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(c) Pester Lloyd / 30 - 2013   WIRTSCHAFT 22.07.2013

 

Der Schatz von Makó

Ein enormes Schiefergas-Vorkommen in Ungarn weckt Hoffnungen und Ängste

Ungarn möchte innerhalb der EU zur Förderung von Erdgas aus Schiefergasgestein durch das umstrittene Fracking noch keine Position einnehmen, sitzt aber auf einem Schatz, der das Land rund 200 Jahre von jeglichem Gasimport unabhängig machen könnte. Die Risiken der Förderung sind dem Umweltminister sehr bewußt, doch wie lange kann der sich gegen die politischen und ökonomischen Begehrlichkeiten durchsetzen und was bedeutet der Fund für die Energiepolitik insgesamt?

Minister Sándor Fazekas

Auf einem informellen Treffen der EU-Umweltminister in Litauen bezeichnete der ungarische Vertreter, Sándor Fazekas, die Position seines Landes zu allfälligen Regulierungen der Fracking-Förderung von Schifergas daher als "vorerst neutral". Der Minister für ländliche Entwicklung und Umweltschutz meinte, dass die EU im Zusammenhang mit der "unkonventionellen" Gasförderung das "gesamte Modell der erneuerbaren Energien" seitens der EU "neu durchdenken" müsse. Das will er jedenfalls in den Reden "mehrerer Kollegen" herausgehört haben, wiewohl Schiefergas nichts mit Erneuerbaren Energien zu tun hat.

Fazekas sieht gleichwohl im Schiefergas eine "großartige Perspektive" die "Abhängigkeit von Energieimporten" in der gesamten EU zu senken und erinnert dabei an den "außerordentlichen Wert" des "Schiefergasschatzes", den man im südungarischen Makó und Umgebung aufgetan hat. Dieser liegt allerdings in 5-7 Kilometer Tiefe vergraben, weshalb Fazekas auf der Pressekonferenz lautstark ins Grübeln kommt. Man möchte an das Gas schon gerne heran, ist sich aber im Klaren darüber, dass die bisher bekannten Fördermethoden alles andere als umweltfreundlich, landschaftsschützend und ungefährlich sind.

Fracking, bei dem mit Hochdruck Wasser in die Gesteinsschichten gejagt wird, "nebst einiger Zusätze", so der Minister, er hätte auch Gifte sagen können, hat immerhin schon Erdbeben und -rutsche ausgelöst und - wie in den USA geschehen - das Trinkwasser unbrauchbar, sogar lebensgefährdend gemacht. Dabei hat Ungarn so schon massive Probleme,
seine Bürger mit ungiftigem Wasser zu versorgen. Von der Verschandelung der Landschaft durch Abraumhalden und etliche neue Förderanlagen, derer man hier viel mehr braucht als bei der herkömmlichen Gasförderung, ganz abgesehen. Der Minister gestand ein, dass unter dem derzeitigen technischen Entwicklungsstand es "schwer ist, mögliche Gefahren bei der Extraktion des Gases vorherzusagen".

So sieht Fracking im Feld aus...

Fazekas kommt zu dem Schluss, dass man zwar weiter an der Erforschung des vielversprechenden Feldes um Makó arbeiten wird, wozu auch Genehmigungen erteilt wurden, man aber mit dem kommerziellen Abbau wohl lieber noch warten wird, bis "erprobte Technologien" und "praktische Daten" vorliegen. Den Ländern, die Fracking aus der EU gänzlich verbannen wollen, mag er sich aber nicht anschließen, denn "die Schiefergaslager, die wir in Ungarn gefunden haben, beinhalten so viel Gas, dass Ungarn damit Jahrhunderte auskommen könnte." Experten sprechen von einem förderbaren Vorkommen von rund 2.000 Milliarden Kubikmetern Gas in den Erdschichten unter der Stadt Makó und Umgebung, derzeit verbraucht das Land rund 10 Milliarden Kubikmeter im Jahr.

Diese riesig klingende Lagerstätte weckt natürlich Begehrlichkeiten. Nicht nur die in Aussicht stehende politisch wie ökonomisch vorteilhafte weitgehende Unabhängigkeit von Erdgasimporten klingt für Politik und die mit ihr verquickte Branche (MOL) verlockend, auch der Umstand, dass man das Gas, wenn man will, billiger im eigenen Markt platzieren könnte (Wahlgeschenke) und sogar zur Gasexportnation aufsteigen dürfte, wird bei politisch Verantwortlichen zu feuchten Träumen führen. Der Rausschmiss von RWE, E.ON und den anderen "ausländischen Multis" würde Wirklichkeit und ließe sich politisch ausschlachten sowie für lokale Platzhirsche mit entsprechender Regierungsnähe auch in bare Münze "transferieren". Es ist also als unwahrscheinlich zu betrachten, dass irgendeine ungarische Regierung und gar die Regierung Orbán den Einwänden des Umweltminister, gar der Bürger mehr Bedeutung zumisst als den oben angesprochenen polit- und wirtschaftsstrategischen Überlegungen. Über kurz oder lang wird die Erde um Makó, vielleicht Makó selbst für die "Freiheit" des Landes durchwühlt werden.

Für die bescheidene Kreativität ungarischer Energiepolitik dürfte der Schatz von Makó jedoch der komplette Todesstoß werden. Die Energiepolitik Ungarns verlässt sich neben dem russischen Erdgas und -öl zu rund der Hälfte des Strombedarfs auf das einzige AKW des Landes in Paks, das im Milliarden-Euro-Maßstab um zwei weitere Blöcke ausgebaut wird, während die beiden alten nachgerüstet werden, um ihre Laufzeit zu verlängern. Paks steht in einem für enorme Bodenbeschleunigungen bei Erdbeben als Risikogebiet ausgewiesen Winkel im Donaugraben. Die entsprechende Studie von eigenen Fachleuten, die bei der IAEA im Archiv verschimmelt, spielt bei den Expansionsplänen aber keine Rolle. Hier mehr dazu:
http://www.pesterlloyd.net/2011_19/19atomAGNES/19atomagnes.html Da Deutschland aus der Atomkraft aussteigt, so die Argumentation der Regierung, will Ungarn in die Lücke springen und zum Nettostromexporteur werden.

 

Die kleinteilige Welt der Erneuerbaren Energien hat bei einer für das Große und Ganze vorgesehenen Regierung naturgemäß geringe Chancen, die Förderungen für Windparks wurden weitgehend eingestellt oder so verkompliziert, dass viele Anbieter einfach hinwarfen oder verkauften. Das reiche Potential an Geothermie, Biomasse, Sonne, Wind wird kaum genutzt, ein erkennbarer Entwicklungswille besteht - von ein paar Flagschiffprojekten abgesehen - nicht. Die Fonds für die energetische Sanierung und Erneuerbare Energien für Private und Kleinbetriebe sind chronisch unterfinanziert. Die letzte Ausschreibung musste nach nur wenigen Stunden wegen massiver Überzeichnung abgebrochen werden. Aufgestockt wurde sie aber nicht.

red.

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