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(c) Pester Lloyd / 44 - 2014   NACHRICHTEN  26.10.2014

 

”Kriminellen zahlen wir keine Steuer.”:
10.000 bei Demo gegen Internetsteuer in Ungarn

Infos zur geplanten Internetsteuer.

UPDATE, 28.10. 09:30 Uhr: Die weiteren Entwicklungen zum Thema finden Sie in diesem Beitrag.

UPDATE, 27.10. 08:30 Uhr:

In der Berichterstattung der regierungseigenen und -nahen Medien dominiert am Tag nach der Demo der von der Fidesz-Führung vorgegebene “Schock” darüber, dass die Demo “in Gewalt und Vandalismus umschlug”.

Noch während die ersten Computermonitore in die Fensterscheiben der Parteizentrale flogen, distanzierte sich der Veranstalter von der Facebook-Plattform “100.000 gegen die Internetsteuer” (Mittlerweile 213.000 Mitglieder), von den Aktionen “einiger Provokateure”. Sprecher von Fußball-Ultra-Verbänden wehrten sich medial gegen Meldungen, Ultra-Fangruppen hätten mit der Sache zu tun. (Am Sonntag demonstrierten separat mehrere tausend Fußballfans gegen erkennungsdienstliche Maßnahmen bei der Ticketvergabe und in den Stadien.)

Így lett Fidesz-székház ostrom az internetadó elleni tüntetésbol from atlatszo.hu on Vimeo.

 

Auf einem Video des Investigativ-Portals ist deutlich zu erkennen, dass eine Handvoll Personen Sachbeschädigungen vornahm, die Schlüsselfiguren waren dabei vermummt. Von den rund 10.000 Teilnehmern der Demo, waren einige Hundert zur Levay Straße weitergezogen.

Die Polizei beschränkte sich auf das Abriegeln des Areals mit einer doppelten Polizeikette und erklärte, dass niemand verletzt noch verhaftet wurde, gegen 21.30 Uhr zerstreute sich die Menge.
 

 

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Erstbericht und Live-Ticker-Nachlese:

Rund 10.000 Menschen haben sich am Sonntagabend ab 18 Uhr auf dem innerstädtischen József Nádor Platz, Sitz des Wirtschafts- und Finanzministeriums eingefunden, um gegen die von der Regierung angekündigte Internetsteuer und die damit einhergehenden Datenzugriffe zu protestieren. Der Auflauf ist die größte parteiübergreifende Oppositionskundgebung seit über einem Jahr. Rund 40.000 Menschen hatten auf Facebook ihre Zusage gemacht, mehr als 200.000 dort gegen die Steuer protestiert.

“Kriminellen zahlen wir keine Steuern!” steht auf dem Plakat.

 

In Reden wurde die Unsinnigkeit der Steuer angeprangert, für die, so ist man sich sicher, Orbán persönlich verantwortlich ist und die Ausdruck seiner gegen das Volk gerichteten und ökonomisch fehlgeleiteten Politik ist. In diesem Zusammenhang wurde auch Bezug auf die hinter den US-Einreiseverboten stehenden Korruptionsfälle genommen und Fidesz an seine Äußerungen von 2008 erinnert, als man gegen eine ähnliche MSZP-Initiative mit den Worten “unsinnig und falsch” reagierte.

Es folgten Aufrufe, auch auf die Fidesz-Parteizentrale und Orbáns Budapester Domizil zu marschieren. Allerdings wurden diese offenbar gezielt in Umlauf gesetzt, um die Gefährlichkeit jeglicher Opposition zu Regierungsentscheidungen herauszustreichen. Eine bewährte Praxis.

Die Partei E-PM will im Parlament einen Antrag einbringen, dem finnischen Beispiel zu folgen, wo Jedem ein Basiszugang zum Interneht kostenlos gewährt wird.

“Frieden, Freiheit, Internet”, Protestversammlung auch in Pécs.

Auch in Miskolc findet eine Demo statt, kleinere Gruppen fanden sich zu Protesten auch in Veszprém und anderen Orpten zusammen.

Einige tausend Demonstranten setzten sich gegen 19 Uhr in Richtung der Fidesz-Parteizentrale in der Lendvay Straße, unweit der Andrássy in Bewegung.

Ein Dutzend Helden verteidigt das Nationalwirtschaftsministerium gegen den Cybermob. Foto: natürlich nicht MTI, sondern www.hvg.hu Wir danken ;)

József Nádor tér kurz nach 18 Uhr.

UPDATE, 19:41 Uhr: Einige tausend Menschen sind auf dem Weg über die Andrássy út in Richtung der Fidesz-Parteizentrale. Die Veranstalter stellten der Regierung mittlerweile ein Ultimatum: wenn binnen 48 Stunden das Gesetz nicht zurückgezogen wird, gehts am Dienstag mit Protesten, auch “unorthodoxer Natur” (Anspielung auf die Selbstbezeichnung der Orbánschen Wirtschaftspolitik) weiter. - Massive Polizeipräsenz in den Nebenstraßen.

Die “kritische Masse” gegen 20 Uhr am Heldenplatz. Einige Hundert zogen weiter zur Fidesz-Parteizentrale.

