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(c) Pester Lloyd / 29 - 2012     GESELLSCHAFT 16.07.2012

 

Europas “Amazonas” in Gefahr

Der Biosphärenpark Mur-Drau-Donau zwischen Strangulierung und Vollendung
- ein Ortstermin in Kroatien

Seit Jahren kämpfen Naturschützer und Bürger für den Erhalt eines der letzten großflächigen Naturrefugien in Europa. Ihre Gegner sind gewissenlose Unternehmen und ihre politischen Seilschaften. Nun wurde der ungarisch-kroatische Teil des Biosphärenparks „Mur-Drau-Donau“ von der UNESCO anerkannt, ein wichtiger Etappensieg auf dem Weg in ein 5-Länder-Schutzgebiet. Wir haben uns im Herzstück, den Wetlands “Kopački rit”, umgeschaut. - MIT FOTOGALERIE

Blick über die Wetlands, die Überschwemmungs- und Feuchtgebiete des Kopački rit, dem riesigen Herzstück des 5-Länder-Biosphärenparks. Foto: WWF Österreich. Eine ausführliche Fotostrecke von unserer Reise finden Sie am Ende des Textes.

"Kroatien hat hier einen Schatz", sagt Arno Mohl, Projektleiter vom WWF-Österreich/CEE, bevor wir in die Kanus steigen, um in Begleitung der Parkranger einen kleinen Teil des "Amazonas von Europa" zu erkunden, dieses riesigen Überschwemmungs- und Feuchtgebietes namens Kopački rit, das sich links und rechts der hier weitgehend unregulierten Donau und damit von der serbischen Westvojvodina und vor allem der kroatischen Baranya über Dutzende Flußkilometer bis zum Zusammenflus mit der Drau erstreckt.

Es bietet neben viel pittoresken Ansichten, verschlungenen Seitenarmen und viel, viel Ruhe, der größten Population des Weißwschanzseeadlers in Europa wichtige Rückzugsorte, mehr als 100 Brutpaare konnte man zuletzt hier zählen. Man findet Kormorankolonien, den seltenen Eisvogel, den scheuen Schwarzstorch, verschiedene Reiherarten, die sonst fast verschwundene Zwergseeschwalbe nistet im Uferdickicht, ebenso wie der kunterbunte Bienenfresser, Wildkatzen schleichen duchs Gebüsch, Fischotter huschen durchs Wasser, Biber knabbern sich durch die Bäume. Hunderttausende Wasservögel rasten hier bei ihren Wanderungen. Die Fischbestände sind reich, auch hier gibt es seltene Arten, zum Beispiel den fast ausgestorbenen Donau- oder Glattstör.

Hunderte Kilometer unter Schutz: Die Mur von Österreich kommend, die Drau aus Slowenien, bis hin zum Zusammenfluss von Drava und Donau an der serbischen Grenze. Im Kreis das Gebiet von Kopacki rit, das wir besuchten. Abb: WWF Österreich.

"Niemand käme auf die Idee Dubrovnik zu zerstören..."

 

Diesen Schatz gilt es zu bewahren, denn "schließlich käme auch niemand in Kroatien auf die Idee, das Weltkulturerbe Dubrovnik zu zerstören. Es wäre ein Verbrechen." so Mohl zur Bedeutung der Region. Doch die Artenvielfalt und das sensible Ökosystem aus unregulierter Donau, weitflächigen Überschwemmungsbieten, die nicht nur Flora und Fauna ihre Habitate bieten, sondern auch wichtige Funktionen im Trink- und Hochwasserschutz der ganzen Region wahrnehmen, ist noch immer in realer Gefahr. Mohl, Spezialist für Binnengewässer, beackert mit seinen Mitstreitern von den WWF-Büros in der Region und Naturschützern verschiedenster Organisationen aus den fünf Ländern schon seit den Neunziger Jahren Regierungen, Behörden, Unternehmen, um sie von der wirtschaftlichen Sinnlosigkeit weiterer Regulierungsmaßnahmen und dem Gefährdungspotenzial von Uferbegradigungen und Kraftwerksbauten zu überzeugen.

