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(c) Pester Lloyd / 49 - 2014   WIRTSCHAFT   02.12.2014

 

Russland stoppt South Stream: Ungarn schaut in die Röhre...

Der Stopp des South Stream Projekts durch Russlands Präsident Putin, wirft auch für Ungarn einige Fragen auf. Noch in der Vorwoche hatte Außenminister Szijjártó die Pipeline als unumgänglich für Ungarns Energiesicherheit bezeichnet, für Dezember war der erste Spatenstich geplant - gegen den Willen der EU. Orbán muss nun erfahren, dass er dem Treiben seines neuen "Partners" tatenlos zusehen muss...

UPDATE, 02.12., 17:16 Uhr - Reaktionen:

 

Außenminister Szijjártó reagierte auf die Nachricht des Projektstopps mit den Worten "Russland hatte das Recht, diese Entscheidung zu treffen, Ungarn hat das anerkannt." Nun müsse man "neue Quellen finden, um die Energiesicherheit Ungarns zu gewährleisten." Der Minister erwähnte Importe aus Aserbaidschan, nannte aber keinen konkreten Bezugsweg und hatte auch sonst nichts weiter anzubieten.

Die demokratische Opposition meinte, Orbán habe "auf das falsche Pferd gesetzt", was nicht nur für die Energie-, sondern die gesamte Außenpolitik gelte. Die ganze "Ostöffnung" gehöre korrigiert, außerdem sei es bekannt gewesen, dass Putin "nach Gutdünken Vertäräge und Vereinbarungen breche". Daher sei es "notwendig, auch die Entscheidung zu Paks II" nochmals zu überdenken, hieß es in diversen Statement der LMP, MSZP, Együtt und der Liberalen.

Der staatliche Energiekonzern MVM, Gazprom-Partner für South Stream Ungarn, gab sich trotzig, die "langfristige Strategie" sei nicht gefährdet. Vorstandschef György Harmati teilte mit, dass das Joint venture ein Kapital von knapp 9 Milliarden Forint (rund 27 Mio. EUR) habe, sagte aber nicht, was damit nun geschehen würde (Gazprom hält 50%). Das Gazprom-Gaslager in Ungarn sei gefüllt. Nächste Woche werde zudem eine Machbarkeitsstudie für das AGRI-Pipeline-Projekt zwischen Aserbaidshan, Georgien, Rumänien und Ungarn in Bukarest vorgestellt. /
UPDATE

Erstbericht:

Die ungarische Regierung hatte auf Gazprom-Wunsch hin extra eine Lex South Stream kreiert, damit sich das ungarisch-russische Joint venture nicht an auf europäischer Ebene vereinbarte Standards und Kontrollmechanismen (EU-Gasrichtlinie) für Errichter bzw. Betreiber grenzübergreifender Erdgasleitungen halten muss. Die EU-Kommission war in Alarmbereitschaft und verlangte "Klärungen", auch die USA waren darüber alles andere als "amused".

Weiterhin hatte der staatliche Energieriese MVM - mit Blick auf South Stream - bereits Erdgaslager von der MOL bzw. von E.ON mit Steuergeldern erworben, ein weiteres Lager auf ungarischem Territorium wurde bereits an Gazprom verkauft. Was mit diesen Investitionen nun geschehen soll, bleibt offen, möglicherweise bleibt der Steuerzahler auf den Kosten sitzen.

Putin hatte am Montag mitgeteilt, dass South Stream nicht gebaut wird. Er machte dafür den
Druck der EU, vor allem aber der USA auf Bulgarien verantwortlich, deren Genehmigungsstopp die erste Baustufe, also die Durchleitung durch das Schwarze Meer, unmöglich mache. Putin behauptet, für Westeuropa sei die Absage ein Nachteil in der Energiesicherheit.

Die Branche macht aber andere Gründe für den Rückzieher Gazproms geltend: die sinkenden Weltmarktpreise für Öl haben zu Einnahmeausfällen bei Gazprom und anderen involvierten Unternehmen in dreistelliger Milliardenhöhe allein in einem Jahr geführt, zudem würde sich die Investition durch den abgewerteten Rubel enorm verteuern, unter dem Strich sei South Stream daher schlicht nicht mehr rentabel. Sowohl Währungs- wie Rohstoffpreisverfall sind als klassischer Wirtschaftskrieg auch Teil des Konfliktes USA/EU/Russland/Ukraine, bei dem Putin nun eine Schlacht verloren habe.

Russland will nun ein alternatives Projekt durch die Türkei sowie die ökonomischen umkämpften Beitrittskandidaten auf dem Balkan starten und lockt den neuen Partner bereits durch einen Preisnachlass von 6% auf den westlichen Preis sowie höhere Kapazitäten. Eine Pipeline durch die Türkei könnte auch Gas nach Europa liefern, hieß es aus Moskau einladend. Ob die Ankündigung real ist oder als Trotzreaktion zu werten ist, wird die Zeit zeigen.

 

Ungarn bleibt so oder so mit mehreren Kollateralschäden auf der Strecke. Zunächst bliebe man auf den bisher getätigten Investitionen sitzen, desweiteren hätte man sich praktisch für Nichts mit der EU angelegt und in der Zukunft wäre Ungarn nicht mehr Partner der Gazprom bei der Durchleitung und Verteilung von Erdgas, sondern, sollte das Projekt über die Türkei realisiert werden, nur noch einer von vielen Abnehmern. Eine Umleitung um die Ukraine, die ja zu recht als Sicherheitsrisiko gilt (auch ohne russische Interventionen), findet ebenfalls nicht mehr statt. Ungarn hatte darauf spekuliert, über eine spätere Ausbaustufe von South Stream auch aserbaidschanisches Gas beziehen, bzw. gewinnbringend weiterverkaufen zu können. Auch MOL ist (mäßig) betroffen, denn ein großer Teil des Gases wäre durch deren Hochdruck-Systeme weiter gen Westen gepumpt worden.

Premier Orbán indes muss feststellen, dass ihm seine "neue strategische Partnerschaft" mit Russland bisher nichts als Ärger eingebracht hat, er als "Partner" aber in keine der Entscheidungen Moskaus auch nur informell eingebunden ist. Sollte sich die finanzielle Situation Russlands, das praktisch nur durch Rohstoffexporte existiert, weiter verschlechtern, könnte auch das ungleich größere AKW-Ausbauprojekt gefährdet sein.

red.

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