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(c) Pester Lloyd / 36 - 2012   WIRTSCHAFT 07.09.2012

 

Air Illusion

Und morgen die ganze Welt: Träume von einer neuen nationale Airline für Ungarn

Ein Viertel weniger Abflüge vom Airport Budapest, doch alle Passagiere kommen an ihr Ziel. Die Konkurrenz hat die Lücke durch die Malév-Pleite längst absorbiert, der Flughafen selbst schrumpft sich, so gut es geht, gesund. Dennoch planen einige "Nostalgiker" mit sehr hiesigen Interessen eine neue "weltweit agierende nationale, ungarischen Fluglinie" und haben angeblich schon Investoren dafür. Ihre Pläne sind nichts weniger als hochfliegend...

Die “neue” Malév: Realisierbar oder doch eher ein Ballon für verspielte Kindsköpfe?

Viel weniger Flüge, aber nur etwas weniger Passagiere

Im Jahresvergleich fiel die Zahl der Flüge am Budapest Liszt Ferenc Flughafen im zweiten Quartal um weitere 24%, gleichzeitig ging die Zahl der Passagiere um 3,5% zurück, meldet das Zentrale Statistikamt (KSH). Schon im ersten Quartal musste der Airport Budapest ein Fünftel weniger Flüge im Vergleich zum Vorjahresquartal hinnehmen, die Passagierzahl ging um 5% zurück. Der Hauptgrund für diese Entwicklung ist natürlich die Insolvenz und Betriebseinstellung der Malév Anfang Februar.

Die Zahlen zeigen auch, dass die Konkurrenz, also z.B. Ryanair, Wizz Air und andere, den Flugbedarf weitgehend absorbiert haben und zusätzlich noch von einer höheren Auslastung ihrer Flüge profitieren. Die Billigairlines haben ihren Marktanteil in Budapest von 26 auf 53% verdoppeln können. Insgesamt meldete der Tower in Budapest im ersten Quartal 19.710 An- und Abflüge vom Liszt-Airport, im zweiten nur noch 16.702, im Vorjahr waren es noch 25.700.

In der Folge des Malév-Konkurses hat der zuständige Bezirk die Grundstückspacht für den Airport auf 2,25 Milliarden Fortint verdreifacht, was, zusammen mit den immensen Geschäftseinbrüchen durch den Wegfall der Malév zu erheblichen ökonomischen Auswirkungen beim Airportbetreiber, einem Konsortium unter Führung der Hochtief, geführt hat. Rund 300 Mitarbeiter wurden entlassen, geplante Investitionen in Höhe von 10 Milliarden Forint eingefroren und der historische Terminal 1 wurde gänzlich geschlossen.

Erste Flüge schon ab März 2013?

 

Soweit die Realität. Trotz dieses Umfeldes und des weitgehend wieder aufgeteilten Marktes, sehen national gesinnte Nostalgiker mit einer gewissen Nähe zur Regierung immer noch die Chance auf eine Wiedererstehung einer "weltweit operierenden ungarischen, nationalen Airline". Der Initiator einer entsprechenden "Bürgerinitiative für eine ungarische Fluggesellschaft", Péter Lévai, sieht die "Ungarische Weltairline" (MLV) bzw. "Hungarian World Airways" (HWA) schon sehr nah vor sich und sagte auf einer Pressekonferenz am Dienstag, dass die "Gespräche mit asiatischen, arabischen und europäischen Investitoren „sehr erfolgreich verlaufen” seien und man möglicherweise "schon im März 2013" die ersten Passagiere bei der "Internationalen Ungarischen Fluglinie" begrüßen könnte. Noch in diesem September soll die Gesellschaft gegründet werden.

Bis Dezember hofft Lévai das notwendige Startkapital für das Projekt von ca. 800 Mio. US-Dollar (rund 640 Mio. EUR) zusammen zu bekommen, in Form von Beteiligungen und Krediten sowie staatlichen Zuschüssen. Man wolle sich auf neue Zielmärkte im asiatischen und afrikanischen Raum konzentrieren, mit Rücksicht auch auf das dichte Billigflugangebot im europäischen Netz. Dort will man sich gleichzeitig auch nach günstigen Wartungs- und Reparaturmöglichkeiten umsehen. Auch in den USA und in Asien sei man bereits im Gespräch mit Partnerairlines und gründe dort eigene Gesellschaften, denn: Ungarn werde nicht der Hauptmarkt der neuen Fluglinie sein, nur rund ein Drittel der Flügel sollen über Budapest abgewickelt werden, hauptsächlich "Fernverbindungen, auf denen es an ausreichenden Kapazitäten mangelt", seien das Ziel, sagt Lévai, so als seien sämtliche Premium-Fluglinien geradezu blind.