Erreichen die Naturschützer ihr Ziel, dann wird mit 700 Kilometern Länge und einer Fläche von 800.000 Hektar Europas größtes Flussschutzgebiet entstehen, an dem fünf Länder teilhaben. Der kroatisch-ungarische Teil ist mit 630.000 Hektar der weitaus größte. In Summe werden 240.000 Hektar als Kern- und Pufferzone ausgewiesen, in der einzig die Natur schalten und walten soll, 390.000 Hektar werden als Übergangszone tituliert, in denen nachhaltige Landwirtschaft, sanfter Tourismus, traditionelles Handwerk ihren Platz erhalten oder wiederbekommen sollen. Denn der "Amazonas Europas" ist kein Urwald. Das hiesige Gebiet ist aus Regulierungen aus dem 18. Jahrhundert hervorgegangen, bei der Menschen Land nutzbar und Schiffahrt möglich machten, er ist also Teil unserer Kulturlandschaft und Teil unseres Erbes.

Naturschutzaktivisten in Aktion: WWF-Projektleiter Arno Mohl (2.v.l.), Naturschützer vor Ort und Parkranger Tibor Mikuska (4.v.l.)

Dubiose Strukturen konstruieren millionenschwere Aufträge

Tibor Mikuska von der regionalen kroatischen Naturschutzorganisation redet sich in Rage. Er stammt aus der Region, ist mit der Natur hier aufgewachsen und einer der besten Kenner der Materie. Er ist selbst eine Art multinationales Biosphärenprojekt, die personifizierte Grenzüberschreitung. Er stammt aus Serbien, der Vojvodina, fühlt sich als Ungar und kämpft in Kroatien sein ganzes Leben für die Erhaltung seiner Heimat. Er berichtet klipp und klar über die Interessenslage, die einem bekannt vorkommt: die ehemals staatlichen Wasserbaubetriebe wurden privatisiert, die Seilschaften zur Politik blieben bestehen.

Diese Unternehmen behaupten nun seit Jahren einen enormen Regulierungsbedarf der Donau, einschließlich umfangreicher Uferbefestigungen und Aushübe des Flußbetts. Die dazu konstruierten staatlichen Ausschreibungen schanzt man sich gegenseitig zu. Tibor nennt das einfach "Strangulierung" der Donau und rechnet vor, dass die Donauschiffahrt keine Regulierung braucht, sie ist hier nur ein marginaler Faktor. Wie zur Illustration schieben sich hinter Tibor ein Frachtschiff und eine Arosa-Rentnerschaukel träge durchs Bild. Die schaffen das also auch ohne zusätzliche Regulierungen. "Das sind auch fast die einzigen Schiffe, die hier täglich durchfahren", ergänzt Tibor.

Die ministeriell eingereichten Pläne der Wasserbauer sehen Begradigungen und Befestigungen im Wert von etlichen Millionen Euro vor, an 53 Stellen. Teilweise schaffen sie auch schon Fakten, wie vereinzelte Steinwälle am Ufer zeigen, auch immer wieder aufkeimende Wasserkraftwerkspläne sind ein Problem und illegale Sand- und Kiesbaggerungen. Ein zermürbendes Katz-und-Maus-Spiel zwischen Wasserbau und Parkschutz hat sich entwickelt. Letzterer nervt die Behörden mit einem peinlich genauen Monitoring, niemand soll sich unbeobachtet fühlen im unübersichtlichen Schutzgebiet.

Die Einheimischen als natürliche Verbündete der Naturschützer

Auch die Einheimischen werden mehr und mehr zu Verbündeten der Naturschützer, eigentlich waren sie das von Anfang an. Denn durch das Absinken des Grundwasserspiegels und die Unkalkulierbarkeit kommender Hochwasser, die dann keine Ausweichflächen mehr hätten, wären sie die direkten Leidtragenden. Zum anderen aber auch, weil ihnen ein intaktes Naturschutzgebiet sanften Dorftourismus bescheren kann und damit Einnahmen durch Restauration, Führungen, Pensionen. Viele Arbeitsplätze gibt es hier sonst nicht, die meisten pendeln in die nächsten Städte, nach Osijek, Apatin oder Vukovar, viele Junge ziehen ganz weg.

Noch ist nichts gewonnen: der Ball liegt bei Kroatien

Gewonnen ist noch nichts, das haben die engagierten Leute in den Jahren gelernt, zu gleichmütig ist oft die Politik, zu dubios das Geflecht aus Entscheidungsträgern und Profiteuren. Der Fall hängt noch immer zwischen dem Minsiterium für Handel und Wasserwirtschaft und dem Ministerium für Umweltschutz in Kroatien. Dort wechselte gerade der Minister, stellen die kroatischen Naturschützer bedauernd fest, denn die Vorgängerin war auf ihrer Seite.

