger Punkte. Für die Regierung sind nicht so sehr die Zahlen wichtig, sondern die Klarstellung, dass die EU nicht rechnen kann.

Konkret geht es um Anpassungen in der Höhe von zunächst knapp 92 Milliarden Forint (313 Mio. EUR) für 2013 sowie 173 Mrd. HUF (519 Mio. EUR) für 2014, also 0,3 bzw 0,5% des BIP, die aufgrund geringerer Steuereinnahmen und eines erodierenden Forint sowohl nötig geworden sind, um die selbst gesteckten Haushalts- und Defizitziele zu erreichen, als auch, um den EU-Forderungen im Exzessiv Defizit Verfahren (EDP) zu entsprechen, das man noch im Frühjahr beendet sehen will. Derzeit steht eine Defizitprognose von 3%+ gegen eine Planung von 2,7%.

Wirtschaftsminister Varga bei der freitäglichen Pressekonferenz. Während er die Zahlen erläutert, sorgt der neben ihm stehende Regierungssprecher Giro-Szász für die ideologische Interpretation. Die Uhr im Hintergrund zeigt: zehn nach Zwölf, ist also wahrscheinlich das Opfer einer linksliberalen Uhrmacherverschwörung...

Maßnahmen ja, aber bloß nicht, was die EU "will"

Das lange innere Ringen der Regierungspartei und die äußere Kommunikation der Offiziellen, um diesen Schritt zu vollführen, zeigt, dass man die eigentlich ökonomisch und fiskalisch einleuchtende Maßnahme, also die Haushaltsplanung den Realitäten anzupassen, als eine Art Niederlage ansieht. Zunächst hieß es, als schon klar war, dass etliche Steuerschätzungen daneben lagen, dass Haushaltsanpassungen nicht nötig sind, man die Differenzen aus der Budgetreserve und dem von Orbán angekündigten "sprunghaften, überraschenden" Wachstum im zweiten Halbjahr ausgleichen könne.

Wirtschaftsminister Varga deutete dann vorsichtig an, dass man aber noch einmal "nachrechnen" werde, woraufhin ihn Orbán zurückpfiff, denn "die Projektionen der EU sind, wie schon so oft, falsch". Am Mittwoch dann forderte Orbán Varga jedoch auf, "geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um das Budget den internationalen Erwartungen" anzupassen, woraufhin eine erweiterte Vorstandssitzung der Regierungspartei dem "Regierungschef das Mandat gab", Maßnahmen zu ergreifen, dabei aber "nicht den Empfehlungen der EU zu folgen", weil diese "die arbeitenden Menschen und Rentner" belasten wolle, was nicht "im Sinne der nationalen Politik" sei. Man habe da eine "rote Linie", die nicht überschritten werden dürfe, so ein Parteisprecher.

Einsparungen sind Einsparungen

Allerdings sind Ausgabenkürzungen, und um diese geht es im wesentlichen, nichts anderes als Sparmaßnahmen, die letztlich das einfache Volk treffen werden, weil sie, wenn sie auch offiziell nur die "Budgets verschiedener Ministerien" (rund 70 Mrd. HUF) treffen, sich natürlich in geringeren Leistungen und abgesagten Investitionen äußern müssen. Die "Verbesserung der Bilanz außerbudgetärer Organisationen" (Staatsbetriebe und Anteile an Unternehmen) soll je 14,5 Mrd. einbringen, weitere 5 Mrd. sollen durch "Akkumulierung von Reserven", lies: zusammenkratzen von Restposten sowie Beschneidungen im "Mediendienstbereich" eingespart werden, wobei nicht zu erwarten ist, dass es den diversen "Sonderfonds", die die Regierung für ihre Parteipolitik einsetzt, an den Kragen gegen wird, denn diese werden dringender gebraucht denn je, meint zumindest die Regierung.

20 Milliarden (68 Mio. EUR) sollen 2014 durch das Einfrieren von Sozialleistungen eingespart werden, d.h. diese bleiben nur nominal gleich hoch, eine Inflationsanpassung findet nicht statt, 2014 sollen durch "geringere IT-Ausgaben, verschobene Investitionen und die Beschneidung von Staatsbeihilfen für Unternehmen" nochmals 60 Mrd. gespart werden. Unklarheit herrscht beim Punkt der Sozialleistungen, diese Maßnahme ist nämlich bereits im Budgetgesetz aufgeführt, weshalb die EU dies auch nicht als zusätzliche Einsparung anerkennen wird.

