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(c) Pester Lloyd / 34 - 2013   FEUILLETON 23.08.2013

 

Wie das Gestern so das Heute

Aufstieg und „Der Fall des Ökonomen“, ein Roman von György Dalos über Ungarn

Es wäre kein Roman von Dalos, meinte der nicht auch gerade die gegenwärtigen, unerträglich scheinheiligen Verhältnisse in Ungarn, wo unter dem schönen Schein einer Zwei-Drittel-Mehrheits-Demokratie wieder nur die Ja-Sager der eigenen Kaste in Schlüsselstellungen von Politik, Wissenschaft und Kultur kommen. Der Rest ist Depression, die Lautlosigkeit der Opposition oder Exil.

Der mehrfach mit bedeutenden Preisen geehrte ungarische Schriftsteller György Dalos (65) hat in einem 2012 im ROTBUCH Verlag erschienen Roman „Der Fall des Ökonomen“ gleichsam eine Geschichte der ungarischen Volksrepublik in plastische Szenen gesetzt. Kenntnisreich bis ins Detail sind ungarische wie zwischenstaatliche sozialistische Verhältnisse genauso ausgelotet, wie die sozial-psychisch Befindlichkeiten der agierenden Individuen.

Ein Werk des Neo-Verismo. Es gelang damit die schonungslose Aufdeckung von scheiternden Familienstrukturen unter den Verhältnissen eines so genannten Sozialismus, die Duldungsbiographie eines Ökonomen, der ständig fremdbestimmt, sein Leben zwischen Erhobensein und Fallengelassenwerden erträgt und der sich mit endlicher Schlitzohrigkeit gerade noch so am Existenzminimum durchlaviert. Dalos, in den verschiedenen Lebenszeiten selbst geschuhriegelt und gefährdet gewesen, ist in seinen Werken stets der Spagat zwischen Objektivität und ironischer Identifizierung mit den Menschen gelungen. Denunziation und verunglimpfender Distanz eines Besserwissers sind ihm fremd geblieben. Was er beschreibt, ist ihm selbst oder ihm nahen Personen widerfahren, so wie dem Helden des Romans die Studienjahre in der Sowjetunion, Job- und Wohnungssuche in der ungarischen Heimat, Frauenbeziehungen, - gelungene und gescheiterte.

Sein Held ist zudem Jude, dessen Vater vom Lager geprägt. Nicht vom ungarischen Staat erhält der seine Unterstützung, sondern aus der jüdischen Garküche und einer Schweizer Stiftung, die der Sohn sich - urkomische Pointe - schließlich aneignet. Doch zunächst bricht der Sohn Kolozs aus und studiert in der Sowjetunion, bekommt im Nischensozialismus an der Seite eines vorsichtig reformerischen Ökonomen eine Assistentenstelle, wohnt zeitweise in der Wohnung eines Studienfreundes, der es in das diplomatische Korps geschafft hat. Jäh endet der kleine Aufstieg eines Wissenschaftlers, weil seine Kritik an der ökonomischen Linie nicht ins Bild vom Funktionärs-Sozialismus passte. Keine Schauprozesse in den toleranteren Siebzigern waren das Aus, sondern Bauernopfer schlichter Anpasslers. Was unter heutiger Sicht verblüfft, ist die Duldungsfähigkeit, die Rückkehr in die unwidersprochenen Anspruchslosigkeit des Lebens inmitten von neuen System-Gewinnern.

 

Es wäre kein Roman von Dalos, meinte der nicht gerade die gegenwärtigen, unerträglich scheinheiligen Verhältnisse in Ungarn, wo unter dem schönen Schein einer Zwei-Drittel-Mehrheits-Demokratie wieder nur die Ja-Sager der eigenen Kaste in Schlüsselstellungen von Politik, Wissenschaft und Kultur kommen. Der Rest ist Depression, die Lautlosigkeit der Opposition oder Exil. Allen ist des Dichters Spott gewiss, der allerdings im Halse stecken bleibt. Die dankbare Leserschaft des Buches könnte sich zusammen setzen aus den Linksintellektuellen des Westens, allen Überlebenden sozialistischer Regime und den wenigen, aber zunehmenden Zweiflern an heutiger FIDE(SZ)ler Unfehlbarkeit. Der Bucherfolg ist somit gesichert.

Eveline Figura

György Dalos „Der Fall des Ökonomen“, Rotbuch Verlag, Berlin, 2012; www.rotbuch.de

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