THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 44 - 2013   WIRTSCHAFT   30.10.2013

 

Amtlicher Zahlensalat

Neuer Beschäftigungsrekord und nur noch 14% Arme in Ungarn, der Regierung und dem Zahlengott sei Dank

Der neueste Zahlensalat aus dem Statistischen Zentralamt in Budapest, KSH, meldet durchschnittlich 3.990.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte für das Quartal Juni bis September 2013 und somit 53.000 mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres - ein neuer Rekordwert seit Krisenbeginn 2008. Und noch ein Wunder: Die Quote der Armen sank binnen drei Jahren von 32 auf 14%! Die haben sich einfach in Luft aufgelöst...

Einfach großartig: Die andauernden Anstregungen des Politbüros drückten auch die Arbeitslosenrate auf weit unter Krisenvorzeitwerte: nur noch 9,8%!

Die Regierung feiert diese Zahlen natürlich als den Erfolg ihrer Wirtschaftspolitik und erwartet eine "gesteigerte Dynamik" dieser Entwicklung für die nähere Zukunft. Wie bekannt, sind in den Beschäftigtenzahlen, neben jenen, die wirklich einen Job haben, auch enthalten: - ca. 174.000 Arbeiter in den steuerfinanzierten Kommunalen Beschäftigungsprogrammen, mehrere Zehntausend in "nichtoptionalen" Fortbildungsprogrammen, ca. 200.000 zu Gehaltsempfängern umdeklarierte Frührentner sowie eine unbestimmbare Zahl von temporär im Ausland tätigen Ungarn, die ihren Hauptwohnsitz aus verschiedenen Gründen im Inland haben, die Größenordnung hier dürfte über 100.000 sein. Rechnet man diese Zahlen - abzüglich der auch in anderen Ländern üblichen Beschönigungen - heraus und betrachtet die Entwicklung allein in der freien Wirtschaft, ergibt sich ein deutlicher Nettoverlust an Arbeitsplätzen von rund 80.000 seit 2010, trotz einer leicht anziehenden Konjunktur.

Die Regierung hat - nach ihrer Zählung - damit seit Regierungsantritt 160.000 "neue Jobs" geschaffen, es fehlen somit bis 2020 nur noch 840.000 für die Erfüllung des Wahlversprechens von "1 Mio. neuer Arbeitsplätze". Notfalls könnte man noch die Pflichtschüler und die Bewohner der Friedhöfe heranziehen, denn auch die "arbeiten" auf ihre Weise...

Zahlensalat II: nur 14% Arme in Ungarn, dem Zahlengott sei Dank

Laut Statistikamt KSH müssen in Ungarn 1,368 Millionen Menschen, also knapp 14% als "arm" gelten. Dabei wird die Armutsgrenze beim gesetzlichen Mindestlohn von 98.000 Forint minus 16% Einkommenssteuer, also rund 86.000 Forint (ca. 293.- EUR) für eine Einzelperson (in Wirklichkeit bekommt man nur 65.000, aber das ist ein anderes Thema), bei Paaren bei 150.400 (512.- EUR) und bei Familien mit zwei Kindern, da sie im Unterschied zu Kinderlosen Freibeträge geltend machen können, bei ungefähr 250.000 (850.-) gezogen. Wer mit 300.- EUR im Monat als Single über die Runden kommen muss, gilt also laut KSH nicht als arm. Ebensowenig eine vierköpfige Familie, die monatlich mit etwas mehr als 850.- auskommen muss.

Das ist natürlich Schwachsinn. Eine andere Methodologie, freilich eine aus dem dekadenten, westlichen Gutmenschentum, rechnet den finanziellen Mindestbedarf für die Bestreitung der "lebensnotwendigen" Ausgaben, nach dieser Rechnung gelten in Ungarn rund 3 Millionen Menschen, also 30% der Bevölkerung als arm. Noch eine andere Rechnung bezeichnet alle als armutgesfährdet, deren Einkommen 40% oder mehr unter dem Durchschnittseinkommen liegt. Da landen wir bereits bei fast 4 Mio. "Armen", allerdings hat letztere Methode den Nachteil, dass sie faälschlicherweise davon ausgeht, dass das veröffentlichte Einkommen mit dem tatsächlichen Einkommen übereinstimmt.

Eine ganz aktuelle Studie des Umfrageinstitutes Tárki veröffentlicht heute eindrückliche Zahlen, nicht von Statsitikern, sondern sozusagen aus dem richtigen Leben: im Vorjahr machten 47% aller Befragten "zumindest einmal Erfahrung mit gesellschaftlicher Ausgrenzung wegen Armut". 17% der Ungarn haben ein Einkommen von weniger als 60% des Durchschnitts, der schlechteste Wert seit dem Systemwandel 1989. 37% gaben an, so wenig zu verdienen, dass sie nicht mal richtig heizen können. Interessanterweise gab das gleiche Statistikamt, dass die Ratio der Armen an der Gesamtbevölkerung jetzt mit 14% vermeldet, im Jahr 2011 noch die Zahl von 32% heraus, damals gegenüber 24% in der gesamten EU, nur Lettland, Rumänien (40%), Bulgarien (48%), Litauen und Kroatien (33%) lagen darüber.

red.

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