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(c) Pester Lloyd / 14 - 2015   POLITIK    03.04.2015

 

Auf der Flucht: Politiker aus Rumänien versteckt sich in Ungarn vor der Justiz

Während die Regierungspartei in Ungarn, von Justiz und Bürgern unbelästigt, ihren ökonomischen Beutezug und die demokratische Zerstörungsarbeit ungeniert durchziehen kann, gibt es im politisch bipolar regierten Rumänien immerhin Anstrengungen, Korruption und Amtsmissbrauch Einhalt zu gebieten. Für Orbán ist dieses Exemlpel eine potentielle Gefahr, das eigene Volk könnte auf dumme Gedanken kommen. Er lässt daher von "ungarnfeindlichem Justizterror" sprechen.

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Ob aus demokratischer Überzeugung oder aus Neid auf den Anderen: Ponta und Johannis zwingen sich gegenseitig zu einer Politik, die Rumänien mehr nutzt als schadet.

Der frühere Staatssekretär und Abgeordnete der Demokratischen Partei der Ungarn in Rumänien (UMDR / RMDSZ), Attila Markó, hat am Mittwoch sein Parlamentsmandat niedergelegt. Die Erklärung übersandte er als Fotoanhang in einer Mail nach Bukarest, persönlich mochte er sie nicht überbringen, denn seit Dezember ist auf der Flucht. Gegen ihn liegt ein Haftbefehl und ein erstes vorläufiges - mehrjähriges - Urteil vor.

 

Die parlamentarische Immunität des Politikers, der seit 1989 für die RMDSZ aktiv ist und in der Regierung Emil Boc als Staatssekretär für Minderheitenfragen (eine alimentierte Alibistelle für die Mehrheitsbeschaffung) diente, war bereits im Vorjahr aufgehoben worden, auf Betreiben der Nationalen Antikorruptionsbehörde DNA, die seit einiger Zeit - übrigens auch schon vor dem Auftritt des präsidialen Wunderheilers Klaus Johannis - ernst macht mit Bekämpfung von Korruption und Amtsmissbrauch in Behörden- und Politikerkreisen.

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In Rumänien gesucht, in Ungarn gut aufgehoben: Attila Markó

Im vorliegenden Fall des flüchtigen Parlamentariers steht die "Autoritatea Nationala de Restituire a Proprietatilor" (ANRP), die sogenannte Restitutionsbehörde für Immobilien- und Grundbesitz im Zentrum. Die Gretchenfrage dieser Behörde lautet: Rückgabe oder Entschädigung und wenn Letzteres, wie hoch fällt diese aus. In mehreren Fällen wurden von den Kuratoriums-Mitgliedern, Beamte wie Politiker, in gemeinschaftlicher Entscheidung Entschädigungen bewilligt, die weit über dem Marktwert der Liegenschaften lagen. Das zweite Geschäftsmodell war die Rückgabe von gesetzlich eigentlich nicht restitutionsfähigen Grundstücken und Immobilien bzw. die Privatisierung in vorbereitete Kanäle. Bei beiden Modellen flossen dann entsprechende Provisionen in erheblichem Ausmaß.

Markó soll sowohl hier als auch da mitgemischt haben. Was den Fall allerdings auf eine politische Ebene hebt, ist die Involvierung der Ungarischen Reformierten Kirche in Rumänien, die sich um die Rückgabe von ihr rechtmäßig zustehendem Eigentum geprellt sieht (was die DNA ganz anders sieht) und  - zusammen mit den nationalistischen Separatisten in Siebenbürgen und den Revanchisten in der Regierung in Budapest - ein politisches Komplott gegen "die Ungarn" in Rumänien erkennen möchte.

Sowohl die ungarische Politik, aber auch die Kirchenleute behaupten Markó für unschuldig, er habe nur etwas für seine Minderheit und das Recht tun wollen und werde zu unrecht kriminalisiert. Die DNA sieht jedoch schlicht kriminelle Energie am Werk, für sie ist die Sache Kirchenrestitution nur ein Fall von Dutzenden.

Der Hauptfall, nach dem alles aufflog, betraf ein 13 Hektar großes Grundstück in Bukarest, bei dem einem Geschäftsmann 2011 eine um ein Vielfaches höhere Entschädigung zugesprochen wurde, als das Grundstück wert war. Markó beruft sich darauf, bei der entscheidenen Sitzung gar nicht dabei gewesen zu sein, - was die geübten Korruptionsjäger und auch die Richter nicht sonderlich beeindruckte. Sie halten ihn sogar für die Schlüsselfigur in diesem Fall. Er behauptet, man wollte ihn reinlegen.

