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(c) Pester Lloyd / 21 - 2013   WIRTSCHAFT 22.05.2013

 

Bankrott auf irische Art

Ungarn plant Einführung einer Privatinsolvenz, Gesetzentwurf noch löchrig

Seit Jahren fordern Politiker, Rechtsexperten und Schuldnerberatungen, dass auch Ungarn ein geregeltes Verfahren zur Privatinsolvenz / Privatkonkurs erhält. Bisher konnten nur Gläubiger solche Konkursanträge stellen, um u.a. Zugang auf Konten und andere Vermögenswerte zu erreichen. Die selbstdeklarierte Zahlungsunfähigkeit zur Einleitung eines Schuldenregulierungsverfahrens war bisher nicht vorgesehen, doch was jetzt als Gesetzentwurf vorliegt ist für beide Seiten, Schuldner und Gläubiger noch nicht befriedigend.

 

Nach den jetzigen Planungen soll ein entsprechendes Gesetz 2014 in Kraft treten, auch wenn der zuständige Staatssekretär im Wirtschafts- und Finanzministerium, Gábor Orbán, noch Zweifel hegt, ob die Konsultationen mit der Ungarischen Bankenvereinigung, die letztlich die meisten zahlungsunfähigen und -säumigen Zahler "verwaltet", bis Ende des Jahres abgeschlossen sein werden. Unabhängig davon hat die KDNP, Fidesz´ Juniorpartner in der Regierung bereits einen Gesetzentwurf vorgelegt, der noch vor der Sommerpause verabschiedet werden könnte.

Nach dem Vorschlag, der sich in ungefähr am irischen Modell orientiert, würde bei der Deklaration einer Privatinsolvenz und der Bestätigung derselben durch ein Gericht, ein gerichtlich bestellter Mediator als eine Art Finanzvormund eingesetzt, der die Ausgaben der betroffenen Person oder Familie überwachen soll und festlegen kann, wie viel des monatlichen Einkommens für die Lebensbedürfnisse und sonstige Anschaffungen ausgegeben werden dürfen. Alle Einnahmen des Schuldners fließen dabei zunächst auf ein Konto des Verwalters. Damit sollen der Kauf von "Luxusgütern" unterbunden und die Ratenzahlungen an den Gläubiger sichergestellt werden.

Dieser Insolvenzverwalter soll auch zwischen den Banken und dem Schuldner eine Restrukturierung der Kredite vermitteln und "Lebenshilfe" für die Betroffenen geben, so der KDNP-Vizechef und Vizebürgermeister von Budapest, Gábor Bagdy, bei einer Präsentation des Entwurfs. Wird auf diese Weise über "einige Jahre" eine relativ regelmäßige Rückzahlung ermöglicht, könnte (in Irland muss) dem Schuldner am Ende einer zu bestimmenden Laufzeit eine Restschuld erlassen werden. Eine Regelquote sieht der Gesetzentwurf aber nicht vor. Dabei soll auch das gesetzliche Kreditumtauschmodell 2, also die Konvertierung von Forex- in Forintkredite zu einem bevorzugten Kurs und die Auslagerung der Differenz in einen angehängten Kredit umgesetzt werden.

Während der Laufzeit würden Zwangsversteigerungen und andere Vollstreckungen ausgesetzt, die Schuldner könnten also auch in ihren überschuldeten Immobilien wohnen bleiben,
wie die jüngsten Zahlen melden, sind über 26% aller Hypothekenkredite in Ungarn derzeit notleidend, Betroffenenorganisationen sprechen von 170.000 Haushalten, die von Zwangsversteigerung bedroht sind. Das Modell sei daher vor allem für jene Schuldner geeignet, die wenigstens einen Teil ihrer Raten bedienen können, über ein regelmäßiges Einkommen verfügen und gewillt sind, ihre Situation zu bereinigen, so Bagdy. Die Dauer der Prozedur umriss er, je nach Höhe der Schulden, mit 15-20 Jahren.

Analysten sehen in dem Vorschlag einen deutlichen Fortschritt zu den bisherigen Zuständen, bei denen die Schuldner im wesentlich nur dem Goodwill ihrer Banken und teils zwielichtigen Inkassounternehmen ausgeliefert waren und es kein gesetzliches Vermittlungsverfahren bei Fällen privater Überschuldung gab, das Schulden zusammenfasst und Rückzahlungen in geordnete Bahnen lenkt. Allerdings erkennt man auch einige Lücken, so fehlen u.a. noch die Definition über pfändungsfreie Einkommensgrenzen, also einem Minimum, das der Masseverwalter dem Schuldner bedingungslos überlassen müsste, auch gibt es keine Kriterien, die verhindern, das eigentlich solvente Schuldner unter dieses Programm schlüpfen um sich einen Teil der Kreditlast zu ersparen und es fehlt ein Modell für vollkommen oder fast zahlungsunfähige Personen oder Haushalte.

Auch die Reihung und der Umgang mit Gläubigern, die keine Finanzdienstleister sind, ist nicht geregelt, bisher ist im Entwurf nur von Banken die Rede. Kritisiert wird auch die lange Verfahrensdauer, 15-20 Jahre seien verwaltungstechnisch und auch von Seiten der sich verändernden Lebenssituationen der Schuldner kaum ohne mehrmalige Anpassungen und ein damit erhöhtes Risiko des Scheiterns durchzuführen, in anderen Ländern beträgt die Verfahrensdauer 7 Jahre, manchmal noch weniger, in Irland maximal 12 Jahre, was für die Gläubiger zwar oft einen größeren Abschlag bei ihren Ansprüchen bedeutet, aber für alle Seiten besser plan- und kalkulierbar ist und sich in der Praxis auch bewährt hat.

Fachleute mahnen die Regierung hier zu einer gründlichen Recherche und sorgsamen Evaluierung an, kein Gesetz sei für eine Weile besser als ein neues, aber schlechtes Gesetz, man habe nun so lange auf eine Regelung gewartet, dass die ökonomische und soziale Tragweite einer solchen auch entsprechende Würdigung in der Ausarbeitung erfahren solle.

cs.sz.

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