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(c) Pester Lloyd / 33 - 2012     POLITIK 13.08.2012

 

Die Sonntagssoldaten

Neuseeland wirft Ungarn "Feigheit vor dem Feind" in Afghanistan vor

Die ungarische Regierung zeigt sich verärgert über den Vorwurf des Regierungschefs von Neuseelannd, John Key, die ungarischen Truppen in Afghanistan trauen sich "in der Nacht nicht aus ihrem Lager" und hätten durch ihren mangelnden Einsatz gegen die Taliban den Tod zweier neuseeländischer Soldaten mitverschuldet. Es ist nicht das erste Mal, dass die Truppe im "Camp Pannonia" in Baghlan und deren Mission als "nutzlos" und "belastend" für das Bündnis eingeschätzt wird.

Ungarische Afghanistan-Soldaten zurück in der Heimat. Lebend und lächelnd.
Das sind die Bilder, die der Minister sehen will.

"Möglich, dass sie in Budapest nachts ausgehen, in Afghanistan tun sie es jedenfalls nicht...", sagte der sichtlich aufgewühlte Premier, nachdem in nächtlichen Kämpfen mit Taliban zwei seiner Soldaten getötet und sechs weitere verletzt worden waren. Die feindlichen Kämpfer seien in "das durch neuseeländische Truppen gesicherte Gebiet von der benachbarten Provinz Baghlan eingedrungen, dort wo das ungarische `Wiederaufbauteam` stationiert ist." Generell habe die "Zurückgezogenheit der Ungarn" zu einer "erhöhten Unsicherheit" in dem Gebiet geführt, so der Vorwurf aus Neuseeland.

Bilder, die sich in keinem Krieg vermeiden lassen:
Abschied für einen gefallenen ungarischen Soldaten im deutschen Lager

Umgehend wies der ungarische Verteidigungsminister den Vorwurf der "Feigheit vor dem Feind" zurück. Es sei nicht "die Aufgabe der ungarischen Truppen, feindliche Talibannester auszuheben, das ist der Job der amerikanischen, der deutschen und der afghanischen Kampftruppen", so Minister Csaba Hende in einer Aussendung. Die ungarischen Einheiten würden "ihre Mission auf hohem Niveau absolvieren" und alle "geforderten Standards" erfüllen. Man sei vor Ort, um Hilfsprojekte zu leiten und zu koordinieren und kümmere sich um Bildung, Gesundheitswesen, Landwirtschaft und Infrastruktur.

Außerdem habe sich seine Truppe gerade besonders ausgezeichnet, da man erfolgreich eine Sprengfalle an einem Tanklastwagen entschärfen konnte, die "sonst über 1.500 Leben gefährdet" hätte. In der dazugehörigen Mitteilungen des Ministeriums vom 9. und 16. Juli ließ man uns zwar die toll ausgerüsteten Minenentschärfer mit einem Roboter sehen, nicht jedoch den benannten Truck, geschweige denn die Sprengfalle. Angeblich soll der Tanklastzug auf der Hauptverbindungsstraße, rund 2,5 Kilometer vom ungarischen Lager, dem "Damp Pannonia" gestanden haben. Wie der Minister auf die atemberaubende Zahl potentieller Anschlagsopfer kommt, bleibt ebenfalls sein Geheimnis.

Der Kommandeur des ungarischen “Wideraufbauteams” bei einer Schuleröffnung. Die Bündnispartner bezweifeln, dass der Aufwand, der für die “Aufbauhelfer” betrieben werden muss, in einer gesunden Relation zu den Ergebnissen steht. Budapest sieht das - offiziell - ganz anders.

