THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 33 - 2014 NACHRICHTEN 16.08.2014

 

Linke in Ungarn nahm Abschied von Péter Kiss

Angehörige und Weggefährten trugen am Freitag Péter Kiss zu Grabe, der am 29. Juli im Alter von nur 55 Jahren gestorben war. Kiss, der bis zuletzt als Parlamentsabgeordneter tätig war, galt vielen als aufrechter Sozialist mit Bodenhaftung, einer der wenigen skandalfreien Vertreter der MSZP, dessen klare, meist freundliche, wenn auch bestimmte Art, ihm Respekt auch beim politischen Gegner einbrachte - was in Ungarn keineswegs, nicht einmal im Mindestmaß selbstverständlich ist.

Kiss war seit 1992 im Vorstand der MSZP und im Parlament, im Kabinett von Gyula Horn von 1995-1998 war er als Leiter des Amtes des Premiers im Ministerrang tätig, 2004 sollte er Péter Medgyessy als Ministerpräsident nachfolgen, nach dem er unter diesem zwei Jahre als Arbeits- und Sozialminister diente. Doch er verlor die parteiinterne Vorauswahl gegen Ferenc Gyurcsány, eine Entwicklung, die im Nachhinein viele seiner Parteikollegen bitter bereuen dürften. Auch Gyurcsány blieb er als rechte Hand treu, zunächst wieder als Sozial- und Arbeitsminister, später als Kanzleramtschef. Im Übergangskabinett Bajnai war Kiss, ein studierter Ingenieur, ebenfalls - hier als Minister ohne Portfeuille - für Soziales zuständig. Seit der Machtübernahme Orbáns hielt er sich weitgehend im Hintergrund der Partei- und Oppositionsarbeit, auch hier waren es das soziale Thema, vor allem das immer tiefer beschnittene Arbeitsrecht, das ihn umtrieb.

Ex-MSZP-Chefin Lendvai bei der Beerdigungsfeier für Péter Kiss am Freitag.

Überhaupt war die Arbeit im Hintergrund ein Wesensmerkmal von Kiss´ politischer Performance, dem nicht nur der Sozialabbau unter Orbán, sondern auch der Opportunismus und die sträfliche Ignoranz gegenüber den Problemen der Menschen während der sozial-liberalen Ära an die Nieren gegangen sein muss. Freilich war er dabei auch in verantwortlicher Position und konnte die bekannten (Fehl)-Entwicklungen nicht aufhalten und hat sie letztlich mitgetragen. Im Unterschied zu den bekannteren "Kämpfern" im linken Lager, nimmt man Kiss aber ab, dass er dies bedauert und aus den Fehlern Lehren ziehen konnte, die tiefer gehen als nur bis zum nächsten Wahlkampfslogan.

Zur Beerdigung erschienen weder ein Regierungsvertreter noch ein Abgesandter einer bürgerlichen Partei (von Bokros abgesehen). Ob auf Wunsch der Hinterbliebenen oder aus mangelndem Eigenantrieb, ist nicht bekannt. Von allen drei maßgeblichen sowie auch vielen anderen Linksparteien waren teils die gesamten Vorstände gekommen sowie drei Ex-Premiers. Die häufig von Tränen erstickten Reden ähnelten sich vor allem in den Festellungen, dass Kiss ein Ausnahmepolitiker war. Ihm habe die in der Politik so inflationäre Theatralik, der Darstellungsdrang gefehlt, er war stets fachmännisch, doch für jeden verständlich und vor allem - unbestechlich. Kurz: ein guter Mensch.

Dass sich die gerade wieder wild zerstrittene Linke nun ausgerechnet über seinem zusammenfindet, könnte für sensible Gemüter ein Zeichen sein...

red / m.s.

 

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