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(c) Pester Lloyd / 50 - 2014   NACHRICHTEN   11.12.2014

 

Totalitäre Politik: Drogentests in Ungarn kommen, "unangekündigt" und "freiwillig"

Die jährlichen Drogentests für 12-18jährige werden kommen, aber sie werden nominal "freiwillig" sein, d.h. es ist die Erlaubnis der Eltern erforderlich, auch das Testergebnis sollen nur die Erziehungsberechtigten bzw. der durchführende Arzt erhalten. Dennoch müssten die Tests "unangekündigt" erfolgen, also ohne Vorlaufzeit, um zu einem realistischen Ergebnis zu kommen, erklärte Fidesz-Fraktionschef Rogán am Mittwoch.

Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen: Hier das Statement der Facebook-Gruppe: “Eine Million Urinproben für Fidesz”... https://www.facebook.com/pisitafidesznek (Auf dem Foto: Fidesz-Sprecher Máté Kocsis, rechts)

Offen bleibt hingegen, ob auch ein "Beratungsangebot" bei einem positiven "drogteszt" verbindlich wird, wenn schon keine unmittelbaren Sanktionen verhängt werden sollen. Inwiefern man Politiker und Journalisten zu Tests vorladen könne, müsse noch "rechtlich geklärt" werden, dazu suche man derzeit Rat beim Justizminister und beim Datenschutzamt. Außerdem wolle man versuchen, die Tests auch auf Designerdrogen auszuweiten, was finanziell bedeutend aufwendiger würde.

Dass man den
Vorschlag von Fidesz-Sprecher Kocsis, der sofort für jede Menge Aufsehen und Häme sorgte, nicht 1:1 umsetzen konnte, liegt in der Natur der Sache. Ein Drogenzwangstest wäre eine Art Körperverletzung bzw. Nötigung, ist also rechtlich direkt nicht umsetzbar. Außerdem ist es übliche Fidesz-Taktik bei Gesetzesvorhaben, zunächst einen wild bellenden Köter vorzuschicken, um dann die Partei als mäßigende, ordnende Kraft zu präsentieren - und am Ende doch zu bekommen, was man wollte.

 

Zu den exorbitanten Kosten (schon ein allgemeiner Test kostet rund 28.000 Forint, ca. 75 EUR, Spezialuntersuchungen auf neuartige Designerdrogen sind um ein vielfaches teurer) sagte Fidesz-Fraktionschef Antal Rogán am Mittwoch vor Medien ebensowenig wie zum Prozedere. Sollen nun Aufforderungen an alle Schüler jährlich ergehen oder nur Stichproben vorgenommen, nach welchen Auswahlkriterien? Auch dem Hauptargument der Gegner, die Fidesz Totalitarismus vorwerfen, konnte er nichts abgewinnen. Immerhin unterstellen die Tests ganze Bevölkerungs- und Berufsgruppen einem Generalverdacht, von dem diese sich durch Selbstoffenbarung befreien müssten, dabei Eingriffe in ihre Privatsphäre und Patientenrechte hinnehmend. Da es auszuschließen sei, dass man jedes Jahr alle Politiker und Journalisten testet, könne man "Stichproben" gezielt zur Einschüchterung und politischen Erpressung einsetzen.

Einwände, so ein Gesetz könnte gegen Verfassungsgrundsätze verstoßen (sowie auch gegen internationale Menschenrechtsabkommen, Stichwort: Menschenwürde, Recht am eigenen Körper etc.) wischte der Fidesz-Fraktionschef vom Tisch, die Sache sei im "nationalen Interesse" und damit basta, denn der Vorschlag diene "dem Kampf gegen Drogenhandel und organisiertes Verbrechen". Wer "gegen die Tests ist, ist für Drogen...", lautete bereits am Montag sein Totschlagargument. Inwiefern und seit wann die ungarischen Schulkinder dem organisierten Verbrechen zugeordnet weden, erklärte Rogán, der keine Fragen zuließ, nicht.

Im Februar oder März werde der Gesetzentwurf eingebracht.

Oppositionsparteien, Pädagogen, Bürgerrechtsgruppen, Drogenexperten sind sich einig in der vollständigen Ablehnung auch der "freiwilligen" Variante "in jedweder Form", wie es in einer Aussendung der liberalen Partei "Gemeinsam" hieß. Man müsse diesen "Auswuchs eines Polizeistaates, die Nötigung von Kindern und Erwachsenen und die Verletzung ihrer Rechte verhindern". Nur durchdachte Prävention und Hilfsprogramme auf der einen Seite sowie konsequenter Kampf gegen das organisierte Verbrechen andererseits hätten hier einen Sinn.

 

Die von Rogán vorgebrachte "Elternerlaubnis" ist ein perfider Versuch, neben den Kindern auch noch die Eltern unter staatlichen Druck zu setzen. Kinder, die nach kurzfristiger "Einladung" durch den Schul- oder Amtsarztarzt nicht an den Tests teilnehmen, weil sie oder ihre Eltern das ablehnen, würden so nicht nur selbst leicht in ein schiefes Licht geraten, Denunziation, Ausgrenzung und Diskriminierung ausgesetzt sein, sondern auch ihre Eltern in eine Gewissensklemme bringen. Das Vorgehen, dieser Umgang mit den Bürgern seitens des (Ein-Parteien)-Staates sei das einer Diktatur und man könne diesen Vorstoß nicht einfach als PR-Ablenkungsversuch zu den Akten legen.

Vereinzelt hatten sich auch Fidesz-Politiker skeptisch zur Sinnhaftigkeit, den Kosten und zur Umsetzbarkeit geäußert, moralische oder grundrechtliche Vorbehalte oder Zweifel an der Rechtlichkeit dieser erniedrigenden Beweislastumkehr brachte allerdings niemand.

red.

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