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(c) Pester Lloyd / 50 - 2014   NACHRICHTEN   07.12.2014

 

Pipimachen fürs Vaterland: Regierungspolitiker fordert zwangsweise Drogentests bei allen Jugendlichen in Ungarn

UPDATE, 8.12.: Reaktionen
Montage

Der Fidesz-Parteisprecher und Bezirksbürgermeister des VIII. Budapester Bezirks, Máté Kocsis, schlägt auf seiner Facebook-Seite vor, dass man alle Jugendlichen im Alter von 12 bis 18 Jahren einmal jährlich eines obligatorischen Drogentests unterzieht. Auch Politiker, “weil sie Entscheidungen treffen” und Journalisten “weil sie meinungsbildend arbeiten”, sollten regelmäßig überprüft werden.

Er sei schockiert über die "fast täglichen Drogenmeldungen", er wolle nichts von sog. Experten über eine "Drogenpolitik" hören, sondern nur über eine "Anti-Drogen-Politik". Drogen seien lebensbedrohend, sie verstörten unsere Kinder und gefährdeten ihre Zukunft. Daher sei es "notwendig, regelmäßige Drogentests an den Verletztlichsten" einzuführen. Er werde dafür die notwendigen Schritte einleiten, damit die Sache ins Parlament, also in Gesetzesform kommt

 

Details, auf welche Drogen getestet werden soll und welche Maßnahmen bei positiven Befunden zu ergreifen sind, nannte Kocsis, der zu den Youngsters unter den treuesten Orbán-Anhängern zählt, nicht. Was mit Persönlichkeitsrechten und dem mit solchen Zwangstests ausgesprochenen Generalverdacht ist, interessiert Fidesz-Politiker ohnehin wenig. Seit 2012 hat Ungarn eins der rigidesten Strafrechte gegen Drogenkonsum.

Kocsis ließ als Bezirksbürgermeister gerade ein Drogenhilfsprogramm in seinem VIII. Bezirk beenden und schreckte dabei auch nicht davor zurück, den von Fidesz selbst eingesetzten
Ombudsmann für Grundrechte zu denunzieren. Im VIII. nahm auch die mittlerweile "verfassungsgemäße" pauschale Kriminalisierung von Obdachlosigkeit ihren Anfang duch ein Pilotprojekt, das mit einer regelrechten Rufmordkampagne eingeleitet wurde.

 

Erste Kommentare in unabhängigen Medien auf den Vorschlag lauten "absurd" und "Verstand verloren". Immerhin sei es diese Regierung gewesen, die die schulischen Präventionsprogramme gegen Null gefahren habe, weil angeblich kein Geld mehr dafür da sei. Man könnte auch noch darauf hinweisen, dass Drogentests bei Politikern durchaus angebracht sein könnten, immerhin wurde ein stelllv. Fidesz-Bürgermeister bereits des Kokain-Konsums überführt und die Droge Nr. 1, der Alkohol, wurde durch die steuerbefreite Möglichkeit des privaten Brennens von "Pálinka" als "Kulturgut" und "Teil unserer Lebensart" nicht nur promotet, sondern auch polemisch gegen die "Brüsseler Bürokraten" verteidigt.

Die Fidesz-Fraktion nahm Kocsis´ Vorschlag bereits auf, er soll Thema bei der montäglichen Fraktionssitzung werden.

UPDATE, 08.12.14, Reaktionen:

Am Sonntag äußerte sich die für die Pflichtschulen zuständige Staatssekretärin, Rózsa Hoffmann, die wegen Inkompetenz vom Hochschulwesen abgezogen worden war, reserviert positiv zu dem Vorschlag. Man könne diese Tests im Rahmen der allgemeinen bzw. zahnärztlichen Regeluntersuchungen integrieren und sie seien "im Rahmen der Prävention" begrüßenswert, allerdings "kenne ich die Details des Vorschlags nicht."

Am Montag folgte Fidesz-Fraktionschef Rogán, Kocsis` Worte seien durchaus eine "starke Pointierung", die Fraktion unterstütze den Vorschlag jedoch.

Im Internet wurde Kocsis binnen kürzester Zeit zum Star, ein Hohn- und Shitstorm mit jeder Menge Fotomontagen brach über ihn herein. Es gründete sich eine Facebook-Gruppe “Eine Million für Fidesz-Urinproben”, die bereits über 4.000 Anhänger fand...
https://www.facebook.com/pisitafidesznek und sich zum Epizentrum des Anwortbebens machte.

Unabhängige Medien stellten Fragen: wer bekommt Zugang zu den Ergebnissen, wie lange werden sie gespeichert und von wem? Was ist wenn Eltern oder ein Jugendlicher den Test verweigern? Wie definiert man einen Journalisten? Was geschieht, wenn Politiker, gar Kocsis selbst...?! Und, und, und. Tenor der meisten Beiträge: sinnvolle Drogenprävention und Bekämpfung der kriminellen Aktivitäten ja, der Vorschlag selbst = populistischer Nonsense, aber passend zur "Verbotskultur" der Regierungspartei. Natürlich fehlten auch nicht die Hinweise auf Drogenmissbrauch unter Politikern (zB. Szilárd Németh bzw. bekanntgewordene “Partys” mit Drogen und Prostituierten in der Provinz).

Abgeordnete der linksliberalen DK tauchtem Montagmorgen vor dem Bezirksrathaus des VIII. Bezirks auf, um Kocsis "persönlich eine Urinprobe vorbeizubringen". Die LMP rechnete vor, dass die Kosten für landesweite Drogentests bei allen Mittel- und Oberschülern, Politikern und Journalisten in etwa 13,6 Mio. EUR kosten würden - mehr als die Regierung den Ärmsten der Armen für Nothilfen zur Verfügung stellt. /UPDATE

red.

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