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(c) Pester Lloyd / 45 - 2014   NACHRICHTEN   03.11.2014

 

"Gottgewollte" Klientelpolitik: Ungarn will Sonntagsöffnung von Einkaufszentren verbieten

Diesmal ist es nicht Orbán und sein Fidesz, sondern die christlich-fundamentalistische Anhängselpartei KDNP, die den nächsten, womöglich unpopulären Gesetzes-Vorstoß in den Raum stellt. Die in Ungarn seit der Wende übliche Sonntagsöffnung von Supermärkten, Shopping-Malls und Geschäften, ob groß oder klein, soll wieder abgeschafft bzw. stark und gezielt eingeschränkt werden.

Allerdings, so der Wunsch der KDNP, soll das Sonntagsöffnungsverbot nur für Geschäftseinheiten über 400 Quadratmeter gelten, also jene Größe, die auch unter den sogenannten "Mall-Bann" bei der Errichtung neuer Geschäfte fällt, womit die Partei den protektionistischen Charakter der Idee indirekt zugibt. Die Partei begründet das bereits mehrfach vorgebrachte Vorhaben allerdings mit der "gottgewollten Sonntagsruhe" und "Familienfreundlichkeit", streicht vor allem aber die Förderung "kleiner, ungarischer Geschäftsinhaber" heraus, - wenn man schon sonntags überhaupt eine Versorgung braucht.

Während Tesco, Auchan und Co. dadurch den drittwichtigsten Umsatztag verlören, wären die landesweiten Ketten von CBA und Coop, die zwar auch zu den Big Playern zählen, aber in tausende kleine Verkaufseinheiten gefranchiset sind, nicht betroffen. Die Manager der Holdings sind übrigens glühende Fidesz-Fans und Wahlkampffinanziers der Regierungsparteien. KDNP beklagt weiterhin, dass Aldi, aber auch Tesco und andere, den
Shopping-Mall-Bann durch die Etablierung kleinerer Geschäftseinheiten "umgehen", bis 2016 soll dem auch ein Riegel vorgeschoben werden.

 

KDNP verweist bei ihrem Vorschlag auf ähnliche Regelungen zur Sonntagsruhe in Österreich und Deutschland, verschweigt aber die ungarischen Besonderheiten: viele Ungarn haben mehrere Jobs, um über die Runden zu kommen und wochentags gar keine Zeit, sich um Einkäufe zu kümmern. Zudem erhält das Verkaufspersonal am Sonntag (ung. übrigens vásárnap = Markttag) einen Lohnzuschlag von 50%, für Studierende, aber auch viele unterbezahlte Beschäftigte ist ein Nebenjob am Sonntag eine lebensnotwendige Möglichkeit, ihr Budget aufzubessern, die dann entfiele. Nicht zuletzt ist die ungarische "Tradition" der Ladenöffnung am Sonntag auch ein Statement gegen die Restriktionen der Kádár-Ära, die seit 25 Jahren Teil des Alltags ist, was in Deutschland bzw. Österreich nie der Fall war. Doch selbst dort steht die Sonntagsruhe perspektivisch vor dem Fall.

Dass der Vorschlag von der KDNP und nicht von Fidesz direkt kommt, ist eine Vorsichtsmaßnahme gegen eventuell aufkommenden Publikumsprotest als Lehre aus dem Knieschuss mit der
Internetsteuer.

red.

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