UPDATE, 19:51 Uhr: Am Heldenplatz angekommen, ist sich die Menge uneins. Der Organisator und Veranstalter will die Hymne singen lassen und alle friedlich nach Hause gehen lassen. Sprechchöre fordern auf, zur Fidesz-Zentrale weiter zu gehen.

UPDATE, 20:36 Uhr: Ausschreitungen an der Fidesz-Parteizentrale. Rund 300 bis 500 Demonstranten, darunter offensichtlich vor allem Fußball-Ultras zerschmissen mehrere Scheiben am Hauptsitz der Regierungspartei in der Lendvay Straße. Feuerwerkskörper und Computerbildschirme fliegen. Auf einem Balkon haben zwei Demonstrantinnen eine EU-Flagge gehisst, Sprechchöre rufen aber auch “Europa ist der Fehler!”. Bereitschaftspolizei in voller Ausrüstung fährt auf. Pro-Regierungsdemonstranten sind auch zu sehen und zu hören. Die Polizei versucht nun, Haus und Grundstück zu räumen.

Die Konstellation erinnert an die Demo an gleicher Stelle im März 2013. Damals kamen stiernackige “Sicherheitsleute” aus dem Umfeld des FTC auf Zuruf des Fidesz-Clubpräsidenten zum Einsatz, um die “Besetzung” zu beenden. Diese sollten dann den Kern einer “Parteigarde” bilden, um sich gegen “Demokratiefeinde” zu schützen. Dass diesmal Fußball-Hooligans als Provokateure eingesetzt werden, um die Protestbewegung ins kriminelle Eck zu rücken, ist in keinster Weise auszuschließen.

UPDATE, 20:47 Uhr: Die Polizei schiebt die Menge vom Fidesz-Sitz allmählich weg, die Lage bleibt laut, aber relativ friedlich. Die Regierungspartei hat ihre Randale-Bilder im Kasten. Es sind weiterhin mehrere hundert Menschen, die Parolen skandieren, u.a. “Orbán, hau ab!” “Freiheit und Internet!” usw., neben Fußball-Ultra-Gruppen auch viele jüngere und ältere, normale Demonstranten.

Die ungarischen Fußballfans, moderate wie radikalere, haben übrigens ihr eigenes Hühnchen mit der Regierung zu rupfen, was den heutigen Ausbruch auch jenseits der “Provokateurs-These” erklären könnte: Auf Anordnung des Innenministeriums hat der Fußballverband beschlossen, bald personifizierte Eintrittskarten, Ganzkörperscanner und Fingerabdruck-Identifikation einzuführen. Fangruppen mit mehreren tausend Anhängern protestierten dagegen am Sonntag im ganzen Land, drohten mit einem Stadion-Boykott und fodern ein “Ende der Politisierung des Fußballs”. Dabei ist Stadionbau praktisch das amtliche Hobby der Herrschenden...

UPDATE, 21:07 Uhr: Das regierungsahe Hír TV musste seine Vor-Ort-Berichte mehrmals unterbrechen. Einmal wurde dem Team ein Kabel gekappt, andere Male wurde es von “Publikum” umringt, das sie als “Fidesz-Arschkriecher” beschimpfte. Später berichtete Hír TV fast ausschließlich von den Übergriffen, kaum mehr von den tausenden friedlichen Demonstranten. Ein bekannter rechstextremistischer Moderator stellte einen Bezug zum Sturm auf die TV-Zentrale 2006 her.

UPDATE, 21:15 Uhr: Die EU-Flagge als Symbol des Widerstands und der Freiheit, gehisst an der Fidesz-Parteizentrale in Budapest.

UPDATE, 21:26 Uhr: Während die von Bereitschaftspolizei in Schach gehaltene Menge die ungarische Nationalhymne anstimmt (ein untrügliches Zeichen, dass sich die Veranstaltung dem Ende nähert), rufen einige Gruppen mit “Hungá-ria”-Brüllern dazwischen, Schlachtruf eher rechtslastiger Fußballfans. (Ultra-Fangruppen verwahrten sich übrigens dagegen, an den Ausschreitungen teilgenommen zu haben.)

Die “Liebe des Volkes” trifft auf die amtlichen “Verhütungsmittel”. Die Polizei hielt sich am Abend mächtig zurück. In anderen Städten Europas hätten die fliegenden Monitore (siehe unten) bereits zur Anwendung der “gelindesten Mittel” geführt. Entweder wollen die nicht für 1,50 die Stunde ihren Kopf für eine idiotische Steuer herhalten - oder sie sollten sich zurückhalten, damit der Fidesz-Hoffotograf auch in Ruhe alle Aufnahmen machen kann.

Die Regierungspartei kostet den Abend aus: Man sei “schockiert, dass die Demonstration” in “Vandalismus ausgeartet” sei, heißt es in einer Presseerklärung. Man “wolle in Freundschaft und Geduld alle Fragen beantworten, die sich mit der Internetsteuer stellen”, doch “Gewalt kann nicht die Lösung sein” und ist “inakzeptabel.”

Hier noch einige MTI-Beweisfotos wie linksradikale Strumtruppen unter dem Einsatz von westlicher Technologie die Demokratie in Ungarn zerstören...

Alle Infos zur geplanten Internetsteuer.

red.

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