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(c) Pester Lloyd / 07 - 2013   WIRTSCHAFT 11.02.2013

 

Licht am Ende des Tunnels?

Wachstumshoffnungen trotz starken Rückganges der Industrieproduktion in Ungarn

Die Industrieproduktion ist in Ungarn im Dezember 2012 um 7,6% gegenüber dem Dezember 2011 zurückgegangen. Das ergeben die neuesten Daten des Statistischen Zentralamtes in Budapest, KSH. Nach Werktagen justiert, ergibt sich ein Rückgang von 3,4%. Gegenüber dem November liegt der Rückgang bei 2,4% (unjustiert). Für das Gesamtjahr ergibt sich damit vorläufig ein Rückgang der Industrieproduktion von 1,7%, was sich nach Analystenmeinung weniger schlimm anhört, als es ist.

Bei der Zahl ist nämlich in Rechnung zu stellen, dass mit dem neuen Daimler-Werk und den betrieblichen Erweiterungen einiger anderer ausländischer Großinvestoren außerordentliche Zusatzproduktionen an den Start gingen, was die Produktionssituation der "heimischen" Industrie noch schlechter darstellt. Außerdem waren die Basisdaten von 2011 ohnehin schon recht niedrig (damals -7%). Einige Experten gehen nun davon aus, dass das BIP 2012 nicht, wie von der Regierung bisher geschätzt um ca. 1,5% geschrumpft ist, sondern, in endgültiger Lesung womöglich gar um 2,1% absackte.

Die Entwicklung der Industrieproduktion in Ungarn. Wenn man bedenkt, dass der Basiswert noch immer unter dem Vorkrisenniveau lag, ist der Rückgang 2012 besonders dramatisch.

Für die Regierung ergäbe sich daraus jedoch immerhin der Vorteil, dass die für dieses Jahr erwartete Stagnation, aufgrund des noch niedrigeren Vergleichswertes so doch noch zu einem Wachstum für 2013 umzumünzen wäre. Nationalwirtschaftsminister Matolcsy erwartet jedenfalls ganz sicher den "Umschwung", auch, da einige andere negative Faktoren aus dem Vorjahr entfallen könnten. So verlor das BIP rund 1 Prozentpunkt in der Landwirtschaft wegen der extremen Trockenheit, 3% gingen wegen des mangelnden Binnenkonsums zu Nichte und auch die von den "ausländischen Banken" entzogenen Milliarden haben den Krediktmarkt und damit den Mittelstand geschädigt, so Matolcsy, der jedoch nicht begründen mochte, warum alle diese Faktoren in diesem Jahr nicht wieder zum tragen kommen könnten.

 

Das Budget fußt auf einer Wachstumsannahme von 0,9%, Experten sehen ungefähr eine schwarze bis leicht rötliche 0. Dennoch sieht Matolcsy, dass "2013 ein glückliches Jahr" für Ungarn werden könnte. Denn sowohl bei Invesitionen als auch beim Konsum wird es einen "positiven Wandel" geben (auch hier wohl eher aufgrund der niedrigen Basiswerte, denn sich wirklich verändernder Rahmenbedingungen). Getragen würde der Aufschwung auch von der "deutschen Autoindustrie", einer Schwemme von 1.500 Milliarden Forint (ca. 5 Mrd. EUR bzw. 5% des BIP) aus EU-Mitteln, die mit Biegen und Brechen im letzten Jahr der alten Budgetperiode abgerufen werden sollen (hier mehr zum Thema EU-Milliarden) sowie dem höheren "verfügbaren Einkommen" wegen der Energiepreissenkung für private Haushalte (siehe hier). Dass die Masse der Ungarn in diesem Jahr ein höheres verfügbares Einkommen haben wird, ist eine der Regierungspartei lieb gewordene Legende, schon seit 2010. Auch die Projektionen für Invesitionen vor allem aber den Arbeitsmarkt sind realitätsfern.

Matolcsy gab noch vorsichthalber die Empfehlung ab, Personen oder Firmen sollten bitte Kredite nur nehmen, wenn sie "Zugang zu zinsniedrigen Forintkrediten" bekommen, "die sie für Investitionen ausgeben, die auch einen Mittelrückfluss erwarten lassen". Für "Konsum oder Investitionen ohne Umsatzerwartungen" bitte nicht. Der Minister stellt sich offenbar schon auf seine neue Rolle als Gouverneur der Nationalbank ein, bei der mit besonders "kreativen" Maßnahmen den Umschwung fast im Alleingang zu vollführen versucht, auch wenn die Märkte aufschreien und der Forint die Flucht in die Unterwelt antritt.

Matolcsy, aber sogar qualifizierte Ökonomen sehen, bedingt durch die miesen Vorgaben von 2012 zahlenmäßig Licht am Ende des Tunnels, man ist sich bisher nur noch uneins, ob es die Sonne oder ein entgegenkommender Zug ist.

cs.sz.

 

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