THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

Das Pester Lloyd Archiv ab 1854

 

Hauptmenü

 

 

 

Effizient werben im
Pester Lloyd!
Mehr.

 

(c) Pester Lloyd / 41 - 2013   KULTUR   07.10.2013

 

Zigeunerschnitzel mit brauner Soße...

Botschafter von Ungarn tobt in Österreich gegen Freiheit der Kunst

Der ungarische Botschafter in Wien, Vince Szalay-Bobrovniczky, scheint bei der Verteidigung seiner Heimat gegen die Angriffe der "linken Weltverschwörung" keine Hemmung zu haben, sich der Hilfe von offen Rechtsradikalen zu bedienen. Die regierungstreue, “magyaristische” Hofcamarilla in Wien trägt wieder einmal die politische "Kultur" aus Budapest ins Ausland, weil die "Sozialisten" zu frech werden. Wer auf die Probleme der Roma aufmerksam macht, so die Logik der "Nationenschützer", diskriminiert selbst...

Diplomat mit der Attitüde eines Türstehers: Vince Szalay-Bobrovniczky, Foto: kormany.hu

Unermüdlich und meist verbal-cholerisch ist der Herr Botschafter in Österreich im Einsatz, um die Lügen und Angriffe gegen Ungarn (nicht nur gegen die Regierung, sondern gegen das Volk!) zu entlarven. Jüngster Einsatz: eine Ausstellung im Rathaus der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz, die am heutigen Montag mit dem Titel “Die Gedanken sind frei! -  Angst ist Alltag für Roma in EUropa.”, eröffnet wurde und bei der die Aktivistin und Künstlerin Marika Schmiedt provokante Collagen als Denkanstöße über Rassismus und Antiziganismus in Ungarn - aber auch anderswo - ausstellte.

Über die Qualität sollte man reden, die Freiheit ist indiskutabel

Über die künstlerische Qualität der deftigen Plakate könnte man streiten, ehrlich gesagt, sollte man das auch, führte das nämlich zu einer Beschäftigung mit dem Thema selbst. Doch genau das ist das Problem, dazu darf es nicht kommen: so streitet der Botschafter lieber über eine Beschneidung der künstlerischen Freiheit an sich und verlangte unumwunden - und auf österreichischem Territorium - das Verbot der Ausstellung. Woanders zitiert man solche Wichtigtuer ins Außenamt ein und erklärt ihnen einmal die Grenzen ihrer Kompetenzen. In Österreich trifft er dafür durchaus auf offene Ohren, denn Schmiedts Plakate wurden von der österreichischen Polizei, nach ungarischer Beschwerde und Staatsschutzermittlungen, bereits einmal von einem Bauzaun abgerissen, ohne richterlichen Bescheid und Urteil, also ohne juristische Handhabe, nur auf den Zuruf eines Schlapphutes, der irgendetwas von Gefährdung des öffentlichen Friedens faselte. Das ist ganz die ungarische Linie: nicht das Elend, die Verwahrlosung der Roma gefährdet den öffentlichen Frieden, sondern jene, die darüber sprechen...

Anwältin Barki hier mit FPÖ-Chef Strache. Im Vergleich zur sonstigen Gesellschaft
der Frau RA, geradezu ein Vorzeigedemokrat... Foto: www.hcstrache.at

Wiener Anwältin aus Jobbik-Dunstkreis als Rechtsbeistand des Botschafters

Auch jetzt stellen "Aktivisten" des sehr breiten rechten Randes in der Alpenrepublik ihre Kontakte und Webseiten für den magyarischen Proteststurm zur Verfügung. Diesmal aktivierte der Botschafter einen Email-Kettenbrief über einen Vordruck und eine im Wort- wie übertragenen Sinne "Rechtsexpertin", nämlich die Wiener Rechtsanwältin, Eva Maria Barki, die sich seit Jahren mit Vorträgen über die Schande Trianons, das unterdrückte, missverstandene Ungarn, einen sehr eigenen Namen machte und in der Ausstellung "Verhetzung" und "Verstöße gegen internationales Recht" ortet. Sie sepndierte eine Art ad-hoc-Gutachten, das dem sinnlosen Gefasel des Botschafters einen seriösen Rahmen geben sollte. Diese Anwältin trat schon mehrmals bei Veranstaltungen des rechten Randes in Ungarn und den "Vortrianon-Gebieten", auch mit Vertretern der offen neonazistischen Partei Jobbik auf. Die Botschaft empfiehlt diese Anwältin offiziell den hiesigen Landsleuten. Der
Blog von Pusztaranger dokumentiert einmal mehr diese Vorgänge und Hintergründe gründlich genug, dass jeder Zweifel an Geist und Haltung dieser Dame und des Umfeldes ausgeräumt sein dürfte. (Dort finden Sie auch die ausführlichen O-Töne vom Botschafter und anderen Lautsprechern.)

