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(c) Pester Lloyd / 34 - 2009  POLITIK 21.08.09
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Passionsspiel auf der Grenzbrücke

Die Slowakei verweigert dem Staatspräsidenten von Ungarn die Einreise

Die Slowakei sagt, Ungarns Präsident sei ein Sicherheitsrisiko und übler Provokateur. Ungarn meint, die Slowaken sind hysterisch geworden. Einen theatralischen Höhepunkt erreichte der Schlagabtausch am Freitag Nachmittag. Nach dem, nicht ganz unerwartet, alle diplomatischen Bemühungen der slowakischen Offiziellen erfolglos blieben, Ungarns Präsidenten László Sólyom von seinem "Privatbesuch" zur Einweihung einer Stephans-Statue im slowakischen Komarno abzubringen, untersagte der Premier ihm per Weisung die Einreise.

Staatstragendes Gesicht zu einer lächerlichen Aktion. Ungarns Präsident Sólyom
zieht unverrichteter Dinge wieder in die Heimat ab.

Grober Unfug auf beiden Seiten

Die Einladung zu der Einweihungsfeier im slowakischen Teil der Doppelstadt Komarno / Komárom kam vom Bürgermeister der Stadt, einem ungarischen Slowaken. Der Plan einer solchen Feier mit dem ungarischen Präsidenten, einen Tag nach dem ungarischen Nationalfeiertag, löste heftigste, zum Teil absurde Proteste in der Slowakei aus. Die Ungar würden die Staatlichkeit der Slowakei in Frage stellen. So bemängelte man auch die fehlende Sensibilität, schließlich seien heute auf den Tag genau vor 41 Jahren auch ungarische Truppen in die damalige CSSR einmarschiert, um den Prager Frühling niederzukämpfen. Andererseits liegt in der Wahl des Termins, der Ortes und des Anlasses eine durchsichtige Provokation aus der untersten Schublade des nationalen Populismus.

Siehe dazu unseren Beitrag: Präsident auf Abwegen - Ungarn provoziert einmal mehr die Slowakei als Vorgeschichte und Hintergrund dazu

Die Sólyom-Show

Freitag Nachmittag machte sich nun László Sólyom, Präsident Ungarns, in einer Delegation dennoch auf den Weg über die Grenzbrücke, ungeachtet einer Note des slowakischen Außenministeriums, dass er als unerwünscht eingestuft wird. Die Grenzpolizei teilte ihm das dann auch noch einmal mündlich vor Ort mit, eskortiert vom Kommandanten der Landespolizei und einem Juristen aus dem Amt des Ministerpräsidenten. Sein Besuch werde als grobe Provokation angesehen, welche die Sicherheit im Lande gefährden könne. Daher werde man ihm die Einreise nicht gestatten.

Szenen, wie zwischen Nord- und Südkorea

László Sólyom lieferte den reichlich mitgeführten Journalisten nun eine echte Polit-Show, ein PAssionsspiel auf der Grenzbrücke. Er ging genau bis zur Mitte, lief ein paar mal auf dem Grenzstreifen hin und her, "was ich darf, ich weiss das, ich bin Rechtsanwalt" und gab dann eine improvisierte Pressekonferenz, auf der er seiner Entrüstung Ausdruck verlieh und sich und "die Ungarn" einmal wieder in die Opferrolle versetzte. Worte wie "unerklärlich, ungeheuerlich" machten die Runde, die ungarischstämmige Bürgermeisterin von Komarno nickte heftig und reichte ihre Hand demonstraitv über die Grenzmarkierung. Szenen, die an Nord- und Südkorea erinnern.

Sólyom zeigte sich überzeugt, dass die "Hysterie" der slowakischen Offiziellen nicht "die Gefühle des slowakischen Volkes" widerspiegeln. Dann brachte er es auch noch fertig, den Heiligen Stephan als den "gemeinsamen König des ungarischen und slowakischen Volkes" zu bezeichnen, was historisch wirklich nur bei sehr oberflächlicher Betrachtung standhält und eine weitere aberwitzige Provokation für die Slowaken sein muss.

Die ca. zwei bis dreitausend Slowakenungarn in Komarno übten sich, nach dem Bekanntwerden des Vorfalls, in Sprechchören, die ihre ganze politische Reife bewiesen: “Ungarn ist 1918 untergegangen” und “Sólyom komm nach Hause”, womit sie die heutige Südslowakei meinten...

Die Fico-Show

Nachdem der slowakische Amtskollege Sólyom schon am Vortag ein "Überdenken" der Aktion angeregt hatte, wurde nun Premier Robert Fico der Mann fürs Grobe. Auch seine Argumente waren in etwa so zielführend wie die Provokation des ungarischen Präsidenten. "Man musste in den zuständigen Gremien entscheiden, welche Massnahme der Slowakischen Republik am wenigstens schaden würde." Es gab Hinweise darauf, so das Amt des Ministerpräsidenten, dass "Extremisten auf beiden Seiten" aktiv werden könnten. Auch er beschwor nochmals das falsch gewählte Datum, dass man schlicht als "grobe Provokation" ansehe.

Angeblich soll Fico aber am Freitagmorgen bei einem Telefonat mit seinem Amtskollegen Bajnai die Gewährleistung der Sicherheit zugesagt haben. "Nur muss es sich um eine Reise handeln, bei der er sich wie ein Mensch verhält, der sich auf dem Gebiet eines souveränen Landes befindet, und keine Reise, bei der er sich verhält, als ob er in einen anderen ungarischen Bezirk fahren würde", betonte er nur wenig später.

Nationalisten werden sich bedanken

Der Vorgang ist, ungeachtet der speziellen Umstände und Vorgeschichte, innerhalb der EU wohl einmalig. Ähnliches war Sólyom allerdings bereits im März, am anderen Nationalfeiertag der Ungarn, in Rumänien widerfahren (unser Bericht.) Für die ohnehin bilateralen Beziehungen bedeuten sie einen weiteren Rückschritt, die Nationalisten beider Länder können sich für kostenloses Wasser auf ihre Mühlen bedanken.

Siehe dazu unseren Beitrag: Präsident auf Abwegen - Ungarn provoziert einmal mehr die Slowakei als Vorgeschichte und Hintergrund dazu
 

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