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(c) Pester Lloyd / 19 - 2012     POLITIK 08.05.2012

 

Große Worte

Neuer Präsident von Ungarn formuliert hehre Ziele

Am Mittwoch wird der fünfte Präsident der Dritten ungarischen Republik sein Amt offiziell übernehmen, János Áder. In einem Interview dieser Tage machte er eine überraschende Ankündigung: er will tatsächlich seinen Job als Präsident erledigen, indem er „Wächter und Garant der Rechtstaatlichkeit“ sein wird. Sehr hoch liegt die Messlatte freilich nicht, denn sein Vorgänger war nur ein karrieristischer Abnicker. Was wird mit Áder anders sein?

Die Worte klingen logisch und gut: „Ich möchte jederzeit voll und ganz die Rechte und Pflichten, die mir die Verfassung auferlegt im Blick haben und mir die Anmerkungen der Parlamentsparteien zu jedem konsens- bzw. koordinationsbedürftigem Thema anhören.“, sagte Áder in einem Interview mit der amtlichen Nachrichtenagentur MTI. Desweiteren plant er die „allgemeinen Standards im öffentlichen Leben“ zu verbessern, was seiner Auffassung nach allerdings nicht bedeuten soll, dass er „in die Arbeitsbereiche der Parteien, des Parlamentes oder der Regierung eingreifen wird“. Was es bedeuten soll, vertiefte er nicht.

János Áder, der Fidesz-Mann, diente Premier Orbán von der Gründung der Partei 1988 bis vor zwei Jahren als mehrfacher Vizeparteichef, Fraktionschef und Parlamentspräsident treu, bis er aufgrund parteiinterner und persönlicher Verstimmungen nach Europa "delegiert" wurde.

Seine angepeilte Arbeitsweise als Präsident beschreibt er so: „Wenn ich hundert makellose Gesetze vom Parlament erhalte, werde ich alle Hundert gegenzeichnen. Wenn ich jedoch hundert mangelhafte Gesetze erhalte, werde ich alle Hundert zurücksenden.“ Sein Vorgänger, Pál Schmitt, der wegen einer Betrugsaffäre seinen Posten räumen musste, hatte über 360 Gesetze ohne Bemängelung unterzeichnet, kein einziges wurde zurückgesandt oder auch nur einer verfassungsmäßigen Prüfung unterzogen.

Nicht wenige davon sind heute Fälle für das Verfassungsgericht, manche sogar für europäische Gerichte. Allen voran die besonders umstrittene Justizreform, bei der die EU den ausführlich begründeten Verdacht hegt, sie diene in erster Linie der politischen Gleichschaltung. Maßgeblicher Mitautor: János Áder. Auch das
neue Wahlrecht, das offen kleinere Parteien behindert und die Wahlkreise so umgestaltet, dass linksliberale Hochburgen gezielt zerschlagen werden, hat Áder als Mitautor.

Áders Amt als Präsident verlangt jedoch, die bisher selbst vehement vertretene Parteilinie mitunter zu durchkreuzen, um rechtsstaatliche Grundsätze und demokratische Mechanismen zu verteidigen. Das stellt sich schon die Frage, wie das einer tun kann, der genau diese Grundsätze zuvor systematisch mit unterminiert hat?

Dass Áder aufgrund rechtstaatlicher Bedenken oder demokratischer Bauchschmerzen Gesetze an seine Parteifreunde zurücksendet, ist also kaum zu erwarten, viel eher wird er sie auf "offene Flanken" hinweisen und dabei behilflich sein, neue Gesetze vor den gerichtlichen Kontrollinstanzen wasserfest zu machen. Dies wird dem Volk dann als "demokratisches Wächtertum" verkauft, zumal Áder viel besser als sein Vorgänger in der Lage ist, in ganzen, verständlichen Sätzen zu sprechen und tatsächlich etwas zur Sache zu sagen.

 

Hielte Orbán Áder zu Handlungen fähig, die seinem Machtstreben entgegenstehen, wäre er nicht Präsident geworden. Darüber sollte man sich keinen Illusionen hingeben. Áder kann das "Bild" vom Präsidenten nur besser verkaufen, weil er über Intelligenz verfügt.

Das aktuelle Statement Áders ist dabei klar, umso besser kann man seine Taten daran messen. Für viele mag die Frage, ob der neue Präsident Ungarns sich als ein solcher herausstellt oder wieder eine reine Marionette sein wird, schon beantwortet. Womöglich ist sie das durch die "Ernennung" durch Orbán ohnehin.

Sollte sich Áder in der täglichen Arbeit aber wenigstens als mildernder Puffer herausstellen, der den Demokratieabbau zumindest verlangsamt, hätte das Land schon ein wenig mehr von seinem Präsidenten als zuvor. Doch die Art seiner Nominierung und die völlige Kompromisslosigkeit der Akteure in der ungarischen Politik halten diese Hoffnung sehr klein.

red. / pk. / ms.
 

 

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