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(c) Pester Lloyd / 26 - 2015   WIRTSCHAFT     23.06.2015

 

Auf Teufel komm raus: AKW-Ausbau in Ungarn basiert auf falschen Daten

Veraltete technische Berechnungen, unrealistische Kalkulationen zu Umsätzen und Baukosten, unabsehbare Folgen für Wasserwirtschaft und Umwelt. Interne Papiere für das AKW Paks 2 offenbaren unglaubliche Schlampereien im Genehmigungsverfahren. Sie lassen nur einen Schluss zu: Orbán prügelt das Projekt durch, koste und riskiere es auch, was es wolle.

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Hinweis auf “Strahlung” im AKW Paks. Irgendwie “redundant”. Danke für den Tipp, wären wir gar nicht drauf gekommen. Man sollte noch vor: Korruption, Lebensgefahr, Amtsmissbrauch etc. warnen...

Wie berichtet unterliegen sämtliche technische, strategische, kaufmännische und energiepolitische Aspekte des AKW-Ausbaus in Paks für 30 Jahre strengster Geheimhaltung. Das war u.a. ein Wunsch der russischen Partner, aber auch Wille der Orbán-Regierung. Niemand soll erfahren, wer die lukrativen Aufträge bekommt und zu welchen Preisen welche Leistungen - auf Kosten des ungarischen Steuerzahlers - abgerechnet werden. “Nationale Sicherheit”, “Schutz von Geschäftsgeheimnissen” und “internationale Gepflogenheit” waren die Argumente der Regierung.

 

Durchgesickerte Dokumente legen nun nahe, dass auch fachliche Stümperei, veraltete Daten und die Verhinderung des Bekanntwerdens von Sicherheitsrisiken hinter der Geheimhaltung stehen.

Der Abgeordnete der Kleinpartei "Dialog für Ungarn", PM,
Benedek Jávor präsentiert auf seiner Webseite drei, im zugespielte, als intern eingestufte Studien , eine direkt vom Betreiber MVM, zwei weitere vom Institut für Kernenergieforschung der Akademie der Wissenschaften.

Aus der ersten Studie geht hervor, dass die aktuelle Machbarkeitsstudie, wichtigste Grundlage für das Genehmigungsverfahren und auch Basis für die den Nachbarländern und der EU vorzulegende Umweltverträglichkeitsstudie, veraltete Daten enthält. Wörtlich: hier werden "Schlussfolgerungen aus älteren Materialien übernommen, die heute nicht notwendigerweise mehr gültig sein müssen." Es wird empfohlen, "die Marktbedingungen neu zu bewerten", denn "man kann nicht davon ausgehen, dass die einbezogenen Daten von 2007 und 2008 so noch gültig sind" und "dass die herangezogenen Preisprognosen (gemeint der mutmaßlich erzielbare Strompreis) von 2011 nicht einmal mehr für heute Gültigkeit haben."

Ebenfalls aufschlussreich ist die nächste Empfehlung. Die geht davon aus, dass die Errichtung der zwei neuen Blöcke, die Kapazität des alten AKW´s beeinträchtigen wird, weshalb Berechnungen anzustellen sind, ob Paks 1 nach Inbetriebnahme von Paks 2 "überhaupt noch gewinnbringend wirtschaften" kann. Die Studie 3 aus der Akademie der Wissenschaften spricht von Einbußen bis zu einem Drittel der Stromerzeugung. Zweifel bestehen in diesem Zusammenhang auch, ob das ungarische Stromnetz - nach den jetzigen Planungen - überhaupt die neu produzierten Mengen aufnehmen kann.

Weiterhin beklagen sich die Autoren über "unspezifische Kostenangaben". Hier fehlen wichtige Details, nicht einmal Jahreszahlen wurden angegeben, auf welches Jahr sich die Preislevels als Grundlage für die Kostenberechnungen beziehen.

 

Die beiden Dokumente aus der wissenschaftlichen Sphäre betreffen u.a. die Wasserkühlung und das Papier kommt zu dem Schluss, dass der Betrieb des neuen AKW nicht ohne den Bruch von Wasser- und Naturschutzvorgaben erreicht werden könne. Da jedoch davon auszugehen ist, dass sich in den kommenden Jahrzehnten die Verfügbarkeiten im regionalen Wasserhaushalt eher verringern werden, sei "die Laufzeit des Projektes nicht abgedeckt", heißt es weiter, ein schwerer Einwand zur Betriebssicherheit, aber auch ein ökonomisches Wagnis. Berechnungen ergaben laut den Studien, dass sich das Wasser der Donau bis zur südlichen Grenze zeitweise auf 30 Grad Celsius erhitzen könnte und sogar zu Notabschaltungen führen könnte.

Der Parlamentsabgeordnete Jávor schließt daraus: "Im Lichte all dessen, können wir feststellen, dass die Regierung die Errichtung des neuen AKW auf falschen Daten vollzieht und - entgegen der offiziellen Propaganda - wissen die internen Experten genau, dass sich Orbán und seine Mannschaft zu einem extrem riskanten, finanziell katastrophalen und ernsthaft umweltschädigenden Projekt entschlossen haben, das zudem noch das gesamte ungarische Stromnetz gefährden könne". Er ergänzte, dass die geplanten Kosten von 12,5 Mrd. Euro rund 10% des ungarischen BIP ausmachen und man aus dem profitablen Paks 1 dann defizitäre Paks 1 und Paks 2 mache.

Erst kürzlich hatte das
österreichische Umweltministerium fachliche und formale Mängel an der ausgesandten Umweltverträglichkeitsprüfung festgestellt.

Vor kurzem wurde bekannt, dass beschädigte
Brennstäbe aus einem Störfall 2003, heimlich aus dem Lande geschafft wurden.

Die EU prüft das Paks II Projekt aus energiepolitischer und
wettbewerbsrechtlicher Sicht. Auch wegen der Belieferung mit Brennstäben kam es bereits zu Konflikten mit der EU bzw. Euratom. http://www.pesterlloyd.net/html/1513brennstabgeklaert.html

Bereits zuvor war eine
Studie des Betreibers MVM bekannt geworden, der vor massiven Strompreisanstiegen - bis zur Verdopplung - warnte, sobald die Refinanzierung (2026) anlaufe.

Die Regierung hatte die Bevölkerung über die genauen
Bedingungen des Kreditvertrages mit Russland zunächst belogen, dann wichtige Details verschwiegen.

Schon 1993 stellte
eine betriebsinterne Studie (AGNES), ein sog. Stresstest, der auch bei der IAEA abrufbar ist (hier), eine erhöhte Anfälligkeit für verschiedene Störfallszenarien und Mängel an den redundanten Sicherheitssystemen fest.

red.

 


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