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(c) Pester Lloyd / 04 - 2015   WIRTSCHAFT   18.01.2015

 

Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr: Sonntagsschließung in Ungarn soll per Volksabstimmung gekippt werden

Die führende Unternehmervereinigung VOSZ, die Gewerkschaftskonföderation LIGA sowie - unabhängig von den beiden Erstegenannten - mehrere Oppositionsparteien, wollen die Frage der jüngt verbotenen Sonntagsöffnung von Supermärkten und Einkaufszentren durch ein Referendum, also vom Volk beantwortet wissen. Doch die Hürden dafür sind nicht nur hoch, sondern auch extrem politisiert. Erste Entlassungen.

LIGA-Chef Gaskó, einst als Orbán-nah verschrien und VOSZ kündigten die Einleitung des Prozederes auf einer Pressekonferenz am Freitag an und verbaten sich gleichzeitig die Mitwirkung "irgendeiner politischen Partei" dabei, man werde "ausschließlich mit zivilen Gruppen zusammenarbeiten".

Mit einem verbindlichen Referendum ist es in Ungarn theoretisch möglich, den Gesetzgeber zur Änderung bzw. Rücknahme des entsprechenden Gesetzes zu zwingen. Die Hürden dafür sind allerdings enorm hoch und wurden durch die parteiliche Übermacht des Fidesz in der Nationalen Wahlkommission nochmals erhöht. Kein Wunder also, dass bisher nur eine einzige Initiative das erforderliche Quorum und die ausreichende Zustimmung fand, das war 2006, damals ging es um das Abschmettern einer Gesundheitsreform auf Initiative des damals oppositionellen Fidesz. (Witzigerweise gingen die jüngsten "Reformen" noch über die damals von den Sozis geplanten Änderungen hinaus.)

Zunächst muss die richtige Fragestellung gefunden werden. Schon hier scheiterten in den vergangenen Jahren die meisten Referenden quasi im Kindesalter. Denn das Wahlkomitee entwickelt eine blühende Kreativitiät in Begründungen, warum die eingereichten Fragen "nicht verständlich", "nicht relevant", "nicht klar zu beantworten" oder "nicht am beanstandeten Gesetz" orientiert seien und lehnt sie rundheraus ab. Alle Fragen, bei denen internationale Verträge oder die "nationale Sicherheit" auf dem Spiel stehen, werden ohnehin abgelehnt. Also Fragen um den Atomdeal, Erdgasschwindel oder andere haben so keine Chance und wir lernten in den letzten vier Jahren, das sogar die Lizenzvergabe für Casinos und das Automatenverbot, ja sogar die verpflichtende Abgabe einer Urinprobe Dimensionen der nationalen Sicherheit annehmen kann.

Ist diese Hürde dennoch genommen - übrigens gab es seit Orbáns Amtsantritt 2010 kein einziges Referendum mehr - müssen binnen 14 Tagen mindestens 200.000 Unterstützerunterschriften her - und (!) von der Wahlkommission für gültig erklärt werden. Spätestens hier war zuletzt immer Ende der Fahnenstange. Geht es doch an die Urnen, müssen wenigstens 25% aller Wahlberechtigten teilnehmen und eine gültige Stimme abgeben, davon müssen wiederum mehr als 50% für die Initiative stimmen. Eher geht also ein Kamel durch ein Nadelöhr.

Laut dem Sonntagsschließungsgesetz, müssen alle größeren Supermärkte und Shoppingcenter an Sonn- und Feiertagen geschlossen halten, kleinere Unternehmen nicht (CBA-Förderung). Hiermit soll der Grundstein für ein "generells Arbeitsverbot" am heiligen Sonntag gelten, der auf Ungarisch lustigerweise übrigens "Markttag" heißt. Erholung = Frieden = Gebot der nationalen Sicherheit. So schnell geht das. Gleichzeitig mit dem Schließungsgebot wurden auch Platz- und Geschäftsverbote unter bestimmten Bedingungen verhängt sowie mehre Sondersteuern so erhöht, dass möglichst die ausländischen Handelsketten draufzahlen.

Zum Thema:
Konsumgenossenschaft: Regierung drängt ausländische Handelsketten aus dem Land

 

Tesco kündigte in der Vorwoche die Schließung von vorerst 13 Filialen und die Entlassung von 560 Mitarbeitern an, Spar, Auchan, Metro und Co. prüfen noch. Insgesamt, so schätzen LIGA und VOSZ, könnten direkt rund 30.000 bis 40.000 Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Viele Geringverdiener, auch Rentner verdienen sich am Sonntag ein paar Forint hinzu, diese trifft es als erstes. Regierungssprecher Kovács philosophierte dazu, dass die "Regierung nicht für die Folgen ihrer Gesetze verantwortlich" sei, das müssten die Firmen mit sich ausmachen. Wirtschaftsminister Varga wiederum behauptet, dass Tesco überall Probleme habe, die Schließungen hätten daher nichts mit den neuen Gesetzen zu tun.

red.

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