Zermürbend scheint, dass es Jahre, schon mehr als ein Jahrzehnt braucht, bis jemand einmal eine verbindliche und dauerhafte Entscheidung trifft. Das könnte sich jetzt ändern, die EU hat dem Bald-Mitglied Kroatien schon klar gemacht, was es von den Regulierungsplänen hält, doch auch Brüsseler Mühlen mahlen eben langsam. Nun, noch im Sommer, soll eine Entscheidung der kroatischen Regierung folgen, die klar zum Ausdruck bringt, dass die Regulierungspläne vom Tisch sind.

Mit der Anerkennung des Gebietes durch die UNESCO in der vorigen Wochen haben die emsigen Naturschützer von Wien bis Osjiek dafür ein weiteres Druckmittel in die Hand bekommen, das nicht zu unterschätzen ist. Denn nichts hassen windige Geschäftsleute mehr als öffentliche Aufmerksamkeit, die nicht nur ihr profitgieres Treiben an den Tag bringt, sondern sie auch noch als Umeltschänder und Heimatzerstörer brandmarken kann.

Sieg der Vernunft?

Auch in den anderen Ländern stehen die Zeichen für das 5-Länder-Projekt recht gut. Im März 2011 wurden in Ungarn die Weichen für die Erweiterung gestellt. Die Umwelt- und Naturschutzminister von Österreich, Kroatien, Serbien, Slowenien und Ungarn unterzeichneten damals das Gründungsabkommen. Serbien möchte noch im September 2012 seine Zone bei der UNESCO einreichen. Österreich und Slowenien planen dies für September 2013. Ist das geschafft, geht es noch um die Organisation einer gemeinsamen Verwaltung, Schutzkriterien, Verantwortungsbereiche.

 

Mögen sich am Ende auch die Politiker damit schmücken, - und man kann sicher sein, sie werden es - ist dieses Projekt in erster Linie ein Erfolg der Zivilgesellschaft, ein signalgebender Sieg der Vernunft, errungen von Bürgern über "Bürokraten", der beweist, dass länderübergreifende Kooperationen auch auf Gebieten möglich sind, die nicht nur auf vordergründigen wirtschaftlichen Erfolg ausgerichtet sind. Der hier gemachte Gewinn lässt sich nicht einfach in barer Münze beziffern, ist aber im dichtbesiedelten, oft zersiedelten Europa aber kaum hoch genug einzuschätzen: die Sicherung unserer natürlichen Lebensgrundlagen und der Nachweis, dass eine Koexistenz von Zivilisation und Natur möglich ist.

Weiterführende Links:

Informationen und Fotos zum "Amazonas von Europa" (WWF)
Petition an den zuständigen kroatischen Minister gegen die "Strangulierung" der Donau (WWF)
Naturpark Kopački rit (auch mit Infos zu Übernachtungsmöglichkeiten in der Region)
Ökozentrum Zlatna Greda

ms.

Unterwegs auf “Europas Amazonas” - Fotobericht

Fotos: Pester Lloyd (c)

Unsere Reise startet auf der kroatischen Seite des Dreiländerecks Kroatien-Ungarn-Serbien, am Örtchen Batina. Naturschützer Tibor Mikuska, der hier jeden Stein, jede Schwalbe persönlich kennt, gibt einen Überblick über das Gebiet.

Ein weiter Blick in die Landschaft aus der kroatischen Baranya in Richtung Ungarn,
rechts davon liegt Serbien.

Doch bevor es in die bedrohte Natur geht, stoßen wir, welch passender Einstieg, auf Zeugen menschlicher Zerstörungskraft gegen sich selbst. Bei Batina tobten im Zweiten Weltkrieg heftige Schlachten zwischen der deutschen Wehrmacht und vorrückenden jugoslawischen Partisaneneinheiten, die ihre Heimat befreien wollten.

Die Rote Armee kam den bedrängten Tito-Partisanen zu Hilfe und entschied die opferreiche Schlacht, Abertausende starben hier, ein großes Denkmal erinnert daran.

Tourismus in der Gegend ist möglich, aber man sollte gut vorbereitet sein, denn der Erschließungsgrad ist noch sehr gering, was vielleicht sogar besser so ist. Hier ein Kleinod aus privater Inititaive, die Pension “Ivica und Marica” in Karanac, Urlaub auf dem Bauernhof mit gehobenem Standard und einer fröhlichen Wirtin.

