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(c) Pester Lloyd / 31 - 2013   WIRTSCHAFT 01.08.2013

 

Phantom der Lüfte

Wer ist der "Falke"? Neue ungarische Airline spricht weder über ihre Hintermänner noch mit ihren Kunden

Nach Berichten der Zeitung Világgazdaság wird der erste "Falke" der "Sólyom Hungarian Airways" am 18. August abheben, erst kurz davor soll auch der Ticketverkauf beginnen. Die ersten von der Airline bedienten Routen sollen von Budapest nach Amsterdam, Brüssel, Frankfurt, London, Mailand, Paris und Stockholm führen, weiß man aus "informierten Kreisen". Viel mehr weiß man aber noch nicht, denn das Unternehmen schweigt sich über sämtliche Details beharrlich aus.

Sieht eher wie der Karton eines Modellbaukastens aus: Foto(montage) von der Facebook-Seite

Bereits Ende September sollen ein Dutzend weitere Destinationen zu den genannten sieben Städten hinzukommen, hieß es auf der bis jetzt einzigen Pressekonferenz der neuen Airline. Dubios ist und bleibt bis heute die Kundenkommunikation des Unternehmens. Erst seit einigen Stunden ist eine Webseite der Airline verfügbar, http://www.solyomairways.com/ , auf der aber nicht mehr als die Stellenanzeigen und die Presseaussendung aus der Vorwoche (alles auf Ungarisch) sowie ein Foto des Vorstandschefs, dazu die Losung "Von Herzen Europa" zu finden ist. Nicht einmal ein Impressum ist (Stand 1.8., 13:15 Uhr) auffindbar. Auch die Sóylom Holding zeigt sich seit 10 Uhr, 1. August, im Netz unter: http://solyomair.com/ , die Angaben hier gehen auch nicht weiter, immerhin hinterließ man eine Adresse. Unter dem Link "Transparenz" nur allgemeines Gelaber, kein Hinweis auf die Firmenstrukturen. Auf der Facebook-Seite https://www.facebook.com/solyomlegitarsasag staunen derzeit rund 1.600 Fans über das Phantom der Lüfte. Die Reaktionen über anonym eingestellte Info-Häppchen: hier ein Foto, da ein Logo, da ein "bald gehts los", schwanken zwischen: "schön, endlich" und "das ist alles eine große Verarsche..."

Immerhin: ein offizielles Logo hat es bis an die Öffentlichkeit geschafft...

Solyom verfügt derzeit weder über eine Bestell- oder Infohotline, noch ist sie in den gängigen Ticketportalen gelistet, Presseanfragen werden auch nicht beantwortet. Ein Flugplan, gut zwei Wochen vor dem anvisierten Start? Fehlanzeige. Immerhin schaltete man am 1. August einige ganzseitige Stellenanzeigen in ungarischen Tageszeitungen, gesucht wird vom Flight Engineer über Bodenpersonal bis zur Stewardessen so ziemlich alles, was man für den Flugbetrieb braucht. Piloten sucht man keine, hier konnte man sich wohl bereits aus dem arbeitslosen Fundus der Ex-Malév-Piloten bedienen, die nicht inzwischen bei anderen Airlines untergekommen ist.

Das "Gazdasági Rádió", ein ungarischer Wirtschaftsrundfunksender will - über "Branchenexperten" zwischenzeitlich die Emirates Airlines als einen der großen Investoren hinter der neuen "ungarischen" Fluglinie "Solyom Hungarian Airways" identifiziert haben, womit sich die Mutmaßung über die Türöffnerfunktion des Unternehmns auf den EU-Markt bestätigen würde und auch klar ist, wer bereit und fähig sein könnte, einen dreistelligen Millionen-Dollar-Betrag für solch ein Abenteuer in die Hand zu nehmen. Aber Emirates sowie auch Qatar Airlines dementierten wenige Stunden später strickt diese Mutmaßungen. Man sei zwar am wachsen, dies werde man aber nicht durch den Erwerb von Anteilen an anderen Fluglinien bewerkstelligen.

Der Sólyom-Vorstand hatte sich über die Hintermänner bedeckt gehalten und lediglich kryptisch von einem Touristik- bzw. Industrie-Unternehmen aus dem Oman sowie einem Finanzinvestor aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gesprochen. Die neue "ungarische" Fluglinie, die - je nach Einstellung - als "Malév-Nachfolger" belächelt oder gefeiert wird, kann aufgrund des Investorenhintergrunds als Instrument in einem Verdrängungswettbewerb der großen arabischen und asiatischen Player um den europäischen und den Weltmarkt gesehen werden. Denn einer der größten Konkurrenten der Emirates, die Ethiad Airlines aus Abu Dhabi hat sich gerade mit knapp 30% bei Air Berlin eingekauft sowie die Hälfte an der serbischen JAT erworben. Korean Air übernahm kürzlich die knappe Hälfte der Czech Airlines und mehrere Bieter aus dem Mittleren Osten bemühen sich gerade um Anteile an der polnischen LOT. Interessant bei all diesen "lahmen Enten" des Fluggeschäftes sind indes lediglich die EU-Start- und Landelizenzen.

 

Das führende Wochenmagazin des Landes, HVG, zitiert wiederum eine Gruppe von Wirtschaftsberatern der Capitol Consultung Group (CCG). Diese sehen die sehr optimistischen Schätzungen von Sólyom-Vorstand Vágó nicht nur als "unmöglich zu erreichen" an, der im nächsten Jahr 3 Mio., 2016 schon 8 Mio. Passagiere befördern will, sondern prophezeien der Airline eine deftige Bruchlandung. Eigentlich sei die ganze Geschichte ein größenwahnsinniger Witz, so die Analysten, der "ungarische Falke" wird vom Start weg "massive Verluste" machen und bis 2017 einen "riesen Crash" hinlegen. Anhand von Preisspannen, Auslastungsszenarien und Kostenberechnungen sowie den ausgegebenen Passagier- und Flugzeugzielzahlen widerlegen sie das von Vágó vorgelegte "Erfolgsrezept" als nicht erreichbar und kündigen ihm - im besten Falle - rund 250 Mio. EUR Verluste bis 2017 an.

Möglich, dass die reichen Scheichs diesen Preis für einen Flugzeug-Spielplatz in Osteuropa für verkraftbar halten, mit der herbeigesehnten "neuen nationalen Fluglinie" hat dieses Szenario jedoch recht wenig zu tun.

Im Sturzflug zum Himmel? - 22.07.
Ein Falke macht noch keinen Sommer: Ungarn und seine neue "nationale" Airline
http://www.pesterlloyd.net/html/1330solyomhungarianairways.html

red.

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