Varga meint jedoch, dass man "die EU-Kommission mit diesen Maßnahmen zufriedenstellen wird", auch wenn man nach wie vor "die Schätzungen aus Brüssel unfair" findet. Zu den Einsparungen bei den budgetfinanzierte Organisationen, die auch - wie er besonders betont - das Verfassungsgericht und das Parlament betreffen - hofft Varga, dass man sie "im zweiten Halbjahr, wenn die Umstände besser werden, wieder aufheben kann."

Finanztransaktionssteuer beliebig ausdehnbar

Offen blieb am Freitag auch die Frage der intern koloportierten Erhöhung der Finanztransaktionssteuer (0,2% auf alle Geldbewegungen, 0,3% auf Barabhebungen, gedeckelt bei ca. 20 EUR je Transaktion), die von der Regierung als neue Wunderwaffe gepriesen wurde, wohl vor allem deshalb, weil man sie relativ risikolos als Stellschraube bei etwaigen Budgetlöchern einsetzen kann, ohne gleich eine Revolution der Steuerzahler auszulösen, denn 0,2 oder 0,8% sind Steuersätze, die dem geübten Ungarn nur ein gleichgültiges Schulterzucken entlocken, auch wenn er in Wahrheit mehr zahlt, weil die Banken - selbstredend - Wege finden, ihren Anteil an der Transaktionssteuer auf die Kunden umzulegen. Die Einnahmen aus dieser zusätzlichen Einkommens- bzw. Umsatzsteuer (sie ist ja so gestaltet, dass sich ihre Benennung als Antispekulationssteuer verbietet), blieben sehr weit hinter den Erwartungen zurück, auch, weil viele Unternehmen ihren Zahlungsverkehr per Knopfdruck einfach ins Ausland verschoben und die "normalen" Ungarn eben wieder mehr auf Bargeld- und Tauschwirtschaft setzen und sich so dem fiskalischen Zugriff weiter entziehen als sie es mit ihrer riesigen Grauwirtschaft schon traditionell taten.

In Summe lässt sich einschätzen, dass der Staat sich mit dieser Steuer im wahrsten Sinne versteuert hat, was nur schlimmer wird, wenn er den Steuersatz anhebt, um die Planziele doch noch erzwingen zu wollen. Varga deutete an, dass dies wohl die letzte Möglichkeit darstellt, wenn im zweiten Halbjahr absehbar wird, dass die 2,7% doch nicht zu halten sein werden.

Sparvorgaben gegen paternalistischen Exzess

 

Der Fahrplan beim EDP sieht nun so aus, dass am 15. Mai die ersten Zahlen für die BIP-Entwicklung im ersten Quartal 2013 vorgelegt werden, die, aufgrund der besonders niedrigen Basisdaten relativ optimistisch ausfallen werden, jedoch nur relativ. In absoluten Zahlen liegt Ungarn heute unter dem Niveau von 2005 und ist in der Region das Schlusslicht, auch wenn Orbán stets das Gegenteil behaupten lässt. Am 29. Mai gibt die EU-Kommission ihre Empfehlung hinsichtlich des EDP, am 22. Juni entscheidet dann der Rat der Finanzminister, ob das Verfahren aufgehoben oder fortgeführt wird. Bei Letzterem könnte Ungarn nochmals eine Aufforderung zukommen, "strukturelle und nachhaltige" Verbesserungen vorzunehmen, wobei vor alle der öffentliche Dienst im Fokus steht. Hier gibt es ein ziemliches Dilemma: die EU fordert einen schlankeren Staat, doch weniger Beamte und Behörden vertragen sich nicht mit dem Konzept der Totalkontrolle aller Lebensbereiche der Menschen, wie sie Fidesz - natürlich nur Beider Besten -,  propagiert und umsetzt und deren Nationalarithmetik völlig anderen Gesetzen folgt als den Regeln eines Adam Ries.

cs.sz.

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