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(c) Pester Lloyd / 42 - 2014 POLITIK 17.10.2014

 

Nachwehen der Kommunalwahlen in Ungarn: Doppelte Sozialhilfe für Fidesz-Stimme, zahlreiche Anfechtungen, Wahlwiederholung in Budapests 14, 15. und 23. Bezrik, Drohungen von Wahlsiegern und -verlierern

Zu den Wahlergebnissen   Reaktionen zu den Wahlen

Die Regierungspartei Fidesz gönnt der linken Opposition nicht das Schwarze unter den Fingernägeln. So stellt zumindest die Gyurcsány-Partei Demokratische Koalition, DK, die Entscheidung der lokalen Wahlkommission dar, die Wahlen zum Bezirksbürgermeister des XV. Budapester Bezirks wiederholen zu lassen.

Zu früh gefreut? Hajdu feierte mit seinen Anhängern seinen vermeintlichen Wahlsieg.

 

Die Wahlkommission folgte damit einem Antrag von Fidesz, die dem gemeinsamen Kandidaten der Linkskräfte, László Hajdu, DK, verschiedene mediale Verstöße gegen die Wahlordnung vorwarf. Allerdings forderte Fidesz eine Geldstrafe, doch die Wahlkommission bezeichnet das Ergebnis im Bezirk als so knapp (Hajdu gewann mit 43,89% und 738 Stimmen vor dem Fidesz-Mann Gábor Pintér), dass die Wahl zu wiederholen sei, sowohl für das Amt des Bürgermeisters als auch für die Kompensationsliste. Die DK ist nun außer sich. Mit derart dünnen und haarsträubenden Anschuldigungen - die natürlich jeder Grundlage entbehren - könne man praktisch jede Wahl wiederholen lassen. Der Vorgang zeige nicht nur die politische Abhängigkeit der Wahlkommission, sondern auch die Demokratieverweigerung der Orbán-Partei.

Auch im 14. Bezirk hat die Wahlkommission wegen “formaler Verstöße” auf Antrag der unterlegenen Orbán-Partei eine Nachwahl - in einigen Wahlparzellen - angeordnet. Hier gewann - sensationell - der E-PM-Kandidat Karácsony. Das gleiche gilt für den 23. Bezirk, auch dort war Fidesz unterlegen.

Insgesamt hat die Wahlkommission noch einen ganzen Berg von Anfechtungen abzuarbeiten: in 23 Gemeinden wurden Einsprüche gegen die Wahl des Bürgermeisters und in mehr als 60 Fällen wurde die Wahl von Gemeinde- und Komitatsräten angefochten. Die angefochtenen Bürgermeisterposten sind in: Kórós, Sumony, Biharugra, Kétegyháza, Mezőkovácsháza, Mezősas, Recsk, Esztergom, Nógrádkövesd, Rétság, Zabar, Cegléd, Diósd, Kerepes, Tápiószele, Tákos, Dombóvár, Becsvölgye, Csörnyeföld, Rigyác, Zalaigrice, Zalamerenye. In ca. zwei Dutzend weiteren Gemeinden müssen Bürgermeister- und Komitatswahlen nochmals abgehalten werden, weil es keine Kandidaten gab.

Eine Wahlanfechtung gibt es auch in der ehemaligen Industriestadt Ózd, die durch die Wahl eines 27jährigen Jobbik-Mannes zum Bürgermeister besonders auffiel. Dieser Dávid Janiczak, der seine Karriere übrigens in der lokalen Selbstverwaltung der polnischen Minderheit begann, hängte bereits am Wahltag Dankeszettel aus, auf denen er den örtlichen Roma gleich einmal klar machte, dass sie "sich anpassen oder verschwinden" müssen.

Dass Fidesz-Politiker nach sechs in Folge gewonnen Wahlen möglicherweise das Verlieren verlernt haben, belegt recht deutlich Zoltán Rozgonyi, der - einigermaßen sensationell - gegen den E-PM-Vertreter Gergley Karácsony das Rennen um den 14. Bezirk, Zugló verloren hatte. Das Internetportal 444.hu zitiert ihn mit einer kryptischen Botschaft: "Nicht ich habe verloren, sondern Sie, die Wähler und Zugló haben verloren. Sie werden bald feststellen, warum...".

 

Eine besonders dreiste, allerdings gar nicht so neue Methode des Wahlbetruges hat das investigative Newsportal, quasi das ung. WikiLeaks www.atlatszo.hu in der Gemeinde Forró im Komitat Borsod nachgewiesen, die aber kein Einzelfall sein soll. Dort wurde "offen" gewählt, so dass ein Dorfhäuptling Einblick haben konnte, was die Wahlbürger ankreuzen. Hintergrund: wer "die Richtigen" wählte, wird ins Kommunale Beschäftigungsprogramm aufgenommen, das in diesem Ort so aussieht, dass die Applikanten morgens antreten und dann wieder nach Hause gehen können und sich damit das Doppelte der sonst üblichen Sozialhilfe sichern. Der Bürgermeister meldet entsprechend erwartete Vollzugszahlen nach Budapest in die Beschäftigtenstatistik und alles sind´s zufrieden. Hauptzielgruppe dieses Wahl- und letztlich auch Sozialbetrugs sind auch in diesem Falle die örtlichen Roma.

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red.

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