Botschafter-Logik: Wer Diskriminierung anprangert, diskriminiert

Botschafter Vince Szalay-Bobrovniczky, der auch schon in der Postille von einschlägig bekannten schlagenden Verbindungen sowie in einem FPÖ-nahen Blättchen publizierte, übt sich bei seiner jüngsten Verteidigungsschlacht in der in Budapest heute üblichen Verdrehungstaktik: nicht die romafeindliche Grundhaltung der Gesellschaft, der Entzug von Grundrechten, die alltägliche wie die strukturelle Diskriminierung sind das Problem, sondern diejenigen, die sich die Freiheit nehmen, diese anzuprangern: Die Ausstellung sei "eine billige Provokation, offen rassistisch und Ungarn-feindlich, ein Verstoß gegen die europäischen Werte und die Würde der Minderheiten, in erster Linie der Roma.”

Wunderliche Botschafter aus Ungarn sind in Wien keine Seltenheit, schon der vorherige, Horváth hieß er, repräsentierte sozialistische Regierungen, nannte sich aber selbst "konservativ" und behauptet bis heute, er habe Mitteleuropa vom Eisernen Vorhang befreit. Der verteilte bei feudalen Pressefrühstücken im Palais in der Bankgasse schonmal Kopien aus irgendwelchen Abhandlungen, die belegen sollten, dass nicht Deutschland und Österreich, sondern Russland und Großbritannien den Ersten Weltkrieg angezettelt hätten.

Diese “Schande” haben ungarische Patrioten - unterstützt vom österreichischen Staatsschutz - beseitigt, werden sie auch das Linzer Rathaus erobern? Seit wann dürfen ausgerechnet da überhaupt “Sozis” regieren?

 

Doch was sein Nachfolger, Szalay-Bobrovniczky schafft, dass muss man erst einmal schaffen: eine Ausstellung, die explizit auf romafeindlichen Rassismus aufmerksam macht, als romafeindlich einzustufen. Weiter geißelt er die “sozialistische Linzer Stadtführung” und sieht ein “Projekt voller schwerer Verzerrungen und Diskriminierungen”, dabei “machen diese Werke nicht Ungarn Schande, sondern denen, die sie ausstellen.” Szalay-Bobrovniczky und seine engagierten Nationenverteidiger, in Wien eine weitgehend überalterte Runde von satten Rentnern, die mit der Lebenswirklichkeit in Ungarn überhaupt nichts zu tun haben, Mithilfe von Jobbik und Fidesz aber ihre geraubten Sehnsüchte nach einer heilen Heimat kompensieren, ein Panoptikum der "Opfer" des 20. Jahrhunderts sozusagen, berufen sich sogar auf die EU, sonst eher im Feindeslager verortet, die bestätigt hätte, dass Ungarn das europäische Land sei, das am meisten für die Roma in ihrem Land tue.

Zigeunergulasch mit brauner Soße, bzw. Saft, wie es in Österreich zu heißen hat... Die Plakate von Marika Schmiedt führen nicht gerade die feine Klinge, aber die Drastik hält Schritt mit der Realtiät.

Ungarn tut wirklich eine Menge für und mit Roma...

Sicher bestätigen das auch die ungarischen Roma, zumindest jene, die in der fidesznahen Organisation "Lungo Drom" gehegt und gepflegt werden und sich dafür zuweilen
mit etwas Wahlkampfhilfe bedanken. Die anderen haben leider wenig Zeit für Statements, denn sie verstecken sich und ihre Kinder gerade wieder vor den ungehemmt marschierenden "Garden", sind im Nachbarort Wasser holen, weil es zu Hause von einem Fidesz-Bürgermeister wieder mal - natürlich aus ökologischen Gründen - abgedreht wurde oder werden von einem Richter wegen "Ungarnfeindlichkeit" zu ein paar Extrajahren verknackt. Ihre Kinder essen in Schulen von Papptellern, die der "Weißen" speisen von Porzellan, am Schwimmunterricht müssen sie nicht teilnehmen, sie machen nur das Wasser schmutzig. Damit ist aber bald Schluss, Roma-Superminister Zoltán-"In Ungarn gibt es keine Diskriminierung"-Balog sorgt dafür, dass die amtliche “Romaförderung” die Kinder bald ganz von den magyarischen Kindern absondert, ist wohl besser so... Die meisten allerdings laufen nach wie vor frei herum, lungern, betteln, bestehlen "ungarische Menschen" oder - wenn man sie einfangen konnte - fegen sie unter der Aufsicht von Barkis Jobbikfreunden im Rahmen der "Kommunalen Beschäftigungsprogramme" den nationalen Wald für umgerechnet 0,50 Cent pro Stunde, 160 Stunden im Monat. Ungarn tut also wahrlich viel...

Am Sonntag trafen sich einige Dutzend Romaaktivisten neben dem Burgtheater - also unweit der ung. Botschaft - zu einer Kundgebung, um auf den Zustand der Roma-Minderheiten in Europa und die Zustände in den Ländern - nicht nur in Ungarn - hinzuweisen.

Eine Chronologie der "Plakataffäre", Beispiele und weitere Aspekte der Romaproblematik auf der Webseite der Aktivistin: http://marikaschmiedt.wordpress.com/

red. / ms.

Der Pester Lloyd bittet Sie um Unterstützung.