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(c) Pester Lloyd / 19 - 2016   POLITIK     11.05.2016

Referendum über EU-Quote: Orbán steuert Ungarn weiter aus der EU

“Wollen Sie zulassen, dass die Europäische Union bestimmen darf, dass nichtungarische Bürger in Ungarn ohne Zustimmung des nationalen Parlamentes angesiedelt werden?" Diese Frage wird den wahlberechtigten Bürgern Ungarns im September im Rahmen einer verbindlichen Volksabstimmung zur Entscheidung vorgelegt und zur nationalen Schicksalsfrage deklariert.

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Das beschloss das Parlament am Dienstag mit 136 Stimmen der Regierungsfraktionen sowie der neonazistischen Jobbik. Einige unabhängige Abgeordnete stimmten dagegen, die demokratische Opposition blieb der Abstimmung fern.

Rund 15 Millionen EUR wurden für die Kosten des Referendums bereitgestellt, gleichzeitig strich man weitere Rechte und Bezüge für Flüchtlinge zusammen. Der Staatspräsident muss nun noch eine 15tägige Einspruchsfrist abwarten, etwaige Beschwerden beim Verfassungsgericht müssten dann binnen 30 Tagen bearbeitet werden, weitere 15 Tage danach ist der Referendumstermin festzusetzen, bis spätestens 90 Tage danach.

Premier Orbán erhob das Referendum zu einer Schicksalfrage über die nationale Unabhängigkeit Ungarns gegen europäische Gleichschaltung. Wer in Ungarn leben dürfe, dürften nur Ungarn entscheiden. Bei der von der EU anvisierten Quotierung ginge es für Ungarn um weniger als 2.000 Flüchtlinge...

Gleichzeitig prangerte Orbán die angedachten Strafen für die Nichterfüllung der Quote als "Schlag in die Magengrube eines jeden Ungarn" an. Brüssel plant eine Strafzahlung von 250.000 Euro für jeden nicht gemäß der Quotenregelung aufgenommenen Flüchtling an. "Eine Summe, für die ein normaler Ungar 39 Jahre lang arbeiten müsste." Gleichzeitig hätte "jeder Ungar bisher von der Union nur 4.000 EUR an Transferleistungen" erhalten. Die EU "wisse nicht, wovon sie rede" und "mache Werbung gegen sich selbst." "Die Linke zerstört Europa."

Die Opposition, namentlich die MSZP, fordert, dass man gemeinsam mit dem Referendum zur Flüchtlingsaufnahme, das man ablehnt, zwei weitere, von ihr initiierte Abstimmungen abhalten sollte. Eine über die "räuberische Privatisierung staatlichen Grundes" sowie eine weitere, die eine Grenze von rund 6.000 EUR Einkommen für öffentliche Amtsträger fordert. Auf diese Weise könnten die Wähler erkennen, wo die wahren Probleme im Lande liegen.

Die linksliberalen Parteien Demokratische Koalition und "Gemeinsam" sehen in dem Referendum einen manipulativen Versuch, die Ungarn aus der EU zu drängen. Praktisch sei die Abstimmung über die Quote eine Abstimmung über den Verbleib in der EU. Orbán wolle sich auf diese Weise ein Mandat zum Verlassen der Gemeinschaft erteilen lassen.

Die neonazistische Jobbik sieht Orbán mit dem Referendum hingegen nur auf halbem Wege. Eigentlich bräuchte es eine Verfassungsänderung, die klarstellt, dass nur Ungarn und seine gewählten Vertreter das Recht hätten, festzulegen, wer ins Land dürfe und wer nicht.

Fidesz-Politiker bezeichneten die Abstimmung als eine "der wichtigsten Angelegenheiten der ungarischen Geschichte" und warnten die Opposition davor, beim Verfassungsgericht dagegen vorzugehen, um Zeit zu gewinnen, da Brüssel versuche Fakten zu schaffen.

 

Am gleichen Tage, Dienstag, strichen die Regierungsabgeordneten den im Lande anwesenden Flüchtlingen (die meisten der unter erbärmlichen Umständen Internierten werden auf die eine oder andere Art Richtung Westen komplimentiert) weitere Rechte und Zuschüsse, wobei ausdrücklich formuliert wurde, dass diese und jene Zuwendungen künftig "nur Ungarn zustehen". Der Aufenthalt in den Lagern wurde auf einen Monat beschränkt, eine "absehbare Abschiebung" macht nun einen unbegrenzten Gefängnisaufenthalt möglich. Ungarn bricht damit - wie schon mehrfach zuvor - wiederum europäisches und internationales Recht und enthält den Schutzsuchenden fundamentale Grundrechte vor. Gleichzeitig wird es mehreren Ministerien hinfort erlaubt, Aufenthaltsbewilligungen "aus wirtschaftlichen Interessen" zu erteilen.

red.



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