Im “Ethnodorf” Karanac gibt es Einblicke ins für die Region typische bäuerliche Leben...

... wie hier im Schau-Gehöft der Familie Sklepic, das - das Seeadlerlogo zeigt es - Teil des Gesamtkonzeptes rund um Kopacki rit ist. Konservierte (nicht zu Tode restaurierte) Wohn- und Arbeitsräume sind zu besichtigen, ein launiger Museumsführer doziert vom Gaul herunter und der Besucher wird mit einem hochprozentigen Rachenputzer überrascht...

...pittoreske Fotomotive inklusive...

Auch traditionelle (bis touristisch aufgestylte) Wirtshäuser findet man in der Gegend zwischen Karanac, dem Weindorf Zmajevac mit deftiger Kost und Weinen von sehr unterschiedlicher Güte sowie die diversesten Slivovitze. Die Kapelle musste erst überredet werden, einheimische Weisen erklingen zu lassen, denn auch hier ist man überzeugt, dass der Ausländer immer O sole mio oder Wiener Operette hören muss.

Genug gefeiert, ab in die Natur. Wir pirschen uns durch Überschwemmungsgebiet, die Regenfälle Mitte Juni haben einen ziemlich hohen Wasserstand gebracht. Fische brauchen diese, zum geschützten laichen, ebenso Insekten, auf die wiederum die Vögel bauen...

Unsere Begleiter, WWF-Aktivisten, Journalisten-Kollegen aus acht Ländern und Parkranger weisen uns zur Kanufahrt ein.

Los geht die Tour auf der Donau. Rund 15 Kilometer, später gefühlte 50 km liegen vor uns. Wäre der Wasserstand hier nicht so hoch, sähe man die weißen Sandbänke, für die die Gegend hier bekannt ist. Kanutouren sind hier - geführt und in begrenztem Umfang - möglich und werden vom lokalen Ökozentrum organisiert. Hier über das Ökozentrum Zlatna Greda.

Die unbefestigten Ufer sind nicht nur schön anzusehen sondern erfüllen viele Aufgaben. Zum einen lassen sie das Hochwasser überfließen, was andere Regionen schützt. Umgefallene Bäume dienen als Aussicht für fischjagende Wasservögel, im Wasser treibende Pflanzen als Laichplätze und Verstecke, in Abbruchkanten bauen Eisvögel ihre Nisthöhlen. Eine Regulierung und Uferbefestigung würde all das zu Nichte machen.

Ruhe und Besinnlichkeit fürs Auge. Hier in einem Seitenarm der Donau. Die Geräusche verraten mitunter die ungewohnte Artenvielfalt, ansonsten gewährt der enge Bewuchs nur selten tiefere Einblicke ins Gebüsch...

Die meisten Bereiche sind für Besucher gänzlich gesperrt. Hier der Beginn des Überflutungs- und Feuchtgebietes, das nahezu sich selbst überlassen ist.

Woanders warnt man vor Känguruhs oder Rehen, hier vor Fröschen. Man beachte die detailreiche Panik, die der Zeichner dem Frosch angediehen ließ...

Wem das Kanu zu beschwerlich ist, kann es auch mit dem Elektroboot versuchen. Von Kopacevo, an der Südwestgrenze des Gebietes, werden solche Touren angeboten.

Auch hier vor allem Idylle, die ihre lebendigen Bewohner gut verbirgt. Wer spektakuläre Sichtungen, gar Action braucht, ist in dieser Gegend falsch. Man sieht ab und an Seeadler am Himmel kreisen, Kormorane, hier und da vielleicht einen Eisvogel vom Wasser aus, Schlangen im Wasser, ab und an einen Fisch, Störche, Kraniche. Ansonsten gehört sich die Natur hier selbst.

In den Bäumen die Kormorankolonie, einige Hundert Exemplare gibt es hier.

Kopacevo, direkt an den Wetlands gelegen. Eine Kirche, ein Denkmal, ein Supermarkt und ein Restaurant mit der für diese Region typischen Fischsuppe. Unser Test im Restaurant “Zelena Zaba” ergab ein recht genießbares, wenn auch etwas eindimensionales Ergebnis, mit den komplexen Halpaprikás aus der Szeged oder Baja konnte sie kaum mithalten.

Kroatisch-Ungarisches Straßenschild

Tourismuswerbung der deftigen Sorte

Eine “Straße” weiter, hat wieder die Natur das Sagen. Der Ranger schützt ihre Rechte.

Fotos: Pester Lloyd (c)

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