THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 43 - 2013   WIRTSCHAFT   22.10.2013

 

Versteuert

Wahlkampf-Debatte um Reparatur des "gescheiterten" Steuersystems in Ungarn

Am Montag stellte die Mitte-Links-Wahlallianz von Ex-Premier Bajnai, "Gemeinsam 2014 - Dialog für Ungarn", ein Gegenkonzept zu den aktuellen Steuerplänen der Regierung vor. Im Zentrum steht dabei die Abschaffung der Flat tax, die wegen ihrer sozialen Unausgewogenheit das "ungerechteste Steuersystem in Europa" geschaffen habe. Die Anhebung der Steuerfreibeträge für Familien, wie sie Fidesz mit Blick auf die Wahlen 2014 jetzt beschlossen hat, seien nur "Schadensbegrenzung" und abzulehnen, weil sie unabhängig von Bedarf und Einkommen der Familien gewährt werden.

E2014 will daher einen nach Einkommen gestaffelten Freibetrag für Familien sowie auch wieder einen Grundfreibetrag für alle Arbeitnehmer, um die Verarmung der untersten Einkommensschichten (Mindestlohn bis Durchschnittslohn) zu mildern. Finanziert werden soll das durch einen zweiten, moderat höheren Steuersatz für Normalverdiener sowie einen Spitzensteuersatz für die höchsten Einkommensgruppen. Hauptziel ist es, das lebensnotwendige Einkommen zur Deckung der Grundbedürfnisse für alle sicherzustellen, das ist heute nicht der Fall, das Steuersystem erreiche genau das Gegenteil. Die Korrekturen, die Fidesz nun hektisch vor den Wahlen vornehme, offenbarten, dass die Regierungspartei das Scheitern ihrer Steuerpolitik nun zwar langsam erkenne, mit ein paar Korrekturen jedoch nicht die Grundfehler beheben könne, ohne die ideologische Motiviation dahinter (ständische Klientelpolitik) aufzugeben.

E2014 wolle auch die Kammerpflichtmitgliedschaft für Unternehmen stoppen, wenn sie 2014 Orbán ablösen und endlich für eine auf Einkommensschwache abgestimmte Mehrwertsteuerpolitik bei Grundnahrungsmitteln fahren (bisher mit 18 bzw. 27% der höchste Satz in Europa). Seit drei Jahren verspreche die Orbán-Regierung nun Steursenkungen, habe aber genau das Gegenteil gemacht, die einfachen Menschen (also alle um und unter dem Durchschnittslohn) wären mit 500 Milliarden Forint (knapp 2% des BIP) mehr belastet als vor dem Regierungswechsel. Die gesamten Ausfälle durch die Flat tax für das Steuersystem werden - einschl. der Kompensationszahlungen für den öffentlichen Dienst - auf rund 1% des BIP jährlich geschätzt.

Ex-Premier Bajnai ergänzte, dass die 10-12% der oberen Einkommensschichten wegen der Flat tax - und den ihnen gleichermaßen zukommenden Senkungen der Energiekosten - Einkommenszuwächse im hohen zweistelligen Prozentbereich bedeuteten, ohne dass Investitionen oder Arbeitsplätze daraus erwachsen sind. "Orbán hat das ungerechteste Steuersystem in ganz Europa geschaffen", seine Stratgie ist längst gescheitert und hat den sozialen Unfrieden nur verschärft. Hinzu komme, dass die Orbán-Regierung die Steuerlöcher, die man durch die Geschenke an die Reichen aufgerissen habe, durch Sondersteuern gegen die Industrie und die Banken kompensiere, was Kreditklemme und Investitionsstau nur weiter verschärfe. Die Fidesz-Regierung hat in drei Jahren insgesamt 21 neue Steuern eingeführt, darunter rund die Hälfte direkte oder indirekte Verbrauchssteuern, die alle treffen, war aber mit dem Anspruch angetreten das System "radikal vereinfachen" zu wollen.

 

Die Regierung lobt ihre aktuellen Familiensteuerpläne damit, dass Familien mit Kindern sich nun das Äquivalent von 33% statt wie bisher 16% von ihrem Bruttoeinkommen ersparen würden. Die Regierung habe das System ersonnen, um Familien zu "ermutigen" mehr Kinder zu haben, die neuen Regelungen würden 260.000 Familien zusätzlich profitieren lassen, insgesamt kämen so 900.000 "ungarische Familien oder fast 5 Millionen Bürger (50% der Bevölkerung, Anm.)" in den Genuss von steuerlichen Erleichterungen. Im Übrigen sei das Steuersystem toll, 2014 bräuchte es nur noch "eine Feinabstimmung", so Regierungssprecher András Giro-Szász. Hinsichtlich der seit Jahren diskutierten Mehrwertsteuersenkung für Lebensmittel, winkte der Sprecher ab, so etwas habe man schon vor den Wahlen 2006 gemacht, es "hätte nichts gebracht", "unbegründete Senkungen" würden "weder den Konsumenten noch der Wirtschaft" einen Vorteil verschaffen, meint der Fidesz-Mann.

Auch die neonazistische Jobbik gab ihre Meinung zum Thema kund, sie wünscht sich 5% Mehrwertsteuer auf Lebensmittel sowie Steuerbegünstigungen nicht nur für Familien mit Kindern, sondern vor allem für die Ungarn (lies: Magyaren, also bitte keine Roma), die überhaupt erstmal eine Familie gründen wollen.

cs.sz.

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