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(c) Pester Lloyd / 07 - 2013   NACHRICHTEN 15.02.2013

 

Parlamentsgarde in Ungarn spielt sich als Polizei gegen Demonstranten auf

Die neu installierte Parlamentsgarde sieht sich mit Vorwürfen der Kompetenzüberschreitung und Amtsanmaßung konfrontiert. Mitglieder der 400-Mann starken Truppe, unter Befehlsgewalt des Parlamentspräsidenten, die eigentlich nur im Inneren des Hohen Hauses für Ordnung und militant-folkloristisches Ambiente sorgen soll, hat ihre Kompetenzen auf hoheitliche Polizeiaufgaben ausgeweitet und auf dem Kossuth Platz vor dem Parlament bei Demonstranten der Aktivisten von Milla Personenkontrollen durchgeführt, Platzverweise ausgesprochen, Strafgelder verhängt und Protestbanner entfernt.

Parlamentspräsident Kászló Kövér gelobt die Mitglieder der Parlamentsgarde an. Kritiker fürchten,
er könnte sie eines Tages als Privatarmee für Parteizwecke missbrauchen.

Die Aktivisten der Milla (Eine Million für die Pressefreiheit) erstatteten Anzeige, auf Nachfrage haben die Vorgesetzten der betroffenen Gardisten zuerst jede rechtswidrige Aktion geleugnet, später dann eingeräumt, sie hätten nichts von den Eigenmächtigkeiten ihrer Untergebenen gewusst, was zusätzlich die Frage nach einer Vernachlässigung der Aufsichtspflicht aufwirft. Nun wurden disziplinarische Maßnahmen angekündigt und auch die Staatsanwaltschaft will ermitteln. Allerdings wurden auch die Milla sowie ihr Gegenpart, die regierungstreue "Friedensmarschbewegung", mit Bußgeldern belegt, weil sie den Platz ohne vorige Anmeldung mit Transparenten "geschmückt" hatten. Die Pro-Regierungsorganisation zahlte bereits pflichtbewußt, meldet uns das ebenso regierungstreue Blatt "Magyar Nemzet".

 

Die kürzlich installierte Parlamentsgarde wird hinfort zu einem Verfassungsorgan aufgenommen. Sie untersteht dann laut Grundgesetz direkt dem Parlamentspräsidenten und soll - bewaffnet - die Sicherheit der Funktionsfähigkeit des Parlamentes und den Schutz der dort ausgestellten Kroninsignien des Königreichs Ungarn gewährleisten. Die Hausordnung gibt dem Parlamentspräsidenten auch das Recht, wegen Fehlverhaltens von der Sitzung ausgeschlossene Abgeordnete durch die Garde "entfernen" zu lassen. Die Opposition kritisiert die Anzahl und Bewaffnung der Gardisten als für die eigentlich eher repräsentativen Aufgaben überdimensioniert und fürchtet, dass sie im Falle von sich zuspitzenden politischen Spannungen als Privatarmee gegen den Parlamentarismus eingesetzt werden könnten. Die Regierungsseite weist dies weit von sich, im Gegenteil, sie diene ja gerade dem Schutz des parlamentarischen Systems.

 

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