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(c) Pester Lloyd / 11 - 2015   NACHRICHTEN      09.03.2015

 

Müder Vormärz: Ungarns Opposition will zum großen Schlag ausholen

Am kommenden Sonntag, dem Nationalfeiertag des 15. März, will die Oppositionsbewegung nicht weniger als eine neue Republik gründen und neben Großdemos auch landesweit Runde Tische installieren, die über ein Ungarn nach Orbán nachdenken - und es umsetzen sollen. Die Generalprobe am 8. März fiel jedoch bescheiden aus, das Volk ist skeptisch und protestmüde.

 

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“Wieviel hat Fidesz von Dir gestohlen?” fragem Transparent und Demo-Orgnisator Péter Juhász. Offenbar sind viele noch zu Hause am Nachzählen...

Die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass die mit Internetsteuer und Korrutpionsskandalen schnell angeschwollene Protestbewegung bald erlahmte - ob am Winter, an der Stärke Orbáns und seiner 40 Räuber oder der Unfähigkeit der Opposition sich zu einen und zu artikulieren - und so nimmt es nicht Wunder, dass zur gestrigen "Antikorruptionsdemo" vor dem Budapester Rathaus nur 200-300 Menschen erschienen, die nach einigen Reden zum Büro der Zentralen Ermittlungsstelle NNI zogen, um ihren Unmut über unterdrückte oder ganz verhinderte Ermittlungen auszudrücken.

Derartige Demos gab es Dutzende in den vergangenen Monaten, mal mit Tausenden, manchmal mit Zehntausenden, doch immer öfter nur mit Hunderten Teilnehmern. Die Protestbewegung hat sich im wahrsten Sinne des Wortes müde gelaufen, es fehlte die Steigerung, irgendwann war jede Parole gebrüllt, doch Frust und Fakten im Lande blieben gleich. Bis heute gelang es nicht, die extrem anwachsende Gruppe von Ex-Fidesz-Wählern, die mit dem Chef unzufrieden ist, als Aktivposten für die Seite der Bürger zu gewinnen. Bis jetzt traut die Mehrheit der im Moment aktiven Opposition nicht zu, die Kraft und die Mittel zu haben, Orbán aus dem Amt zu jagen - und dafür zu sorgen, dass nichts Schlimmers oder ähnlich Übles nachkommt...

Am 15. März wollen nicht nur die neuen Oppositionsbewegungen (Antikorruptionsliga, Facebook-bewgeungen), sondern auch die etablierten Oppositionsparteien marschieren. Mehr dazu.

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...denn die Demobeteiligung reichte nicht einmal im Anstatz an das Heran, was man im vorigen Jahr an Mobilisierung erreichte. Dabei sind die Skandale nicht weniger geworden.

Mehrere Gruppen und Parteien organisierten den gestrigen Protestmarsch, ganz vorne Péter Juhász, einst Gründer von "Milla", heute Politiker der kleinen Partei "Együtt". Er machte Schlagzeilen, als er die Immodeals von Fidesz-Fraktionschef Rogán in dessen Zeit als Bezirksbürgermeister des V. anprangerte, Hunderte Verkäufe von Häusern und Liegenschaften in Bezirkseigentum, häufig unter Preis und nicht selten an Partei"freunde" und über off-shore-Konstrukte, die bis hin zu einschlägig bekannten Kriminellen führten.

Rogán ist zum Gesicht, eher zur Fratze der Legionen von Emporkömmlingen bei Fidesz geworden, die allein druch Treue zu Orbán und den Zynismus intellektuell unbeleckter Instinkte Karriere machten und fast jeden Tag Nachrichten produzieren, die in normalen Ländern zu Fahndungswellen, Proteststürmen, Rücktritten und Neuwahlen führen müssten.

 

Für die Veranstalter wird Ungarn "unter unseren Augen zu einem failed state". Orbán verwandle das Land "aktiv" in eine Art Bananenrepublik, die sowohl "die eigenen Bürger wie auch die europäischen Nachbarn gefährdet". Angeprangert wurde einmal mehr die "Bereicherung" von "Orbán und seinen Spießgesellen" bei Ausschaltung des Rechtsstaates, die unaufgeklärten Vorwürfe systematisierter Korruption im Amt u.a. beim Finanzamt, die intransparente Verteilung von EU-Geldern über den als Drehscheibe von Amtsmissbrauch und Korruption gesehenen Kanzleramtsminister Lázár, der Missbrauch der Gesetzgebung für Aneignungen ganzer Branchen, z.B. den Tabakhandel oder die Genossenschaftsbanken, undurchsichtge Geschäftemachereien mit von MET (Schaden für die Öffentlichkeit jährlich rund 150 Mio. EUR) bis Paks II, für dessen Risiken am Ende die Bürger den Kopf und ihre Geldbörse herhalten müssten und die Ungarns internationale Isolation verursachen. Schon heute habe die Regierungspartei durch ihre Geheimhaltung des Atomdeals dafür gesorgt, dass die "Günstlinge" sich schamlos bedienen und Gelder abzweigen könnten, in Größenordnungen, die selbst unter dieser Regierung noch nicht gesehen worden seien.

Was die Demonstranten besonders aufregt: dass die Staatsanwaltschaft - und alle anderen Kontrollorgane - fast alle Ermittlungen im Fidesz-Umfeld entweder passiv vermeiden oder sogar aktiv verhindern. Im Fokus hier: Péter Polt, der von Orbán eingesetzte Generalstaatsanwalt, dem "Blindheit auf dem rechten Auge" vorzuwerfen ist und der den Beleg dafür abgibt, dass bei "Orbán Staatsübernahme kein Platz für unabhängige Institutionen ist".

 

Eine immer reicher werdende Schicht von Fidesz-Günstlingen, Politikern und assoziierten Geschäftsleuten auf der einen Seite, auf der anderen: eine gescheiterte Demokratie, eine kollabierende Wirtschaft, eine verarmende Bevölkerung und eine wachsende Kluft zwischen der "Elite" und den Bürgern. Diese Enwicklungen müssten gestoppt werden, schreiben die Veranstalter.

Über das "Wie" und die Alternativen sowie die Glaubwürdigkeit der handelnden Personen in der Opposition, die sich gerade - wieder einmal - über einem gemeinsamen Nenner zu finden sucht, wird man am kommenden Sonntag mehr erfahren. Denn letztlich sind es die "Bürger", die durch ihre Präsenz am Nationalfeiertag einer Bewegung Kraft und Legitimation geben müssen, die sich nicht weniger vorgenommen hat als die Wiederherstellung von Rechtsstaat und Demokratie in Ungarn.

red. / cs.sz.

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