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(c) Pester Lloyd / 07 - 2015   POLITIK   09.02.2015

 

Abschiebung ohne Asylverfahren: Ungarn will Flüchtlinge entgegen EU-Recht sofort zurückschicken

Auf der dreitägigen Fidesz-Fraktionssitzung letzte Woche, wurde auch eine Verschärfung der Ausländergesetzgebung beschlossen. Da "einige der vorgelegten Gesetzesänderungen zur Behandlung von Wirtschaftsflüchtlingen" aber "Konflikte mit Brüssel heraufbeschwören können", will man sich des Mittels der "nationalen Konsulation" bedienen, um den Rückhalt des Volkes für eine verschärfte Einwanderungspolitik zu demonstrieren.

“Aufgriff” an der ungarisch-rumänischen Grenze. Nicht regelkonforme Grenzübertritte haben sich binnen 3 Jahren verzehnfacht. Doch hat Ungarn nach wie vor kein Einwanderungsproblem, denn niemand will hier bleiben. Stimmung wird trotzdem gemacht, Sündenböcke kann man immer brauchen, vor allem um von eigenen Missetaten abzulenken...

"Die Menschen sollten gefragt werden, ob sie die sofortige Verhaftung und Abschiebung illegaler Einwanderer befürworten", so Fraktionschef Rogán, der zuvor "Einwanderung als Quelle des Terrorismus" bezeichnete. Dahinter steckt die Idee, Menschen, die nach Ungarn illegal einreisen und per exekutivem Standrecht als Wirtschaftsflüchtlinge eingestuft werden, das Recht auf einen Asylantrag und ein entsprechendes Verfahren sowie rechtlichen Beistand in Ungarn zu verweigern und sie sofort wieder abzuschieben. Eine Vorgehensweise, die jedoch nicht nur gegen EU-Regeln, sondern auch andere internationale Abkommen verstößt. Bereits heute hält sich Ungarn weder an die UN-Vorgaben im Umgang mit Flüchtlingen, noch an die Vorgaben aus den Dublin-Verträgen und wurde daher mehrfach von deutschen Gerichten nicht mehr als sicheres Drittland bezeichnet. Fidesz-Vize Kósa hatte zudem die sofortige Abschiebung von Flüchtlingen mit “islamischem Hintergrund” gefordert.

Die oppositonelle MSZP nannte die Flüchtlingsdebatte zynisch und sachfern. Ungarn habe kein Einwanderungs- sondern ein Auswanderungsproblem. "ein Land, in dem 4 Mio. Menschen in Armut leben, ist nicht einmal für Flüchtlinge vom Balkan, den Nahen Osten oder Afrika als Ziel attraktiv". Die Zahl der hier lebenden Nicht-EU-Bürger habe sich "seit 2009 um 3.000 reduziert." Dafür kehrten Hunderttausende Bürger dem eigenen Land den Rücken, "um auswärts ein besseres Leben zu finden". Die Regierung sollte sich zuerst darum kümmern.

Ungarn
registrierte 2014 43.000 Asylantragsteller, nur 500 davon blieben im Lande. Die meisten kamen aus dem Kosovo, gefolgt von Syrern und Irakern. Premier Orbán verlangt einen "gänzlichen Einwanderungsstopp" in die EU und sagte, dass "Ungarn keine multikulturelle Gesellschaft sein will" und auch "keine Wirtschaftsflüchtlinge brauche", die er als überwiegend organisierte Kriminelle bezeichnete. Anmerkungen, die er direkt im Anschluss an die Attentate in Paris machte. Die Umfrage eines regierungstreuen Instituts hatte ergeben, dass sich 70% der Ungarn strengere Gesetze wünschten.

 

Die sog. "nationalen Konsulationen" sind Briefwurfsendungen mit Suggestivfragen, mit denen sich die Regierungspartei bereits gefasste Beschlüsse bestätigen lässt. So ging man bei den Energiepreissenkungen vor, aber auch bei der Kriminalisierung von Obdachlosen. Wie auch bei der Flüchtlingsfrage ist diese Art einer selektiven "Volksbefragung" (die aufgrund des Ablaufs keine echte ist) deshalb problematisch, da die Regierung glaubt, so auch die Legitimierung für die Einschränkung von Grund- und Menschenrechte von Minderheiten zu erhalten, die - wie es ihre Natur ist - gar nicht abschaff- bzw. teilbar sind.

Anfang Februar startete der Regierungsbeauftragte Tamás Deutsch eine weitere "nationale Konsultation", worin das Volk zur "Zukunft des ungarischen Internets" befragt wird, eine Reaktion auf die Protestwelle gegen die mittlerweile gestoppte Internetsteuer.

Einen Vorgeschmack auf die neuen Praktiken bekamen rund 300 Kosovaren, die vor rund einer Woche in Györ aus einem Zug geholt, verhaftet und über die Grenze nach Serbien bzw. Rumänien zurückgebracht wurden. Allein am vergangenen Freitag sollen an ungarischen Grenzen über 1200 illegale Übertritte gemeldet worden sein.

red.

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