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(c) Pester Lloyd / 15 - 2013   POLITIK 08.04.2013

 

Buhlen um die Diaspora

Auch die linke Opposition müht sich um die Auslandsungarn

Das Bekenntnis zur "ganzen Nation" und der Unterstützung der in den Nachbarländern lebenden "Landsleuten" gehört zum politischen Einmaleins in Ungarn, wie anderswo das Bekenntnis zu Rechtsstaat und Demokratie. Nachdem bereits die MSZP sich in einem - suboptimalen - Auftritt in Rumänien für ihr damaliges "Nein" bei der doppelten Staatsbürgerschaft entschuldigte, ziehen nun auch die Wahlallianz "Gemeinsam 2014" und LMP nach. Natürlich: 400.000 Wähler sind nicht nichts.

Der Zeichner dieser Schülerzeitung braucht dringend Nachhilfe. Er hat zwar schon erkannt, dass das Erdély, also Siebenbürgen, nicht zu Rumänien gehört, hätte er aber seinem Parlamentspräsdienten richtig zugehört wüsste er, dass “überall wo Ungarn leben, Ungarn ist”...

Ex-Premier Bajnai und mutmaßlich härtester Konkurrent Orbáns bei den nächsten Wahlen, sagte an der Central European University, dass er und seine Bewegung sowohl die vereinfachte doppelte Staatsbürgerschaft (die für viel böses Blut mit Nachbar Slowakei sorgte) als auch das Wahlrecht für Auslandsungarn "respektieren" wollen. Gleichzeitig verdammte er die Strategie der Regierung, die den im Ausland lebenden ungarischen Minderheiten "ihren Willen aufzwingen" wolle und die etablierten Vertreter dieser Minderheiten gegen separatistische Radikale ausspiele. Nationenpolitik sollte die legitimierten Vertreter der ungarischen Minderheiten unterstützen und dabei gleichzeitig den Aufbau "konstruktiver" Beziehungen zu den Nachbarländern forcieren, ohne dabei die Rechte der Minderheiten aus dem Auge zu verlieren.

Bei einem Treffen mit einem Vertreter der Karpatoungarn in der Ukraine schloss sich auch der Chef der grün-liberal-bürgerlichen LMP diesem Bekenntnis an, man werde den Belangen der Auslandsungarn zukünftig "mehr Aufmerksamkeit" widmen. Auch Schiffer verlangt von der Regierung, sie solle alle Organisationen gleich behandeln, anstatt sie gegeneinander zu hetzen.

Das gewachsene Interesse an den Auslandsungarn kommt nicht von ungefähr, das ihnen auch gewährte aktive Wahlrecht macht die Gruppe für alle Parteien interessant, zumal das Wahlverhalten und die Wahlbeteiligung bei den kürzlichen Wahlen in Rumänien darauf hinwies, dass längst nicht alle "automatisch" auf die Parolen der nationalistischen Parteien wie Fidesz oder Jobbik anspringen.

Wie die für die verinfachte Vergabe der ungarischen Staatsbürgerschaft zuständige Behörde kundtat, sind seit Januar 2011 bereits 422.000 Anträge eingegangen, 340.000 hielten ihren ungarischen Pass schon in Händen. Rund die Hälfte der Anträge wurden von Auslandsungarn in Ungarn gestellt. 280.000 Neu-Alt-Staatsbürger-Anträge kommen danach aus Rumänien, 76.600 aus Serbien (Vojvodina), ca. 50.000 aus der Ukraine, ca. 500 aus Österreich, rund 1500 aus der Slowakei.

Ein Recht auf einen Pass hat, wer nachweisen kann, dass er selbst oder ein verwandter Vorfahre vor 1920 oder zwischen 1938 und 1945 die ungarische Staatsbürgerschaft besaß. Angeblich sind auch "fließende Ungarischkenntnisse" erforderlich. Zahlreiche Zeugen schildern die Prüfung darüber jedoch als reine Farce, Bewerber, die nicht sprachkundig sind, lernen ledigilich ein paar Standardformeln nach dem Gehör, was meist genügt.

 

Die Regierung Orbán unterstützt - aus innenpolitischem und wahltaktischem Machtkalkül - massiv separatistische Parteien in den Nachbarländern und schneidet die auf Kompromiss ausgerichteten Vertreter der Auslandsungarn. Das hat u.a. in Rumänien zur Spaltung und einem schweren Bedeutungsverlust der traditionellen Ungarnpartei geführt und letztlich den konkreten Interessen der Ungarn vor Ort geschadet. "Interethnische Parteien" wie z.B. die Most-Híd in der Slowakei seien "die Vorhölle zur Assimilisation" tönte es aus Budapest. Parteien, die der Orbán-Demagogie folgen werden hingegen massiv - auch materiell - unterstützt. Mehr zum Thema am Beispiel Rumäniens.

Fidesz hatte die
Bereitstellung der Listen der neuen Wahlberechtigten für die zentrale Wahlkommission gestoppt, weil man sowohl Nachteile und Schikanen für die betroffenen Auslandsungarn als auch "negative Einflüsse auf die bilateralen Beziehungen und die nationale Sicherheit" fürchtet. Die Opposition hingegen sieht darin den Versuch von Manipulation, da man ein Wahlergebnis ohne bekannte Berechnungsgrundlage nicht nachvollziehen könne und es so aussieht, also wollte die Regierungspartei die Wahlen außerhalb Ungarns nur in geheimen, vom Fidesz kontrollierten Wahllokalen abhalten lassen.

cs.sz.

 

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