14bica2Höhepunkt dieses Skandals um systematische Korruption mit amtlicher Involvierung, bei dem seit 2011 intensiver - wenn auch manchmal politisch eingeschränkt - ermittelt wurde, war Ende 2014 die Aufsehen erregende Verhaftung von Alina Bica (Foto), der Chefanklägerin beim Sonderdezernat für organisierte Kriminalität und Terrorismus DIICOT, die eigentlich mit der Antikorruptionsstaatsanwaltschaft DNA zusammenarbeiten sollte, aber die betrügerischen Machenschaften rund um die ANRP deckte.

Shoppingtouren in Paris wurden ihr am Ende zum Verhängnis. Sie galt sowohl der Ponta- wie der Boc-Seite als zugehörig und es erwischte auch Abgeordnete der PDL (National-Liberale, heute PNL, RMDSZ war damals Koalitions- bzw. Duldungspartner) und einen weiteren Mann der Basescu-Seite sowie Behördenleiter und einige kleinere Beamte. Sie wurden bis zum Prozess in U-Haft genommen oder unter Hausarrest gestellt.
 
Markó floh hingegen nach Ungarn, denn er hat - wie Hunderttausende Rumänienungarn - mittlerweile auch einen ungarischen Pass, niemand wird ihn von hier ausliefern, schon gar nicht wegen solcher "Lappalien". Andere Länder, andere Sitten: Der Ex-Bezirksbürgermeister von Budapests V. Bezirk hat in den letzten vier Jahren rund 200 Immobilien auf ähnliche Weise wie Makó "behandelt" - heute ist er Fraktionschef der Regierungspartei Fidesz. Markó erwarten in Rumänien mindestens 3 Jahre Gefängnis und Schadensersatzforderungen.

 

Makó als Opfer ungarnfeindlicher Justizwillkür, (ein RMDSZ-Abgeordneter sieht bereits sogar das Ceaușescu-Regime zurückkehren) das ist die Botschaft, die Budapest weniger nach Bukarest als an die eigene Anhängerschaft sendet. Die Rumänen sehen das nüchterner: Ungar versteckt Verbrecher, heißt es dort trocken.

Denn Markó ist kein Einzelfall, Rumänien auch nicht: die kroatische Antikorruptionsbehörde hatte vor zwei Jahren einen internationalen Haftbefehl gegen den Chef des größten ungarischen Konzerns, MOL, Zsolt Hernádi, ausstellen lassen und ihn wegen des Vorwurfs sich INA-Anteile und Management-Vorteile für rund 15 Mio. EUR Schmiergeld beim - auch deswegen - verurteilten Ex-Premier Sanader gekauft zu haben, angeklagt.

Orbán entfachte daraufhin einen politischen Ölkrieg mit dem Nachbarland, kündigte polternd den Rückzug "aus diesem Land" an und nahm seinen Günstling nicht nur in Schutz, er sorgte auch dafür, dass ungarische Gerichte ihn - stellvertretend für die zuständigen Gerichte in Kroatien - freisprachen.

Die Sache ist schwebend und auch um Makó ist es politisch in Budapest stiller und stiller geworden, der Delinquent selbst mehr oder minder abgetaucht, in seiner lamoryanten Email an die Parlamentskollegen behauptet er weiter, ein Opfer politischer Willkürjustiz zu sein. Sein Anwalt verriet, dass nicht mal er wisse, wo Markó derzeit wohnt, er ihn nur ab und zu an einer ungarischen Tankstelle trifft. Vielleicht bei MOL?

Seit der konservativ-liberale Johannis Präsident wurde und der "Sozialist" Ponta Premier blieb, erwischt es die Player beider politischen Hauptlager jetzt zu ungefähr gleichen Teilen, es ist fast ein Wettstreit, wer am meisten Gauner zur Strecke bringt. Dahinter mögen so hehre Beweggründe wie wahltaktisches Kalkül, Rachegelüste, Missgunst und Machtkämpfe stecken, Fakt ist jedoch, dass die Korruptionsjagd vor niemandem mehr Halt macht und die Jäger selbst zu Gejagten werden können, wenn sie Ermittlungen behindern oder vertuschen.

Für Rumänien ist das gut, denn auch beidseitige Angriffe auf das Justiz- und Kontrollsystem, auf die Verfassung werden so eingeschränkt und oft verhindert, manche Dinge sogar zurückgenommen. Ein Gesetz, das den Interessenskonflikt bei der Vergabe öffentlicher Aufträge aufhebt, wäre in Rumänien heute jedenfalls nicht denkbar. Im heutigen Ungarn ist so ein Gesetz nur noch eine Randnotiz im täglichen Tango corrupto, hier fehlt mittlerweile jedes Korrektiv und sei dies auch nur eine konkurriende, dunkle Macht. Alles und Jeder ist Orbán, dem Alleinherrscher, Untertan. Auch das Gesetz.

red. / m.s.

Mehr zu den Beziehungen Ungarn-Rumänien auf der Länderseite.

 

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