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(c) Pester Lloyd / 14 - 2012     OSTEUROPA   06.04.2012

 

Unter der Oberfläche

Territorialkonflikt zwischen Rumänien und Bulgarien bricht wieder auf

Nach 20 Jahren Stillhaltens bricht ein alter Konflikt um 17 Quadratkilometer im Schwarzen Meer zwischen den beiden EU-Mitgliedern wieder auf, vermutet man in dem Gebiet doch reiche Erdöl- und Erdgasvorkommen. Bulgarien will nun offenbar Nägel mit Köpfen machen, was Rumänien dazu veranlasste, die Angelgenheit publik zu machen. Offiziell mühen sich beide Seietn um diplomatische Zurückhaltung, doch unter der Decke brodelt es.

Den Stein ins Rollen brachte der rumänische Außenminister Cristian Diaconescu, der in einem TV-Interview den Disput, der seit 1994 unter einem Deckmantel diplomatischen Schweigens verborgen gewesen war, an die Oberfläche brachte. Der rumänische Staatssekretär im Außenministerium Bogdan Aurescu bestätigte dem rumänischen Nachrichtenportal Agerpress gegenüber, dass diplomatische Verhandlungen bereits 1994 begonnen hätten. „Dies ist keine neue bilaterale Angelegenheit. Das einzig neue Element ist, dass es publik wurde.“, betonte er.

Ein langer Konflikt mit baldiger Lösung?

Vor zwei Jahren wurde bereits ein ähnlicher Streit um ein Gebiet im Schwarzen Meer zwischen der Ukraine und Rumänien zugunsten Rumäniens vom Internationalen Gerichtshof entschieden. Rumänien schlägt vor, dass der jetzige Streit nach der damaligen Methode, das heißt, dem Äquidistanzprinzip, gelöst werden solle. Dieses Prinzip, welches 1958 in der Genfer Seerechtskonventionen niedergeschrieben wurde, besagt, dass, wenn ein Festlandsockel an mehrere Staaten grenzt, die Grenzlinie in gleichem Abstand von beiden Küsten gezogen werden soll. Seit 1994 gab es bereits 14 Verhandlungsrunden zwischen Rumänien und Bulgarien, um den Streit beizulegen. Die Letzte scheiterte Ende 2011, die Nächste beginnt am 15. April.

Beide Seiten betonen offiziell ihren Willen zur partnerschaftlichen Lösung des Konfliktes. „Ich bin zuversichtlich, dass das Problem zum 15. April in einer vernünftigen europäischen Art und Weise gelöst wird.“, sagte Bulgariens Präsident Rosen Plevneliev. „Rumänien sucht offenbar eine schnelle Lösung“, fügte er hinzu. In einem TV-Interview hatte der rumänische Außenminister Cristian Diaconescu das Thema angesprochen. „Ich sehe keinen Grund, weshalb wir das Thema zwischen zwei europäischen Staaten mit vielen gemeinsamen Interessen nicht bald lösen sollten“, sagte dieser.

Geostrategische und ökonomische Interessen

Diese Lösungsversuche werden jedoch durch wirtschaftliche Interessen erschwert und durch die europäischen geostrategischen Interessen verkompliziert. Laut rumänischen Informationen versucht die bulgarische Seite nämlich Fakten zu schaffen. Im Oktober letzten Jahres hatte die Europäische Kommission der bulgarischen Regierung erlaubt, für eine Zone, zu der die umstrittenen 17 Quadratkilometer gehören, Öl- und Gasexplorationskonzessionen zu vergeben. Laut Medieninformationen befindet sich Bulgarien bereits in Verhandlungen mit dem Ölkonzern Exxon.

Das fragliche Areal hat eine geostrategische Bedeutung für die europäische Energiepolitik, denn es ist auch im Gebiet, durch welches die geplante Southstream-Pipeline verlaufen soll. Southstream *Abb. ist das russische Konkurrenz-Projekt zur Nabucco-Pipeline, mit der Europa seine Abhängigkeit vom russischen Gas verringern möchte. Darauf angesprochen, sagte Diaconescu , dass „energiepolitische und ökonomische Fragen nicht zu meinem Ressort gehören."

Ein Politikum in Bulgarien

In Bulgarien hatte der Disput schnell weite Kreise gezogen. Insbesondere für nationalistische Scharfmacher ist das Thema ein gefundenes Fressen. Ultranationalist Volen Siderov von der rechtsradikalen Partei Ataka forderte Präsident Borissov auf, EU-Sanktionen gegenüber Rumänien anzustrengen. Außenminister Mladenov verurteilte die öffentliche Diskussion als „nicht hilfreich und außerdem führen Spekulationen darüber, wo eine Linie gezogen werden soll, zu nichts”. Er fügte hinzu „je mehr das Thema öffentlich breitgetreten wird, umso weniger werden bulgarischen Interessen gefördert, denn unsere Verhandlungsposition wird geschwächt“.

 

Der Fall zeigt, wie wenig die bulgarische und rumänische Öffentlichkeit über das tatsächliche Regierungshandeln Bescheid weiß. Es bleibt fraglich, ob die Informationspolitik der Regierungen sich bessern wird. Der rumänische Vorstoß ist als strategisches „leaken“ zu werten, mit dem die bulgarische Seite ihrerseits unter Druck gesetzt werden soll. Es bleibt zu hoffen, dass die Publizität nicht eine Verhandlungslösung verhindert, weil Populisten die eigentlich technische Frage auf eine Ebene nationaler Selbstbehauptung zerren. Eine friedliche und völkerrechtlich saubere Lösung, die einen Interessensausgleich beinhalten müsste, würde die von vielen angezweifelte EU-Reife der beiden Länder bestätigen.

Philipp Karl

 

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