THEMA: WAHLEN UNGARN 2014

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(c) Pester Lloyd / 38 - 2014 NACHRICHTEN 18.09.2014

 

Missbrauch bei Einbürgerung nach Ungarn: Vizepremier beschuldigt Aufdecker des Hochverrats

Am Mittwoch erschien der zweite Teil der umfangreichen Recherche des Newsportals index.hu zum großflächigen Missbrauch beim Einbürgerungsgesetz. Neben der Involvierung ukrainischer und ungarischer Mafiastrukturen behandelte die Fortsetzung auch die Aktivitäten von Bürgermeistern, die Anträge - gegen Entgelte - teils im Akkord bestätigten. Index spricht von einem regelrechten Wirtschaftszweig Einwanderung. Der oberste Projektchef schlägt zurück.

Vizepremier und KDNP-Chef Zsolt Semjén, hier bei einer Ausstellung für Jägerzubehör.

Die Prüfungen seitens des Einwanderungsamtes und des letztverwantwortlichen Innenministeriums fielen, vor allem bis zu den Wahlen, gering aus bzw. fanden überhaupt nicht statt, da man eine gewisse Quote zu erfüllen hatte, damit das Projekt seinen nationalen Auftrag erfüllte. Index.hu berichtet weiter, dass das Innenministerium und die Ämter sich in letzter Zeit zwar um eine Eindämmung des völlig ausgeuferten Betrugssystems bemühte, was aber lediglich zu einer Erhöhung der Schmiergelder führte, Pässe seien für Nichtberechtigte nach wie vor erhältlich, sogar direkt von der zentralen Einwanderungsbehörde, was an Beispielen mit Dokumenten und Zeugenaussagen belegt wird. Nach ersten Hochrechnungen könnten über bis zu einem Drittel der rund 600.000 Neubürger unrechtmäßig an den ungarischen Pass, mit dem das Aufenthaltsrecht in der EU verbunden ist, gekommen sein.

 

Projektchef und politische Oberhaupt für die "vereinfachte Einbürgerung" war und ist Vizepremier und KDNP-Vorsitzender Zsolt Semjén. Er äußerte sich am Mittwoch bei der amtlichen Nachrichtenagentur MTI auf eine Weise zu den Vorwürfen, dass einem für die Zukunft des führenden unabhängigen Nachrichtenportals Index.hu Angst und Bange werden muss: Er findet es "offensichtlich, dass hinter den Artikeln und sonstigen Gerüchten ausländische Geheimdienste stecken". Die "Kooperation mit diesen" aber sei "Hochverrat", warnte er und bezog die linken Oppositionsparteien MSZP und DK in seine Anwürfe gleich mit ein. Im Übrigen sei es "typisch, dass die Sache bei linken Medien erscheint." Die Einbürgerungen würden nach "strengsten Kontrollen" vorgenommen, für Überprüfungen würden notfalls auch "Polizei und Geheimdienste" hinzugezogen. Die von Index.hu dokumentierten Vorgänge auf dem Amtswege oder über die Justiz prüfen zu lassen, fiel Semjén indes nicht ein.

Der Vizepremier und "Minister für Nation, Glauben und Moral" stellte einen Zusammenhang zwischen dem Erscheinen der Artikel und einem Urteil des slowakischen Verfassungsgerichtes - ebenfalls am Mittwoch - her, das einen Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aberkennung der slowakischen Staatsbürgerschaft bei Erlangung einer anderen Zugehörigkeit - aus formalen Gründen - ablehnte. Semjén, der übrigens auch Präsident des Jagdverbandes ist, sieht darin "einen Verstoß gegen die Rechte von Ungarn und anderen Bürgern in der Slowakei" und empfahl den Nachbarn, sich ein Beispiel an Tschechien zu nehmen, die damit anders umgingen. Im Übrigen werde Ungarn alles unternehmen, um den Schutz der Rechte der "Landsleute hinter den Grenzen zu gewährleisten". Die Slowakei verbat sich derartige Einmischung.

Wie auf Zuruf verhaftete am Mittwoch die Polizei einen 21jährigen Ukrainer, der einen ungarischen Pass nach dem neuen Gesetz besitzt, ohne auch nur ein Wort Ungarischen zu können, was eine der gesetzlichen Grundvoraussetzungen darstellt. Womöglich wollte sich der Mann einer Gefängnisstrafe in der Heimat entziehen, hieß es auf der Webseite der Polizei.

red.

 

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