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(c) Pester Lloyd / 37 - 2015   POLITIK    07.09.2015

 

Orbán vor Diplomaten zur Flüchtlingskrise: “Kommt nicht!” - Tausendjähriges Ungarn wird sich zu schützen wissen

Premier Orbán verteidigte beim zweiten Jahrstreffen seiner Botschafter in Budapest am Montagmorgen seine Flüchtlingspolitik und teilte in alle Richtungen aus: Ungarn halte sich an die Gesetze, seine Polizei sei Weltklasse. Dagegen herrsche in der Völkergemeinschaft Anarchie und in Europa Heuchelei. Ein Land, das seine Grenze nicht schützt, sein kein Land. Ungarn habe schon die Roma und liebe zwar Döner, aber keine Moslems. Ab 15. September fährt das Militär auf, dann werde ohnehin alles besser, schließlich habe das "tausendjährige Ungarn" viel Erfahrung bei der Grenzsicherung.

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Staatsmännisch, aber doch cool. Er hat´s einfach drauf. Orbán am Montagmorgen mit seinem Außenminister, dem “Villen-Péter” Szijjártó, vor seinen (r)apportierenden Diplomaten. Zwar versuchte er, seinen politischen Handlungsfaden schlüssig über die Rampe zu bringen, doch gingen ihm immer mal wieder die rhetorischen Steppenpferde durch. - Man beachte auch die Turul-Standarten an den Flaggen, sie ersetzten vor geraumer Zeit die Präsenz von EU-Fahnen. Foto: MTI

Die USA stürzten legale Regierungen und hinterließen dann ein Chaos, führte Orbán vor den aus aller Welt zum Rapport bestellten ungarischen Diplomaten aus. Länder wie die USA, Australien, Israel oder die Golfstaaten würden sich nicht an die internationalen Konventionen halten, in dem sie keine Flüchtlinge aufnehmen. Orbán zitierte eine Aussage von Italiens Ex-Premier Berlusconi, der meinte, wenn Gaddafi noch wäre, gäbe es keine Flüchtlinge. Er hätte das gleiche Zitat auch mit Putin und Assad haben können.

 

Ungarns Interessen stünden im Vordergrund, die Kritik des Westens, vor allem Österreichs und Frankreichs, sei "verlogen". Je "stärker die Angriffe, umso resoluter" müssten die Diplomaten Ungarns Standpunkt vertreten. "Wir leben in einer verlogenen Welt, schon seit mehreren Hundert Jahren." (Lies: Ungarn, das ewige Opfer) Dagegen komme man nicht mit einer "servilen Diplomatie" an.

Auch im Westen werde sich die Attitüde gegenüber den Flüchtlingen bald ändern, dagegen stünde Ungarns Asylpolitik (also keine zu wollen) "felsenfest" und sei das Ergebnis der
"Nationalen Konsultation", mithin des Volkswillens. Hätten wir diese nicht, dann gäbe es hier auch solche Unsicherheiten wie in Westeuropa. Doch dauerhaft könne man nicht gegen den Willen des Volkes regieren, das wird der Westen auch noch merken. Der Westen habe eine Lücke von 90% zwischen dem Willen der Eliten und dem des Volkes, so Orbán.

Wichtig sei es jetzt, Ländern wie die Türkei (die bereits fast 2 Mio. Flüchtlinge aufgenommen haben, Anm.) finanzielle Hilfen zukommen zu lassen (was auch geschehen soll, u.a. aus Geldern, mit denen sich unwillige Länder wie Ungarn aus der geplanten Quotierung freikaufen können). Das geplante Quotensystem könne nicht die Ursachen behandeln, nur die Auswirkungen. Da Europa die Außengrenzen nicht sichern kann, kann niemand wissen, wie viele Menschen kommen werden. Er wolle nicht ausschließen, dass das Quotensystem fair gestaltet werden könne (also das Ungarn am Ende effektiv weniger Asylanträge abarbeiten und Flüchtlinge aufnehmen muss), aber darüber könne man erst reden, wenn die Frage des Grenzschutzes geklärt sei. Hätte er hier geendet, könnte man ihm - rein technisch - sogar beipflichten.

Aber Orbán wäre nicht Orbán, wenn der Premier der "Halbasiaten" (Orbán stolz über Ungarn) nicht doch noch ins Fabulieren geriete: Ungarn habe mit seiner islamischen Gemeinschaft (ca. 40.000 Menschen) kein Problem: "Wir lieben die Döner-Buden an der Ringstraße". Doch diese Leute kamen legal zu uns. Wir respektieren sie, aber wir wollen nicht, dass diese Gemeinschaft schnell wächst. Wir sind nicht antiislamisch, die Türkei ist unser Freund, nur wir wollen keine größere Anzahl von Moslems bei uns.