Premier Orbán träumte schon am Tag der Pleite der alten von einer neuen nationalen Airline...

Wo sollen 10 Millionen Passagiere herkommen?

Die Zielvorgaben der "ambitionierten" Flugfans rund um Lévai: 10 Millionen Passagiere, 60 Flüge pro Tag auf vier Kontinente, 9 Milliarden (!) Dollar Jahresumsatz und ab dem dritten Jahr könne man schon mit Profiten "von bis zu 260 Mio. Dollar" rechnen, das wäre eine Rendite auf den Kapitaleinsatz von fast 40%, das muss den Ungarn erstmal einer nachrechnen! - Aber es geht noch weiter: 2.500 Mitarbeiter würden am Standort Budapest benötigt, weltweit sogar 5.000, bis zu 90.000 Arbeitsplätze könnten bei Zulieferern, Dienstleistern und in der Peripherie entstehen. Die Gründer berufen sich bei ihren Zahlen auf einen Business-Plan, den "Malév-Experten" vor der Pleite als Befreiungsschlag kreiert hätten, zu dem es aber aus bekannten Gründen nicht mehr kam.

Experten schütteln nur den Kopf

Schon am Tag der Malév-Insolvenz
hatte Premier Orbán von seinem "Traum" berichtet, dass "eines nicht so fernen Tages" wieder eine "ungarische Airline" am Himmel zu sehen sein wird. Fast alle seriösen Experten halten das Projekt für nicht wirtschaftlich umsetzbar, wenn sich die ungarische Regierung an die Wettbewerbsregeln halte. Lévai machte selbstredend keine Angaben darüber, ob und welche Gespräche es mit der Regierungsseite gegeben habe, inwiefern man sich aus der Malév-Konkursmasse bedienen wolle und könne und welche sonstigen "Benefits" eine neue ungarische Airline vom Staat erwarten darf.

Schon allein die anvisierte Passagierzahl wird von Branchenkennern als schlicht "nicht vorhanden" abgetan, die Profitziele seien "illusorisch", der ganze Plan "naiv". Man empfiehlt den Enthusiasten einen Blick auf die Geschichte der Malév in den vergangenen acht Jahren von der missglückten Privatisierung, über die Abenteuer eines russischen Oligarchen bis zur Rücknahme durch den Staat, mit dem die Probleme erst richtig forciert wurden. Dieser Blick zurück sollte eigentlich alle Illusionen heilen, doch wäre dies nicht das erste ökonomische Projekt, das die Orbán-Regierung gegen alle Normen wirtschaftliche Vernunft durchpeitscht.

Bonus für östliche Partner?

 

Die Motivation hinter den Wahnsinnsplänen muss nicht unbedingt nur in der vordergründigen Prestigesucht des Premiers gesucht werden. Vielmehr eignet sich ein Staatsbetrieb oder ein vom Staat gefördertes oder auch nur protegiertes Konsortium ganz hervorragend für die Umleitung von Budgetmitteln in private Kanäle aller Art. Allein schon deshalb dürfte die Lobby für ein solches Projekt auch im Bereich des öffentlichen Dienstes und erst Recht des Parteiapparates nicht gering sein, denn immerhin sind viele beim Fidesz der Meinung, bei den Privatisierungen in den 90ern durchaus zu kurz gekommen zu sein, was sich nun ausgleichen ließe.

Auch böte es sich gerade zu an, im Zuge der "Ostöffnung" einem "strategischen Partner" aus Asien oder Nahost die EU-Start- und Landelizenzen samt günstiger Bedingungen am Airport Budapest als Gegenleistung für weitergehende Tauschgeschäfte im Energiesektor oder Schuldendienst anzudienen. So muss man in Zukunft nicht unbedingt wieder lagernde Strafgefangene aus den Partnerländern als Faustpfand zurückgreifen.

red. / cs.sz. / mb. / eg.

 

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