Ost-West-Drehscheibe
Pester Lloyd Stellenmarkt

Das Archiv ab 1854

 

Hauptmenü

 

 

 

 

(c) Pester Lloyd / 07 - 2013   NACHRICHTEN 12.02.2013

 

Staatssekretärin für Bildung in Ungarn wurde degradiert

Die für Bildung zuständige Staatssekretärin im "Ministerium für Humanressourcen", Rózsa Hoffmann, wurde von Minister Zoltán Balog von ihren Zuständigkeiten bezüglich der Hochschulpolitik entbunden. Ihr wird es nun überlassen, ob sie die restlichen Agenden der Pflichtschulen weiter betreuen oder ganz zurücktreten will. Nach internen Quellen aus dem Ministerium stieß man sich nicht so sehr an den Inhalten ihrer Politik, viel mehr an der schlechten Kommunikation ihres Quasi-Ministeriums. Ob für die Hochschulbildung nun ein eigener neuer Staatssekretär ernannt werden wird, der aktuelle Stellvertreter einspringt oder das Ressort direkt dem Minister unterstellt wird, blieb zunächst unklar. Im Gespräch war auch die Variante, einen Uni-Rektor mit dem Amt zu betreuen.

UPDATE, 20.00 Uhr: István Klinghammer, ein ehemaliger Rektor der ELTE-Universität wird zum Staatssekretär für die Hochschulbildung ernannt werden. Er führte sich gleich “standesgemäß” ein und nannte die Studienverträge mit Bleibezwang für Studenten “eine moralische Frage” und hält sie für gerechtfertigt. Die ELTE ist seit gestern durch eine Gruppe von HaHa-Aktivisten teilbesetzt.

 

Minister Balog, selbst noch nicht so lange im Amt, hatte sich in die Thematik der Hochschulreform erst spät eingeschaltet, nachdem er zu Beginn der Studentenproteste schwieg, aber sehen musste, dass Hoffmann zu keinerlei Gesprächsaufbau mit den Protestierern in der Lage bzw. willens war, leitete er später doch selbst die Verhandlungen mit den Studentenvertretern und auch den Runden Tisch. Allerdings obliegt ihm in seinem Superministerium bereits die Aufsicht über die Kultur, Soziales, Religion, Frauen und Familie. Das Ressort soziale Integration (Romapolitik) leitet er zusätzlich.

Rózsa Hoffmann, die zur christlich-fundamentalistischen Anhängselpartei des Fidesz, KDNP, gehört, entwickelte sich immer mehr zur Hassfigur der Studierendenvertreter, aber auch der Lehrer und Stand am Ende als Symbol offener Bildungsfeindlichkeit und gesellschaftlicher Ignoranz da. Die Demonstrationen bekamen nicht umsonst den Beinamen "Winterrosenrevolution". Ihre kompromisslose, abschätzige Art, mit der sie eine ständisch-reaktionäre Vision von höherer Bildung umsetzte und kommunizierte, ohne die Betroffenen je wirklich zu konsultieren, blieb nicht einmal in den eigenen, sonst gegen alles "Liberale" eng geschlossenen Reihen unumstritten. Mit dem Bildungssprecher des Fidesz, Zoltán Pokorni zerstritt sie sich derart, dass erst Premier Orbán ein Machtwort sprechen musste, der Hoffmann aber gerade wegen ihrer Kompromisslosigkeit schätzte und hielt.

Zwar bedeutet die Degradierung von Hoffmann keine inhaltliche Abkehr von der Grundlinie der Bildungspolitik und auch keinen Durchbruch bei den festgefahrenen Verhandlungen, denn ganz offensichtlich wurde der Schritt ja hauptsächlich wegen einer besseren Außenwirkung gesetzt. Als kleinen Sieg können die Studenten den Vorgang dennoch verbuchen. Denn ohne ihren Aufruhr hätte es kaum Anlass für eine solche Entscheidung gegeben.

THEMENSEITE Hochschulreform und Studentenproteste

red.

 

Möchten Sie den Pester Lloyd unterstützen?