Andere Länder hätten anders entschieden, Frankreich und Deutschland akzeptieren eine islamische Minderheit von 10%. Es sei aber das Recht der "eingeborenen Bevölkerung" zu entscheiden, mit wem sie leben wollten. Darum werde die Debatte gehen. Ungarns historische Entwicklung brachte hunderttausende Roma, "mit denen wir zu leben haben." (Lies: wir haben schon eine Landplage und brauchen keine zweite. Es ist nicht das erste Mal, dass die Roma gegen die Flüchtlinge ausgespielt, beide als gleich(un)wertige Fremdkörper in der Nation und Quasi-Schmarotzer charakterisiert werden)

Im Schengenabkommen sei klar festgelegt, dass man "die Außengrenzen nur zu den offiziellen Öffnungszeiten überschreiten darf". Dieses Recht ist nun ausgesetzt. Wenn Europa dabei bleibt, wird es großen Ärger geben. "Ein Land, das seine Grenzen nicht schützt, ist kein Land." Unsere Situation sei aber eine andere als jene Deutschlands, denn wir haben eine Schengen-Außengrenze und sind per Gesetz verpflichtet, diese zu schützen. Das ist ein Gesetz, keine Empfehlung, sagte Orbán, der sich sonst das Hereinreden europäischer Gesetze in ungarische (Fidesz-)Interessenslagen strengstens verbittet.

Dann kam er doch nochmals auf die Quotenregelung zu sprechen, die "eine Art Einladung ist, sich auf den Weg zu machen." Denn man "bringe die Menschen schon irgendwo unter". Nein, wiederholte er, es müsse heißen "Kommt nicht!" Dabei habe sich Ungarn und seine Polizei noch vorbildlich, ja "Weltklasse" verhalten. Immerhin habe man "keine Gewalt angewendet". Das zeige hohe Moral, man habe die tausenden Meilen, die hinter den "Migranten" lägen, berücksichtigt.

Aber: Ungarn muss in der Lage sein, seine Südgrenze zu schützen, - als uns das klar war, wurde entschieden, den Zaun zu bauen. Zur gleichen Zeit mussten wir eine doppelte Grenze (gemeint der Karantänestreifen als Internierungslager für alle Ankömmlinge für ihr verkürztes Prüfverfahren) - die solange Bleiben wird, "bis der Wahnsinn aufhört". Niemand sollte ein Interesse daran haben, dass sich Ungarn verhält wie Griechenland. Warum kümmerte sich Griechenland nicht um den Grenzschutz. Warum tun die nicht, was wir jetzt für sie tun, fragte Orbán in die Runde. An der ganzen Sache sehe man nur, dass man der EU nicht vertrauen kann.

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Auch eine Gabe: Zu jedem Thema der angemessene Gesichtsausdruck (Detail aus obigem Foto)

Und nochmals das Quotensystem. Offenbar wird Orbán da immer nervöser, weil er nun bald nicht mehr leugnen können wird, dass ihm effektiv Lasten abgenommen würden. "Ist das wirklich eine gute Sache? Ich weiß nicht einmal, über wie viele Menschen wir reden. Was ist, wenn einer gar nicht in das Land will, in das er geschickt wird?” usw.

Die katholische Kirche seines Landes nannte er "weise". Wer spenden wolle, solle das tun, denn das tut der Nationalwirtschaft nicht weh, habe diese gesagt. Wenn die Lasten der Flüchtlingskrise aber dem Staat aufgebürdet würden, dann kann sich die Wirtschaft nicht entwickeln, was schnell ins Desaster führen würde. Orbán gab damit indirekt zu, dass der Staat sich nicht um die Flüchtlinge kümmert, ein Vorwurf aus Europa, den er stets abwehrte, seine Behörden würden alles bereit stellen, was gebraucht würde - allerdings nur in den Lagern. Kardinal Erdö hatte allerdings auch gesagt, dass die katholische Kirche in Ungarn nicht helfen könne, weil das "ungesetzlich wäre" (ab 15.9. ist auch Unterbringung und andere Hilfe für "Illegale" strafbar), "Katholiken" hätten aber "inkognito auch am Ostbahnhof" geholfen, - eine Aussage, mit der er sich endgültig den Spott von Kommentatoren zuzog.

"Ein türkisches Flüchtlingslager ist kein komfortabler Platz, aber die Menschen sind dort sicher. Wer in Griechenland ankommt, ist sicher, wer in Serbien ankommt, muss nicht um sein Leben laufen." Aber die Flüchtlinge wollen in Deutschland anerkannt werden, weil sie das Leben der Deutschen leben wollen. Deshalb muss man sie Einwanderer nennen (also keine Flüchtlinge).

 

Er hoffe auf eine europäische Lösung, könne sich aber nicht darauf verlassen. "Wir werden uns nicht verschließen, wir bleiben flexibel und freundlich mit unseren EU-Partnern, wies er seine Diplomaten an." Aber: Ungarns Interessen geben wir niemals auf. Das sage er auch deshalb, weil er aufgefordert wurde, die Gesetzesänderungen zum 15. September abzusagen (mehr zu diesen Notstandsgesetzen hier). Aber das wird nicht geschehen. Ab 15. September wird sich das Grenzregime "deutlich ändern" - er sprach zuvor bereits von einer "Zeitwende", was im Lichte der Maßnahmen eher eine Drohung darstellt. "Wir werden die tausendfachen Grenzverletzungen dann nicht mehr zulassen." Orbán forderte die Opposition auf, den Einsatz des Militärs an der Grenze zu unterstützen. Die eintretende Verbesserung der Lage wird ihn bestätigen.

Die Grenzen werden nicht geschlossen, nur der Zugang wird kontrolliert, Schengen wieder in Kraft gesetzt. Ungarn sei ein tausendjähriger Staat, das Erfahrungen habe, seine Grenzen zu schützen, schloss Orbán seine Ansprache.

red.


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