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(c) Pester Lloyd / 36 - 2017      POLITIK      04.09.2017

Fidesz fest im Sattel: Ungarn wollen Regierungswechsel, wissen aber nicht zu wem

Die zerstrittene, zergliederte und daher marginale ungarische Opposition versucht sich zumindest ansatzweise auch inhaltlich für die Wahlen im Frühjahr 2018 zu positionieren. In aktuellen Statements haben die beiden größten demokratischen Oppositionsparteien, MSZP und DK, Forderungen und Positionen aufgestellt. Umgesetzt werden sie nicht so bald, die aktuellen Umfragen sind eindeutig.

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Die August-Zahlen des Instituts ZRI Závecz sind hinsichtlich der Sonntagsfrage (siehe Abbildung oben) eindeutig. Die Regierungsfraktion Orbáns kann mit 43% rechnen, was durchaus wieder eine Zweidrittelmehrheit bedeuten wird, die man gerade knapp nicht hat. An zweiter Stelle liegen mit Jobbik Rechtsextremisten im bürgerlichen Kleide. Da die LMP mit linken Parteien nicht koalieren wird, kommen diese zusammen auf maximal 30% - alle zusammen wohlgemerkt.

Interessant, aber wirkungslos ist der Umstand, dass sich 43% der Befragten für einen Regierungswechsel aussprechen (Abbildung unten), nur 32% Fidesz weiter am Ruder sehen wollen. Die 43%, zusammen mit den 25%, die sich da nicht sicher sind, sehen schlicht keine wählbare Alternative, also bleibt - trotz Wechselwunschs - alles beim Alten.

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Mangelnde Einheit und eine gänzlich auf die Person Orbáns zugeschnittene Fundamentalopposition haben in acht Jahren Fidesz der Opposition keinerlei Zugewinn besorgt. Und das, obwohl mehr als die Hälfte des Landes nichts von Orbáns System der Günstlingswirtschaft hat, dieser sich mit einem Anteil der Wahlberechtigten von 25-30% seine absolute Herrschaft absichern lässt.

Was haben die Oppositionsparteien anzubieten? Die MSPZ legt den Finger auf die Wunde Energiepreise. Denn die von der Regierung unter großem ideologischen Tumult eingeführte staatliche Energiepreisbremse hat seit Jahren einen entgegengesetzten Effekt. Wurden die Preise durch die Gesetze zunächst um rund 20% gesenkt, verharren sei seitdem auf diesem Niveau, obwohl sich der Weltmarkt seit 2014 stetig nach unten bewegt. Das führte dazu, dass die Ungarn heute wieder - wie vor dem staatlichen Eingriff - bezogen auf ihr Einkommen mit die höchsten Energiepreise in Europa bezahlen.

"Die Regierung hat den Fakt ignoriert, dass die globalen Energiepreise um signifkante Margen gesunken sind", sagt ein MSZP-Sprecher und zitiert eine Studie der Magyar
Földgázkereskedö, dem Gashändler des staatlichen Energiekonzerns MVM, die besagt, dass die Ungarn mindestens 163 Mio. Euro mehr bezahlt haben als nötig. Das bedeute, dass ungarische Familien rund 19 Forint (ca. 6 Cent) pro Kubikmeter mehr zahlen als ihre besserverdienenden europäischen Nachbarn. Dies summiert sich auf Zusatzkosten von rund 80 Euro pro Haushalt.

Die DK kapriziert sich in ihrer jüngsten Kampagne auf das Bildungssytem. Vizeparteichef Péter Niedermüller kündigte an, bei einem Machtwechsel zunächst die zentrale Pflichtschulverwaltung KLIK, die ihre Unfähigkeit mehr als einmal bewiesen habe, aufzulösen. Außerdem müssten die Lehrkräfte eine "spürbare Gehaltserhöhung" bekommen, die nicht an die "Unterwerfung unter ideologische Verträge" (Karriereplan) gebunden sei und sowohl Dienstalter als auch den Einsatz in benachteiligten Regionen berücksichtigt. Hochschulsystem müsse es deutlich mehr Förderung in Form von Stipendien und eine generelle Senkung der Studienkosten geben. Außerdem gehörten die Lehrpläne ideolgisch entrümpelt und der Fokus auf "gleichermaßen universellen wie wettbewerbsfähigen Wissenserwerb".

Die MSZP mahnt eine umfassende Reformierung des Rentensystems an: Das derzeitige System schade der Wirtschaft und befördere Altersarmut. 28.500 Forint Minimalrente (93.- Euro) seien eine Schande. Auch das gesetzliche Renteneintrittsalter von 63 Jahren unsinnig, vor allem, wenn wichtige Berufsgruppen vor die Wahl gestellt würden, dann Rente zu beziehen oder - bei Verlust des Rentenanspruchs - weiter zu arbeiten. Das sei kein Anreiz und führe, unter anderem, im Gesundheitswesen und anderen von hoher Abwanderung betroffener Bereiche zu lebensbedrohlichen und systemgefährdenden Engpässen.

 

MSZP-Chef Molnár will nach einem Wahlsieg zunächst die Minimalrente verdoppeln und alle anderen Renteneinkommen unter 100.000 Forint (320.-) bei den nächsten Erhöhungen überproportional berücksichtigen. Hinzuverdienste sollen eine generöse, steuerfreie Obergrenze bekommen. Rentenmindestansprüche sollten teil der Verfassung werden und die 13. Monatsrente wieder eingeführt werden. Gleichzeitig sollten Veränderungen in der Struktur der Mehrwertsteuer vorgenommen werden, die Rentnern Erleichterungen verschafften. Während die EU-Länder im Schnitt 12% ihres BIP für Rentenleistungen aufwenden, seien es in Ungarn nur 9%, wobei Orbáns Politik Bezieher hoher Pensionen klar bevorteile.

DK-Chef Gyurcsány warnt vor einem "großen Drama in der Zukunft, denn aufgrund des jetztigen Systems würden die Rentenhöhen 2025-2030 massiv einstürzen, der Orbán eine "Nach mir die Sintflut"-Politik vorwirft, um nicht eingestehen zu müssen, dass er sich bei der Rentenpolitik völlig verkalkuliert hat. Die 9,8 Milliarden Euro, die der Staat an privaten Rentenversicherungen eingezogen hat (und nur zu rund einem Drittel ins Renensystem flossen, der Rest für Schuldentilgung bzw. "verschwunden), werden "uns noch schmerzlich fehlen". Die LMP mahnte an, dass das Rentenniveau der Frauen 14% unter jenem der Männer liegt, was zu ändern sei.

red.


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