Die Verärgerung der Neuseeländer über die Ungarn ist nicht neu. Bereits vor einiger Zeit enthüllte Wiki Leaks Dokumente, aus denen hervorging, dass auch die US-Seite den ungarischen Einsatz als fragwürdig erachtet und die Neuseeländer praktisch als Leibwächter der Ungarn "missbraucht" würden. Karl Eikenberry, ehemaliger Generalleutnant der US-Armee und dann US-Botschafter in Kabul, schrieb in einem Bericht von 2010, dass "das ungarische `Regionale Wiederaufbau Team (PRT)` wenig im Kampf gegen die eskalierende Gewalt, die Drogeprobleme und die Machtkämpfe" in der nördlichen Provinz Baghlan unternommen habe."

Im Gegenteil, so der General, "die benachbarten neuseeländischen Truppen aus der Provinz Bamyan mussten regelmäßig anrücken, um den hilflosen Ungarn in heiklen Situationen beizustehen", so Eikenberry weiter, der auch bedauert, dass das ungarische Kommando kaum etwas tun kann, um diese Situation zu ändern. "Den Soldaten ist es nicht erlaubt ihre Waffen zu benutzen, es sei denn in Notwehr, daher können sie nicht viel mehr tun als durch die Straßen zu patroullieren." (...) Der US-Botschafter kritisert auch, dass Ungarn keine weiteren Minen-Entschärfer sandte als "zwei ihrer Entschärfer ums Leben gekommen waren."

Ein Bombenroboter im Einsatz vor Ort. Die Bombe dazu zeigt
uns das Verteidigungsministerium aber nicht...

Die Amerikaner kamen zu dem Schluss, dass die derzeit 360 stationierten Soldaten der Ungarn eher eine zusätzliche Belastung für das Bündnis seien als eine Hilfe. Der in der bewerteten Zeit zuständige Verteidigungsminister Imre Szekeres von der MSZP zeigte sich empört von der Einschätzung der Amerikaner und nannte diese so, wie seit jeher jeder ausländische Kritik an Ungarn benannt wird: "böswillig und unbegründet". Er verteidigte die Truppe: "die ungarischen Soldaten haben ihren Auftrag erfüllt." Es sei überhaupt nicht die Aufgabe der Ungarn, in Kampfeinsätze zu ziehen. Der US-Botschafter schätzte die Aufgabe der PRT völlig falsch ein. Die US-Botschafterin in Budapest, Eleni Tsakopoulos Kounalakis, lobte, um Schadensbegrenzung bemüht, die Rolle der Ungarn in Afghanistan als "essentiell", "um langfristige Sicherheit" herstellen zu können. Die ungarischen Soldaten seien "gut trainiert und tapfer", so die Diplomatin.

Allein in den letzten zwei Jahren hatte das ungarische Kontingent fünf Todesfälle durch Feindeinwirkung zu beklagen. Zwei Spezialisten starben beim Entschärfen von Minen, zwei bei einem Angriff auf eine Patrouille mit einer Panzerfaust, ein weiterer wurde aus dem Hinterhalt erschossen. Das Verteidigungsministerium entsandte danach noch 200 weitere Soldaten und stockte die Truppe so auf rund 500 Mann (offiziell sind es weniger), das Budget um 50 Mio. EUR auf. Damit kam man noch einer Zusage der Bajnai-Regierung an die Bündnispartner nach.

Auch das Fidesz-geführte Verteidigungsministerium bekannte sich stets zum Einsatz und zur "Bündnistreue" und lobt mit aufwendig bebilderten Jubelmeldungen die Erfolge der Mission. Das innere wie äußere Prestige war den beteiligten Regierungen, ob links oder rechts, immer wichtiger als der tatsächliche Sinn des Einsatzes und gar die Risiken für die Truppe. Spätestens seit dem Angriff mit der Panzerfaust wäre ein Rückzug geobten und für das Bündnis kein Verlust gewesen. Doch das Ministerium setzt sich zynisch darüber hinweg: Trotz der Todesfälle hätte "nie auch nur ein einziger Soldat das Bedürfnis geäußert, die Mission vorzeitig zu verlassen", behauptete der Minister. Man werde das Mandat bis zum Ende, also bis 2014 "ausfüllen", gleiches gilt auch für die Einsätze in Bosnien und im Kosvo.

cs.sz.

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