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(c) Pester Lloyd / 09 - 2013   BALKAN 25.02.2013

 

Annäherung an “Planet Europa”

Sensibler Hot-Spot: EU will Serbien und Kosovo zum Frieden verlocken

Bereits zum fünften Male in kurzer Zeit trafen sich die Ministerpräsidenten des Kosovo und Serbiens zu Gesprächen. Dass überhaupt ein solcher Dialog stattfindet, ist aufgrund des Besitzanspruches der serbischen Regierung, die dabei einen Großteil des Volkes hinter sich weiß, schon ein Erfolg. Zu viel sollte man von den Verhandlungen also nicht erwarten, doch die EU hat für beide gewichtige Argumente zu liefern, die eine Einigung beschleunigen können.

Europa noch ein ferner Planet? Der Premier des Kosovo, die Außenbeauftragte der EU und der Premier Serbiens versuchen sich anzunähern, auch wenn sie vor der interplanetaren Stellwand alle etwas verloren wirken.

Auch die die fünfte Gesprächsrunde zwischen Serbiens Premierminister Ivica Dacic und seinem kosovarischen Amtskollegen Hashim Thaçi (es gab zwischenzeitlich auch eine zwischen den Staatspräsidenten) endete ohne eine konkrete Vereinbarung. Die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Catherine Ashton, moderierte wie immer die Gespräche in Brüssel. Dieses Mal waren insbesondere die serbischen Parallelinstitutionen im überwiegend von Serben bewohnten Nordkosovo das Gesprächsthema. Dieses erwies sich im Nachhinein aber als zu sensibel, um zu einer Lösung innerhalb der zweitägigen Gesprächsrunde zu kommen. Im Anschluss verkündete Dacic allerdings, dass immerhin gewisse Fortschritte erzielt worden seien.

Wie Krstimir Pantic, Vorsitzender der Gemeinde Kosovska Mitrovica, verriet, sei die einzige Einigung gewesen, einen Verband der serbischen Gemeinden im Nordkosovo zu formen. Alles in allem bezeichnete Ivica Dacic die Erwartung der internationalen Gemeinschaft, die fünfte Gesprächsrunde würde einen Durchbruch bringen, als zu hoch: „Wenn das Problem zwischen Serben und Albanern innerhalb von zwei Tagen gelöst werden könnte, hätte das sicherlich jemand vor mit erreicht.“

Was kommt zuerst? Einigung oder Termin für EU-Beitrittsverhandlungen?

Tomislav Nikolic, Serbiens Präsident, hatte zuvor die Auflösung der Parallelinstitutionen ins Gespräch gebracht, um sein Land einem Termin für EU-Beitrittsverhandlungen ein großes Stück näher zu bringen. Ivica Dacic sagte nach der fünften Gesprächsrunde quasi das Gleiche, argumentierte nur genau anders herum und damit forscher: Ein Datum für Serben zu EU-Beitrittsverhandlungen würde als Impuls dienen, eine Vereinbarung über die Institutionen im Nordkosovo zu erreichen. Sollte Serbien weiterhin auf einen Termin warten müssen, könnte das die Gespräche mit Priština zum Scheitern bringen. 

Passend zu dieser Forderung werden nun erste Inhalte des April-Berichts der Europäischen Kommission bekannt. Wie „Balkan Insight“ vor dem Hintergrund „zweier unabhängiger Quellen“ berichtet, wird die Kommission höchstwahrscheinlich empfehlen, Serbien im Juni dieses Jahres einen vorbehaltlichen Termin für EU-Beitrittsverhandlungen zu gewähren. Die EU erhofft, mit diesem vorbehaltlichen Termin Serbien dazu zu forcieren, endgültig eine Lösung mit Priština über die Parallelinstitutionen im Nordkosovo zu erreichen.

Mittlerweile hat sich der Leiter der EU-Delegation in Serbien, Vincent Degert, mit konkreten Äußerungen zu Wort gemeldet: „Es ist klar, dass Serbien Fortschritte gemacht hat und wir wollen diese Schritte in die richtige Richtung fortgesetzt sehen. Es kann zwar nicht alles über Nacht gelöst werden, aber es ist wichtig, dass wir einen Eindruck bekommen, dass Dinge auf dem richtigen Weg sind und dass bis zum 16. April Fortschritte erzielt worden sind.“ Er fügte an, dass die EU-Mitgliedsstaaten am 28. Juni eine Entscheidung fällen würden.

Frage von Krieg und Frieden

 

Der Kosovo möchte die serbischen Institutionen im Norden aufgelöst sehen, um die dortige Bevölkerung, einschließlich der Serben, vollends in das Land integrieren zu können. Serbien hingegen fordert eine weitestgehende Autonomie für die überwiegend serbisch bevölkerten Gebiete im Nordkosovo. Die Lösung dieses Problems ist längst nicht nur administrativer Natur oder von wirtschaftlichen Interessenssphären sowie wahltaktischer Instrumentalisierung nationalistischer Gefühle getragen. Hier entscheidet sich auch, ob ein dauerhafter Frieden in der Region Wirklichkeit werden kann, denn dieser ist längst noch nicht gesichert. Das Nordkosovo bleibt damit - neben der Republika Srpska in Bosnien - der sensibelste Hot-Spot der europäischen Integration. In diesem Falle ist Reden nicht nur Silber, sondern pures Gold wert.

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c.s. / red.

 

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