THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 39 - 2013   POLITIK   25.09.2013

 

Neue Wahlarithmetik

42% sind in Ungarn ab nächstem Jahr zwei Drittel

Das neue Wahlrecht in Ungarn hat es in sich. Es sollte einfacher werden, doch es ist noch undurchschaubarer als zuvor. Zwar gibt es nur noch einen Wahlgang und weniger Wahlkreise, doch die disproportionale Umrechnung der Stimmen auf die Parteilandeslisten, die Hinzuziehung der Auslandsungarn sowie die Gewichtungen der Direktwahlergebnisse für die Vergabe der "Restplätze" machen das System zu einem undurchschaubaren Wust.

Wer die lustige Spielerei selbst probieren will, hier entlang.

Wem nutzt es? - fragte sich das Politinstitut "Political Capital" und hat - offenbar nicht nur mit Unterstützung hochspezialisierter Statisker und IT-Leute, sondern auch einigen Wahrsagerinnen aus den Wäldern des Széklerlandes - einen "Mandatsrechner" kreiert, der dem Bürger helfen soll, einzuschätzen, welches prozentuale Wahlergebnis sich in welcher Sitzverteilung im künftigen Parlament niederschlagen könnte. Das System funktioniert komischerweise nur so lange halbwegs logisch, wie Fidesz stärkste Partei bleibt...

 

Das Ergebnis ist geradezu sensationell: wir stets erfindungsreichen Ungarn haben kurzerhand die Regeln der Arithmetik umgeschrieben, denn in Budapest sind ab 2014 42% = 2/3. In Deutschland reicht das nichtmal ganz für die Hälfte. Das macht schon einen Unterschied. Genau dieses Ergebnis, 42%, kam als minimaler Prozentsatz heraus, den Fidesz für eine erneute 2/3-Mehrheit benötigt, 2010 waren es noch über 50%. Wir legten für die anderen Parteien dabei die aktuellen Umfrageergebnisse von Ipsos zu Grunde und gingen von der gleichen Wahlbeteiligung wie 2010 aus und setzten auch noch voraus, dass die Auslandsungarn kongruent zu ihren Brüdern und Schwestern im Inland stimmen, wobei wir - konservativ gerechnet - nur rund 400.000 Auslandsungarnstimmen einstellten. Wie gesagt, 42% genügten dann für 132 Mandate bzw. 66,33% der Sitze, die MSZP müsste mit 25% der Stimmen mit 41 Sitzen, also 20% der Mandate klar kommen. Setzt man Fidesz nun auf 50%, wie sie derzeit prognostiziert werden, käme Orbáns Partei schon auf 72,86% der Mandate, legt man das Wahlergebnis von 2010 der neuen Berechnung zu Grunde, ist Fidesz nicht bei 69% wie heute, sondern 78% der Mandate.

Betreutes Wählen

Sind in Ungarn noch freie Wahlen möglich?

Was nicht passt, wird passend gemacht. Von der Verfassung bis hinunter zum Krämerladen wird das Land nach den Bedürfnissen der Regierungspartei hergerichtet. Damit das so bleibt, müssen auch die in einer Demokratie vorgeschriebenen "allgemeinen, freien, gleichen und geheimen" Wahlen so gestaltet werden, dass der "Volkswille" die entsprechende Richtung behält. Die Dominanz in den Umfragen und eine desolate Opposition genügen Fidesz noch nicht, man will auch im Wahlkampf auf Nummer sicher gehen und gängelt die Gegner wo man nur kann.

ZUM BEITRAG

Nun der Gag: drehen wir das Ergebnis von Fidesz und MSZP um: also MSZP 50% im In- wie Ausland, Fidesz 25%, alles andere wie oben, würde man erwarten, dass es sich mit den Mandaten ebenso verhält? Mit Nichten, Fidesz würde zwar mit 25% auf 14,6% der Mandate abschmieren, aber die MSZP hätte "nur" 59%, also nicht die 2/3-Mehrheit und schon gar nicht die 72% von Fidesz. Das liegt daran, erklärt uns das Institut, dass man die Wahrscheinlichkeiten der Direktmandate mit einkalkuliert, die sich Fidesz durch Neuziehung der Wahlkreise so gerrymandert hat, dass man bei den Direkten- bei denen ja nun schon eine relative Mehrheit genügt - so oder so die Nase vorn haben wird.

Noch lustiger wird es aber nun und da höhren auch die Weisheiten von "Political Capital" auf: setzen wir Fidesz und MSZP gleichauf zu 30%, G2014 auf 20%, Jobbik auf 10%, kommt in Mandaten heraus: Fidesz - 21,11%, MSZP - 50,25% etc. So schräg ist nicht mal das Wahlsystem in Ungarn, liebes Politinstitut, da versagt also selbst die Vorstellungskraft eines anscheinend objektiven Rechners. Was lehrt uns das? Die Wähler sollten sich bitte an die Vorgaben der Umfrageinstitute halten und Fidesz zur stimmenstärksten Partei machen, sonst funktioniert die Rechenmaschine nämlich nicht und die ganze fleißgige Programmiererei war für die Katz`.

Wer die lustige Spielerei selbst probieren will, hier entlang:
http://www.valasztasirendszer.hu/mandatum/

Infos, Hintergründe und Umfrage auf unserer Themenseite: Wahlen in Ungarn 2014

red.

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